Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Reaktionen auf Regierungskritik durch Bärbel Bas "Kein Kavaliersdelikt"
Die Bundestagspräsidentin Bärbel Bas hat das Antwortverhalten der Bundesregierung in einem bislang unveröffentlichten Schreiben kritisiert. Nun fordern auch Oppositionsparteien bei t-online mehr Offenheit der Regierung.
Die Opposition fordert die Regierung auf, ausführlicher, fristgerecht und vollständig auf parlamentarische Anfragen zu reagieren. Die CDU, die Linke und das BSW kritisieren, dass die Bundesregierung die parlamentarische Kontrolle durch nicht oder nicht vollständig gegebene Antworten untergrabe.
Der Regierung fehle der nötige Respekt gegenüber dem Parlament, bemängelt der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Thorsten Frei. "Zu Recht beschwert sich die Bundestagspräsidentin über das Antwortverhalten der Bundesregierung. Der Kanzler und seine Regierung versuchen sich der parlamentarischen Kontrolle mehr und mehr zu entziehen", so Frei zu t-online.
Parlamentarische Anfragen oder Fragen nicht ordnungsgemäß oder nicht fristgemäß zu beantworten, sei kein Kavaliersdelikt, "das Fragerecht der Bundestagsabgeordneten ist ein hohes Verfassungsgut", sagt Frei. Die Oppositionsarbeit dürfe "durch dieses unrühmliche Verhalten nicht gefährdet werden."
Der Kanzler und seine Regierung versuchen, sich der parlamentarischen Kontrolle mehr und mehr zu entziehen
Thorsten Frei, CDU/CSU-Fraktion
Der Generalsekretär des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW), Christian Leye, sagte t-online, er hoffe und erwarte, dass "die Bundesregierung ihr Antwortverhalten merklich verbessert". Er begrüßt den Brief der Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) an den Chef des Bundeskanzleramtes, Wolfgang Schmidt.
In dem Schreiben, das t-online exklusiv vorliegt, hatte Bas die Bundesregierung scharf kritisiert. Laut Bas gebe es zunehmend Beschwerden über das Antwortverhalten der Bundesregierung auf parlamentarische Anfragen der Bundestagsfraktionen und Gruppen. Sie sehe diese Entwicklung "mit wachsender Sorge".
Mit dem Fragerecht erfüllen wir unsere Kontrollfunktion gegenüber der Regierung. Das ist unsere Pflicht als Abgeordnete in der Opposition.
Christian Leye, BSW
Das Schreiben stammt aus dem Mai 2024. "Eine Veränderung spüre ich bisher nicht", sagte Leye t-online. Er ziehe sogar in Zweifel, "ob die Bundesregierung überhaupt gewillt ist, eine Veränderung herbeizuführen." Das BSW hatte zu diesem Thema schon Kleine Anfragen an die Bundesregierung gerichtet. In den Antworten schreibt diese, dass sie jede Anfrage 'mit höchster Sorgfalt'" behandele. Entweder verfüge die Bundesregierung "hier angesichts der eingegangenen Beschwerden über kein Problembewusstsein", so Leye, "oder sie beschönigt die Lage ganz gewollt."
Verhalten "unterirdisch"
"Das Antwortverhalten der Bundesregierung ist unterirdisch", fasst es der Parlamentarische Geschäftsführer der Linken im Bundestag, Christian Görke, zusammen. "Die Antworten kommen unpünktlich wie die Deutsche Bahn", sagt Görke t-online. Außerdem trickse die Bundesregierung "mit Allgemeinplätzen oder versteckt sich hinter angeblichen Geheimschutzgründen".
Das Antwortverhalten der Bundesregierung ist unterirdisch.
Christian Görke, Die Linke
Auch die Linke sieht seit dem Schreiben von Bas keine Verbesserung der Praxis der Beantwortung von Kleinen Anfragen oder Einzelfragen. Dabei sei dies, laut Görke, keine Frage, was sich die Opposition erhoffe, sondern es gehe seiner Meinung nach darum, dass "die Bundesregierung verfassungstreu handelt und der Opposition fristgerecht und umfangreich antwortet". Nach der Auffassung von Christian Görke sei die Bundesregierung vom Vorhaben eines "'neuen Regierens' meilenweit entfernt".
Das Bundespresseamt teilte mittlerweile schriftlich mit: "Die Bundesregierung nimmt den Brief der Parlamentspräsidentin sehr ernst und hat großes Verständnis für ihre Bitte, parlamentarische Fragen ordnungsgemäß und rechtzeitig zu beantworten. Dies hat der Chef des Bundeskanzleramts Schmidt auch in seinem Antwortbrief vom 11. Juni deutlich gemacht. Gleichzeitig kann die Bundesregierung hinsichtlich der Fristeinhaltung keine Abweichungen gegenüber dem Antwortverhalten in vorherigen Legislaturperioden feststellen. Insgesamt wurden der Bundesregierung bereits über 20.000 Kleine Anfragen und Schriftliche Fragen in der laufenden Legislaturperiode gestellt. Diese wurden ganz überwiegend fristgerecht beantwortet. Der Bundesregierung ist es ein großes Anliegen, dass das hohe Haus des Parlaments mit der zutreffenden und fristgemäßen Beantwortung parlamentarischer Anfragen rechnen kann. Deswegen geht die Bundesregierung jeder Beschwerde konsequent nach. Soweit möglich und erforderlich, wird Abhilfe geschaffen, um ein gleich bleibend hohes Niveau bei der Qualität der Beantwortung zu gewährleisten und das verfassungsrechtlich geschützte Frage- und Informationsrecht der Abgeordneten zu achten."
- Schreiben der Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) an das Bundeskanzleramt
- Anfragen an die CDU, die Linke und das BSW
- Anfrage an das Bundespresseamt