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Landtagswahl in Thüringen: AfD erstmals stärkste Kraft – Wahlergebnisse


Historisches Ergebnis
Ist dieses Land jetzt unregierbar?

Von t-online, mak

Aktualisiert am 02.09.2024Lesedauer: 4 Min.
urn:newsml:dpa.com:20090101:240901-911-019367Vergrößern des BildesBjörn Höcke (AfD), Partei- und Fraktionsvorsitzender der AfD in Thüringen und Spitzenkandidat, geht nach der Prognose um 18 Uhr durch den Landtag. (Quelle: Michael Kappeler/dpa)

Die Bürgerinnen und Bürger in Thüringen haben über einen neuen Landtag abgestimmt. Wie haben die Parteien abgeschnitten?

Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg ist in Deutschland eine rechtsextreme Partei als stärkste Kraft aus einer Landtagswahl hervorgegangen: In Thüringen kam die Partei von Spitzenkandidat Björn Höcke auf 32,8 Prozent, wie der Landeswahlleiter in Erfurt am Abend mitteilte. Die Wählerinnen und Wähler in Thüringen haben die Politik damit vor eine schwierige Aufgabe gestellt – manch ein politischer Beobachter spricht gar von einem unlösbaren Puzzle, denn eine Zusammenarbeit mit der AfD haben alle anderen Parteien in dem Bundesland ausgeschlossen.

Thüringen stehen also unruhige Zeiten bevor – erneut. Der bisherige Ministerpräsident Bodo Ramelow von den Linken führte in den vergangenen fünf Jahren eine gemeinsam mit SPD und Grünen gebildete Minderheitsregierung. Bereits nach den Wahlen 2019 hatte sich die Regierungsbildung schwierig gestaltet.

Höcke sieht Regierungsauftrag

Das könnte nun, fünf Jahre später, noch komplizierter werden. Der rechtsextreme Björn Höcke sieht den Regierungsauftrag bei seiner AfD und will mit den anderen Parteien Gespräche über eine Regierungsbeteiligung führen. Es sei gute parlamentarische Tradition, dass die stärkste Kraft nach einer Wahl zu Gesprächen einlädt, sagte Höcke nach der Landtagswahl in Thüringen. "Wir sind bereit, Regierungsverantwortung zu übernehmen."

Das Problem: Mit der AfD will niemand der anderen koalieren. So schloss CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann in der ARD erneut aus, dass die Partei Koalitionen mit der AfD bildet. "Da sind wir sehr, sehr klar", sagte er. Die CDU werde nun aus der Mitte des Parlaments heraus Regierungen bilden, kündigte Linnemann an.

Video | Landtagswahl in Thüringen: Großer Jubel bei AfD und BSW
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Quelle: t-online

Auch BSW-Gründerin Wagenknecht schloss eine Zusammenarbeit mit der Höcke-AfD aus. "Höcke vertritt ein völkisches Weltbild, das ist also meilenweit von uns entfernt", sagte Wagenknecht in der ARD. "Wir haben immer gesagt, mit Herrn Höcke können wir nicht zusammenarbeiten."

Das BSW passt indes in keine bekannte Schublade. Wagenknecht vertritt bei der Begrenzung der Migration und bei der Ablehnung der Militärhilfen für die Ukraine eine ähnliche Linie wie die AfD, steht aber sozial- und wirtschaftspolitisch eher links. Nach Einschätzung von Meinungsforschern lebt sie mehr von linken Wählern – während die AfD auf einen erheblichen Prozentsatz von Anhängern mit stramm rechten Ansichten zählen kann.

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Doch beiden gemeinsam ist das Selbstverständnis als "Gegen-die-da-oben-Parteien". Das ist auch der Thüringer Spitzenkandidatin des BSW, Katja Wolf, bewusst. Die frühere Oberbürgermeisterin von Eisenach und Weggefährtin von Bodo Ramelow sagte, es bedürfe einer "inhaltlichen Auseinandersetzung mit der AfD". Wie diese konkret aussieht, ist aber offen.

Wahrscheinlicher als eine AfD-Beteiligung in der Regierung ist ein anderes, noch nie dagewesenes Modell: CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt müsste dafür mit dem BSW unter Wolf anbandeln und den SPD-Chef und aktuellen Innenminister Georg Maier in das recht experimentelle Bündnis holen. Die erst vor wenigen Monaten zum BSW gewechselte Wolf könnte damit so etwas wie der Joker nach der Wahl werden.

Voigt kündigte an, auf die SPD zugehen zu wollen und auch zum BSW "gesprächsoffen" zu sein. Vor allem CDU-Politiker stören sich aber daran, dass Parteichefin Wagenknecht Mitglied der DDR-Staatspartei SED war und später eine führende Figur der kommunistischen Plattform in der Linken. Eine Koalition wäre theoretisch möglich, denn nach einem Unvereinbarkeitsbeschluss darf die CDU weder mit der AfD noch mit der Linken koalieren – für das BSW gilt dieser Beschluss aber nicht. Inhaltlich liegen CDU und das BSW teils meilenweit entfernt.

Wagenknecht hat zudem kaum erfüllbare Bedingungen in der Ukraine-, Russland- und Nato-Politik gestellt. Diese bekräftigte sie am Wahlabend. "Was wir natürlich nicht machen werden, ist eine Regierung, die die Menschen enttäuscht, sondern wir möchten eine Regierung, die gerade diese Hoffnungen, auch diese Erwartungen erfüllt", sagte sie im ZDF. Die CDU solle sich ihrer Verantwortung bewusst sein. Gleichzeitig sagte sie in der ARD: "Wir hoffen sehr, dass wir am Ende mit der CDU eine gute Regierung zustandebekommen."

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Rückendeckung bekommt der CDU-Mann Voigt dabei vom Linken Ramelow. Voigt habe den Auftrag, "zu demokratischen Mehrheiten" zu kommen, und er werde ihn unterstützen, sagte Ramelow am Sonntag.

Klar ist: Eine Minderheitsregierung strebt keine Partei an. Die bittere Ironie: Das absehbar schwierige Regieren in beiden Ländern könnte den Frust vieler Menschen nur noch weiter aufbauen.

Spannend wird es noch vor der Regierungsbildung bei der Wahl des neuen Landtagspräsidenten oder der -präsidentin. Diese ist Voraussetzung für die Konstituierung des Parlaments und damit für dessen Arbeitsfähigkeit. Als stärkste Fraktion hat die AfD hier das Vorschlagsrecht. Ob deren Kandidat aber durchkommt, ist zweifelhaft. Im dritten Wahlgang können dann auch andere Parteien einen Bewerber aufstellen.

Sollte die AfD ein Drittel der Abgeordneten im neuen Landtag stellen, hätte sie weitreichenden politischen Einfluss. In Thüringen ist etwa eine Zweidrittelmehrheit aller gewählten Abgeordneten nötig, um den Landtag aufzulösen und damit den Weg für eine Neuwahl zu bereiten. Ohne AfD-Zustimmung ginge das dann nicht. Auch Verfassungsänderungen, die Wahl des Präsidenten und der Richter des Thüringer Verfassungsgerichtshofs und die Wahl des Rechnungshofpräsidenten verlangen eine Zweidrittelmehrheit, was die AfD mit einer Sperrminorität theoretisch blockieren könnte.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen Reuters, AFP und dpa
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