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FDP-Frau Jensen: "Ich hoffe nicht, dass daraus ein Streit wird"


FDP-Frau Jensen
"Ich hoffe nicht, dass daraus ein Streit wird"

  • Florian Schmidt
InterviewVon Florian Schmidt

29.03.2025Lesedauer: 6 Min.
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Wahlkampf der Liberalen: FDP-Frontmann Lindner hat immer wieder für ein schwarz-gelbes Bündnis geworben. (Quelle: IMAGO/Frank Ossenbrink/imago)
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Was hat zur Wahlschlappe der Liberalen geführt? Und welche Konsequenzen sollte die FDP daraus ziehen? Die bisherige Fraktionsvizechefin Gyde Jensen hat klare Vorstellungen für die Zukunft ihrer Partei.

Die FDP hat's nicht geschafft, zum zweiten Mal binnen zwölf Jahren sind die Liberalen bei der Bundestagswahl an der Fünfprozenthürde gescheitert und damit im neuen Bundestag nicht vertreten. Nach dem ersten Schock beginnt in der Partei nun die Phase der Aufarbeitung: Analysen werden geschrieben, ein neuer Chef soll gewählt werden, der auf Langzeit-Parteiboss Christian Linder folgt.

Ganz geräuschlos läuft all das aber nicht. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass es in der Partei einen Richtungsstreit geben könnte – zwischen jenen, die keine rein wirtschaftsliberale FDP wollen und den Wahlkampf für ein schwarz-gelbes Bündnis kritisieren, und denen, die angesichts der schwarz-roten Koalition in spe sagen: Die Nische der FDP liegt jetzt zwischen Union und AfD.

Gyde Jensen gilt als Vertreterin der ersten Gruppe. Die stellvertretende Chefin der FDP Schleswig-Holstein und bisherige Fraktionsvize hat ein Papier der Gruppe "Liberaler Fortschritt" unterzeichnet, dem sich auch zahlreiche andere Parteipromis des bürgerrechtsliberalen und sozialliberalen Flügels angeschlossen haben, etwa die frühere Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Im Interview mit t-online erklärt Jensen, was im Wahlkampf aus ihrer Sicht schieflief – und warum sie für eine Doppelspitze ist.

t-online: Frau Jensen, Sie haben gerade den Schlüssel zu Ihrem Bundestagsbüro abgegeben. Wie fühlt sich das an?

Gyde Jensen: Das ist ein komisches Gefühl. Ich bin traurig, klar, aber irgendwie geplant traurig. Spätestens am späten Wahlabend stand ja fest, dass dieser finale Schritt nun kommt, insofern konnte ich mich darauf einstellen. Zugleich spüre ich in mir auch ein Stück weit die neuen Freiräume, die sich nun auftun.

Die Bundestagswahl ist jetzt bald fünf Wochen her, genug Zeit für erste Gedanken und Analysen zum Scheitern. Also: Woran lag's?

Ich glaube, es hat am stärksten daran gelegen, dass man uns als FDP unsere Überzeugung nicht abgekauft hat – weil wir nicht gut erklärt haben, was aus unseren Überzeugungen eigentlich folgt. Etwa: Warum wir solide Staatsfinanzen und einen Reformgedanken als Grundlage für unsere Politik betrachten. Stattdessen ist bei vielen Menschen hängen geblieben, dass wir dogmatisch an der Schuldenbremse festhalten, ohne dass klar war, warum. Dogmen aber sind schlecht, vor allem im Liberalismus, weil ich mir damit verbiete, in bestimmte Richtungen zu denken. Diese Debattenkultur haben uns viele Leute aber nicht abgenommen.

Sie stellen also die Schuldenbremse infrage?

Nein, ganz und gar nicht. Sie hat zu Recht Verfassungsrang – hatte, muss man nun ja sagen. Ich will sie weder abschaffen noch so lockern, dass sie faktisch nicht mehr gilt. Aber ich hätte mir gewünscht, dass wir genauer beschreiben, was hinter der Idee solider Finanzen steckt – und vor allem: Wie wir trotzdem die marode Infrastruktur sanieren, wie wir Deutschland verteidigungsfähig machen. Wenn uns das nun wieder gelingt, können wir uns in der Wahrnehmung der Bürger von dem vermeintlichen Dogma lösen.

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Man könnte auch sagen: Sie wollen nicht mehr, dass die FDP als Dagegen-Partei wahrgenommen wird.

Ich möchte, dass man in uns das sieht, was wir eigentlich sind: eine Partei, die optimistisch in die Zukunft blickt, die in Szenarien denkt und die auch konkrete Kursdiskussionen in der Öffentlichkeit austrägt, damit die Menschen verstehen, warum wir zu welchem Schluss kommen.

Sie haben eine in der Partei viel diskutierte Analyse der Gruppe "Liberaler Fortschritt" unterschrieben, die beklagt, die FDP habe neben der Wirtschaftspolitik "profilbildende Themen bewusst ausgeklammert". An was denken Sie da konkret?

Viel zu kurz kam für mich das große Thema Aufstiegsversprechen, das jeden in der Bundesrepublik und auch darüber hinaus betrifft. Auch das Thema Generationengerechtigkeit, also etwa die Rentenpolitik, hätten wir größer machen müssen. Mit Ideen zur Digitalisierung haben wir 2017 und 2021 Wahlen gewonnen, jetzt war auch davon nicht viel zu sehen. Ich will nicht falsch verstanden werden: Angesichts der wirtschaftlichen Lage war in solch einem kurzen polarisierenden Wahlkampf für manches einfach auch kein Platz da. Der Fokus auf die Wirtschaftswende war goldrichtig. Nur heißt Wirtschaftswende eben mehr als nur Steuern und Abgaben senken, sondern auch: eine funktionierende Infrastruktur, gute Betreuungsangebote für Familien, frühkindliche Bildung.

War es denn falsch, einen schwarz-gelben Lagerwahlkampf zu führen, in dem sich die FDP stark der Union angedient und die Grünen als Koalitionspartner ausgeschlossen hat?

Ich persönlich trage gern Schwarz. Für unsere Partei aber hatte die Farbe Gelb und durchaus auch Magenta schon früher stets mehr Wiedererkennungswert.

Vorgegeben hat den Kurs im Wahlkampf vor allem Christian Lindner, der sich als Parteichef nun zurückzieht. Wie viel Schuld trägt er am Wahldebakel?

Alle in Verantwortung tragen auch Verantwortung für das, was passiert ist. Ich gehöre aber nicht zu denjenigen, die im Nachhinein Haltungsnoten verteilen, und möchte deshalb auch Christian Lindner nicht an irgendwas die Schuld geben. Wer über die Hälfte seines Lebens in der Art und Weise in der Öffentlichkeit stand, für die Freien Demokraten und den Liberalismus so lange und so hart gekämpft hat, verdient dafür Dank und Anerkennung. Zugleich denke ich, wir können aus dem Wahlkampf lernen, dass es mit einer breiteren Aufstellung künftig besser laufen könnte.


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Ich denke, dass wir in der Mitte genau richtig aufgehoben sind.


Gyde Jensen


Inhaltlich oder personell?

Inhaltlich und personell. Denn am Ende macht es sich natürlich auch an Personen fest, wie Inhalte verstanden und gelesen werden. Da hätten wir alle viel früher schalten müssen. Etwa, dass eine Marie-Agnes Strack-Zimmermann den ganzen Themenbereich Verteidigung, Sicherheit oder Resilienz hervorragend verkörpert. Es können eben nicht ein, zwei, drei Leute sämtliche Themen gut abdecken, das geht allein zeitlich nicht.

Diese "thematische Verbreiterung" finden aber nicht alle in der FDP gut. Viele sagen: Gerade jetzt, wo Schwarz-Rot eher linke Wirtschaftspolitik auf Pump macht, müssen sich die Liberalen noch stärker auf ihre marktwirtschaftliche Kernkompetenz besinnen. Bahnt sich da ein Richtungsstreit an?

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Ich hoffe nicht, dass das ein Streit wird. Was ich mir allerdings wünsche, ist, dass wir in der Öffentlichkeit wieder als eine Partei wahrgenommen werden, in der Individualisten unterschiedliche Ansichten haben, die wir diskutieren. Das hat uns immer stark und ausgemacht.

Und doch wirkt es, als gäbe es da zwei Lager: das der Progressiven, "ganzheitlichen" Liberalen, Ihr Lager. Und das der eher konservativen Ordoliberalen, bei denen nicht wenige die Marktlücke der FDP zwischen CDU und AfD sehen.

Ich denke, dass wir in der Mitte genau richtig aufgehoben sind. Darum hat mir auch die geänderte Sitzordnung im Bundestag während der vergangenen Legislaturperiode gut gefallen. Und ich glaube auch, dass das Ziel weiterhin sein muss, uns genau in dieser Mitte etabliert zu halten – zwischen der CDU einerseits und den anderen demokratischen Parteien der Mitte andererseits, also SPD und Grünen. Ich bin überzeugt, dass der neue 21. Bundestag deutlich machen wird, dass in dieser Mitte eine Lücke klafft. Weil keine Partei wie wir im Parlament sitzt, die für einen schlanken Staat plädiert, der effektiver arbeitet, der Reformen anpackt, anstatt alles nur mit Geld zu kitten.

Christian Dürr will Christian Lindner als FDP-Chef beerben und mit einem ganzen Team antreten. Wenn Sie von personeller Verbreiterung sprechen, wer sollte Teil dieses Teams sein?

Das sollten Köpfe sein, die entweder schon jetzt oder zukünftig für eine große Bandbreite an Themen wahrgenommen werden. Wir haben ja durchaus im Bundestagswahlkampf gesehen, dass es sehr schnell gehen kann, dass eine Person durch Social Media bekannt wird, etwa die Linken-Chefin Heidi Reichinnek. Mein Vorschlag ist: Lasst uns einmal überlegen, welche Zielgruppen wollen wir ansprechen – zum Beispiel Familien, Menschen zwischen Ende zwanzig und Ende vierzig. Und dann schauen wir, welche Person aus der Partei das am besten kann. Das ist viel besser als die Posten im Präsidium an Proporzfragen zu knüpfen oder an Ämter und Mandate.

Wären Sie selbst auch gern eine solche Person?

Das weiß ich gar nicht. Ich bin selbst gerade in dieser Lebensphase. Aber nur weil ich etwa die Kriterien für junge Mütter und Väter erfülle, heißt das nicht, dass ich die Einzige wäre. Wenn ich im Präsidium einen Beitrag leisten kann und der gewünscht ist, mache ich das gerne. Stand jetzt ist für mich aber nur klar, dass ich erneut für den Bundesvorstand kandidieren will. Alles Weitere muss man sehen.

Braucht die FDP eine Doppelspitze?

Kurzfristig geht das nicht, das lässt unsere Satzung nicht zu. Langfristig aber fände ich das gut, ja.

Weil sich die Partei mit einem Frauenanteil von nur 20 Prozent dann Gedanken über eine Chefin neben einem Chef machen müsste?

Das müsste sie gar nicht. Niemand sagt, dass eine Doppelspitze unbedingt eine Frau und einen Mann umfassen muss. Auch zwei Frauen wären möglich, ebenso zwei Männer. Der Charme einer solchen Lösung jedoch liegt, wie ich finde, ebenfalls darin, dass man mit zwei Spitzenleuten verschiedene Angebote machen kann, sowohl thematisch als auch in der inhaltlichen Perspektive.

Frau Jensen, vielen Dank für dieses Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräch mit Gyde Jensen am 25. März 2025
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