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CDU: Friedrich Merz und die Kanzlerfrage – Jetzt muss er


CDU-Chef Merz und die K-Frage
Ein Warnschuss


17.08.2024Lesedauer: 5 Min.
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Die Rivalen: NRW-Ministerpräsident Wüst (l.), Friedrich Merz und CSU-Chef Markus Söder (r.) im Wahlkampf. (Quelle: RALF ROTTMANN FUNKE FOTO SERVICI/imago-images-bilder)

Die Entscheidung um den Kanzlerkandidaten der Union rückt näher. Nach den Landtagswahlen bleibt CDU-Chef Merz ein sehr konkretes Zeitfenster, um die Sache zu klären. Das nicht zu nutzen, könnte verheerend sein.

In der CDU ist es dieser Tage so ruhig wie lange nicht mehr. Der Chef ist im Urlaub. Der Generalsekretär macht etwas Wahlkampf in Thüringen und Sachsen. Alles sehr gediegen, denn die heiße Phase kommt erst noch. Das Kontroverseste, was die Partei dieser Tage zu bieten hat, ist ein Fernsehauftritt der Rheinland-Pfälzerin Julia Klöckner, die sich in einer Talkshow mit der Komikerin und Aktivistin Enissa Amani zum Thema Nahost anschreit.

Ansonsten? Ruhe.

Wenn da nicht ein leichtes Fiepen wäre. Eine Art Tinnitus, der auch nach mehrfachem Nasezuhalten und Druck aus den Ohren lassen nicht wegzukriegen ist. Es handelt sich, wie sollte es anders sein, um die kleine Schwester aus Bayern, die CSU. Genauer gesagt: Markus Söder. Denn auch, wenn man es in der CDU schon fast vergessen haben mag, die K-Frage ist de facto noch nicht entschieden. Und wenngleich alles auf Friedrich Merz hinauszulaufen scheint, erinnert Bayern dieser Tage doch gerne daran, dass es am Ende nur mit und auf keinen Fall ohne sie geht.

Merz braucht einen Fahrplan – was passiert jetzt?

Eigentlich läuft für Merz gerade alles nach Plan. Nicht nur in der CDU ist man mittlerweile sicher, dass der Vorsitzende in wenigen Wochen zum Kanzlerkandidat gekürt wird. Selbst die Tatsache, dass die Mehrheit der Mitglieder dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst nach wie vor bessere Chancen einräumt, kann dem CDU-Chef auf gut Deutsch egal sein. Denn die Partei steht trotzdem geschlossen hinter ihm. Das oberste Gebot heißt Geschlossenheit. Bloß nicht streiten. Das sollen mal die von der Ampel machen.

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Wirklich zurücklehnen kann Merz sich in seinem Urlaub trotzdem nicht. Denn der Vorsitzende muss, wenn er es nicht längst getan hat, einen Plan schmieden, um die Kandidatenkür nach den Landtagswahlen auch geräuschlos über die Bühne zu bringen. Nicht nur Söder, sondern auch die Ministerpräsidenten wollen eingebunden werden. Und bei der K-Frage darf dieses Mal nichts schiefgehen.

Bislang ist kein Fahrplan bekannt. Selbst im engen Umfeld des Vorsitzenden will keiner etwas wissen. Merz tue gut daran, seine Pläne für sich zu behalten, heißt es dort. Alles, was zu früh durchsickere, drohe der Entscheidung zu schaden. Allein das zeigt, wie heikel die Lage ist. Man will den Gegenüber einerseits vor vollendete Tatsachen stellen, ihn aber bloß nicht vor den Kopf stoßen – schon gar nicht, wenn der Gegenüber Markus Söder heißt.

"Es muss ganz leicht aussehen", so heißt es immer wieder aus der Parteispitze. Auch, wenn alle wissen: So ganz leicht wird das Manöver kaum werden.

Das Zeitfenster und warum die Ostwahlen keine Rolle mehr spielen

Es ist nicht lange her, da war man in der CDU noch gar nicht sicher, ob Merz der Richtige ist. Die Umfragewerte, öffentliche Ausfälle – das alles zahlte auf das Konto seiner Kritiker ein. Und auch Merz äußerte zeitweise fast so was wie Selbstzweifel. In einem Interview zwischen den Jahren sagte der CDU-Chef etwa der Deutschen Presse-Agentur, er werde nach der nächsten Bundestagswahl im Herbst 2025 70 Jahre alt. "Ich wäre damit nach Konrad Adenauer der älteste Bewerber um das Amt des Bundeskanzlers in der Bundesrepublik Deutschland. Das sind Überlegungen, das sind Erwägungen, die ich auch im Blick behalten muss."

Mittlerweile hat der Vorsitzende sich deutlich stabilisiert. Er tritt staatsmännischer auf, gibt sich ausgewogen. Mit den Umfragewerten sind in den Reihen von CDU und CSU zwar nach wie vor nicht alle zufrieden. Viele glauben, dass bei der schwachen Performance der Ampel deutlich mehr drin sein müsste. Allerdings tröstet man sich mit der Erkenntnis, dass SPD, Grüne und FDP zu dritt in etwa so stark abschneiden wie die Union allein. Es herrscht ein Gefühl der Geschlossenheit. Kritik aneinander? Beschränkt sich auf ein Minimum. Öffentliche Fehler von Parteikollegen? Werden weggelächelt.

Die Partei feiert sich, teilweise so, als habe sie die Wahl schon gewonnen. Und nicht nur die CDU, sondern auch Merz selbst scheinen sicher: Er macht es. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Jens Spahn sprach sich am Freitag als erster CDU-Spitzenpolitiker öffentlich für Merz aus. Spahn sagte t-online: "Friedrich Merz hat die Union nach einer bitteren Niederlage wieder aufgerichtet. Als jüngst mit starkem Ergebnis erneut gewählter CDU-Chef ist er der natürliche Kandidat."

Schon seit Monaten wird in den Reihen der Union gemunkelt, dass alles auf den Vorsitzenden hinauslaufe. Dass die Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg noch Einfluss auf die Entscheidung haben, glaubt keiner mehr wirklich.

Immerhin hat man auch bei der Europawahl vorhergesagt, es handele sich um einen "Testlauf". Daran würde Merz jetzt gemessen. Das Ergebnis? Ein für viele semi-zufriedenstellendes Ergebnis und eine Partei, die öffentlich trotzdem ruft: "Ist doch super gelaufen." Was soll bei den bevorstehenden Wahlen also noch schiefgehen?

Die CDU hat gute Chancen, in mindestens zwei von drei Ländern den Ministerpräsidenten zu stellen. Je nach Mehrheitsverhältnis. Der einzige Knackpunkt: die AfD. Eigentlich hat Merz klar gesagt: Wer mit der in weiten Teilen rechtsextremen Partei kooperiert, fliegt aus der CDU. Nun zeigt etwa eine aktuelle Umfrage, dass 45 Prozent seiner Mitglieder eine Zusammenarbeit mit der AfD für denkbar halten. Unter den ostdeutschen Mitgliedern waren es sogar 68 Prozent der Befragten.

Hinter vorgehaltener Hand sagen einige Christdemokraten, es sei nur noch eine Frage der Zeit, bis die Situation aus dem Ruder laufe. Merz wird hier nicht umhinkommen, eine Lösung zu finden. Dass seine Kanzlerkandidatur jedoch daran scheitert, ist unwahrscheinlich.

Was Wüst, Söder und die anderen Länderchefs erwarten

Bleibt die Frage nach dem Wie. Denn nicht nur Söder, sondern auch diverse CDU-Ministerpräsidenten haben in den vergangenen Monaten ein Mitspracherecht eingefordert. So betonte etwa der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Daniel Günther: "Die Zeit, dass sich zwei Herren zusammensetzen, um zu entscheiden, was in der Union passiert, die ist schon sehr, sehr lange vorbei." Und der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst sagt dazu: "Wie auch die CSU nachvollziehbar beansprucht, hierbei mitzuentscheiden, tun dies auch die Landesvorsitzenden und Ministerpräsidenten der CDU."

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Ohne die Rückendeckung seiner Länder-Chefs dürfte es für Merz tatsächlich schwer werden. Eigentlich müsste er sich noch vor einem Treffen mit Söder an sie wenden. Das Zeitfenster, das dem CDU-Vorsitzenden dafür bleibt, ist ziemlich klar:

Die letzte Landtagswahl (in Brandenburg) findet am 22. September statt. Anschließend bleiben Merz knapp drei Wochen bis zum CSU-Parteitag. In der Zeit muss es ihm gelingen, die K-Frage zu klären. Sowohl mit den Ländern als auch mit der CSU. Andernfalls gab es in den vergangenen Tagen einen Vorgeschmack darauf, was droht. In einem Interview erklärte der Fraktionsvorsitzende der CSU in Bayern, Klaus Holetschek, auf die Frage, mit welchem eigenen Spitzenkandidaten man unter einem möglichen Kanzlerkandidaten Merz in den Bundestagswahlkampf 2025 ziehen wolle: "Entscheidend ist die Frage: Mit welchem inhaltlichen und personellen Angebot haben wir die maximale Chance auf einen Wahlerfolg?" Als der Journalist erwidert, dass das laut Umfragen ja Söder sei, erwidert Holetschek: "Dass Markus Söder Kanzler kann, ist für mich unbestritten."

Für manchen in der CDU dürfte das ein Déjà-vu an Formulierungen von vor drei Jahren sein. Für Merz ist es ein Warnschuss: Wenn der Kandidat am Ende nur toleriert, nicht aber unterstützt wird, könnte das für die Union bei der Bundestagswahl verheerende Folgen haben. Viele dürften sich an das Theater 2021 noch gut erinnern.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • RND: Umfrage zur CDU
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