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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Habeck über Ampelprojekt "Welche Farbe die Vase hat, ist mir egal"
Was bleibt von der Kindergrundsicherung? Robert Habeck freut sich über mehr Geld für Kinder – und hält das für wichtiger als die Strukturreform.
Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) hält es nicht für entscheidend, ob sich die Ampelfraktionen bei der Kindergrundsicherung noch auf eine tiefgreifende Strukturreform einigen können. "Wichtig ist doch, dass die Versorgung sichergestellt ist", sagte Habeck auf die Frage, ob die Kindergrundsicherung nun nicht mehr komme. "Welche Farbe die Vase hat, ist mir an dieser Stelle egal." Das Wichtige sei, "dass Wasser in der Vase ist".
Was Habeck damit meint: Im Haushalt von Familienministerin Lisa Paus (Grüne) soll es für armutsgefährdete Kinder und Familien nächstes Jahr rund 1 Milliarde Euro mehr geben, wie Habeck am Montag am Rande seiner Sommerreise betonte. Darauf hatte er sich mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) bei der Einigung im Haushaltsstreit verständigt.
Das seien "richtig gute Beschlüsse, um Kinderarmut in Deutschland zu bekämpfen", sagte Habeck. So sollen der Sofortzuschlag für Kinder im Bürgergeld, das Kindergeld und der Kinderfreibetrag um fünf Euro im Monat steigen. Zudem sollen im nächsten und übernächsten Jahr jeweils zwei Milliarden Euro in die Kita-Qualität investiert werden.
Habeck: Ein wichtiges Ziel schon erreicht
Habeck betonte, dass der Kinderzuschlag für arme Familien im Zuge der Debatte bereits "enorm" viel häufiger in Anspruch genommen werde, obwohl die Kindergrundsicherung in ihrer "formalen Konstruktion" noch nicht da sei. Damit sei "ein wichtiges Ziel" der Reform schon jetzt erreicht, wenn auch noch nicht vollständig.
Die Verhandlungen über die "formale Struktur der Kindergrundsicherung" liege nun bei den Ampelfraktionen im Bundestag, sagte Habeck. "Das soll da auch weiter diskutiert werden. Aber für das Jahr 2025 haben wir richtig gute Beschlüsse gefasst, um Kinderarmut in Deutschland zu bekämpfen." Darauf sei er besonders stolz.
Ob es mit der Kindergrundsicherung noch zu einer Strukturreform kommt, ist in den Ampelfraktionen noch immer umstritten. Seit September wird über das Projekt im Bundestag verhandelt.
In der vergangenen Woche hatten sich SPD, Grüne und FDP nach t-online-Informationen im Grundsatz darauf verständigt, ein Kinderchancenportal mit einer Bezahlkarte sowie einen Kindergrundsicherungscheck einzuführen. Inwiefern auch Strukturfragen im Gesetzentwurf zumindest für die Zukunft festgeschrieben werden, bleibt jedoch weiter umstritten.
Paus zeigt sich weiter optimistisch
Familienministerin Paus zeigte sich am Wochenende trotzdem optimistisch, noch deutlich mehr durchsetzen zu können. "Die jetzige Haushaltseinigung gibt Rückenwind für die Verhandlungen im Bundestag", sagte sie der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Die Grünen-Fraktion habe mit Paus' Unterstützung "Vorschläge unter anderem für eine Einführung der Kindergrundsicherung in zwei Stufen unterbreitet, um die Impulse der politischen Diskussion zur Kindergrundsicherung aufzugreifen und die Verhandlungen zu beschleunigen".
Mit der Haushaltseinigung sei "eine weitere finanzielle Grundlage im Vorgriff auf die Einführung der Kindergrundsicherung gelegt", sagte Paus und mahnte: "Wir stehen als Koalition gemeinsam in der Verantwortung, dieses zentrale Versprechen des Koalitionsvertrags gegenüber den Familien in Deutschland einzulösen."
Die zuständige FDP-Fraktionsvize Gyde Jensen kritisierte die Äußerungen der Familienministerin deutlich. "Es ist mehr als bizarr, dass Lisa Paus die Kindergrundsicherung jetzt als gemeinsame Verantwortung bezeichnet", sagte Jensen t-online. "Gut, dass hier der Vizekanzler die Realität erklärt."
Seit Monaten ringe die Koalition auf allen Ebenen um effektive Maßnahmen. "Die Ministerin war bisher nicht in der Lage, auch nur ansatzweise diesen Prozess konstruktiv zu begleiten und zu seinem Erfolg beizutragen", sagte Jensen. "Wir haben einen Gesetzentwurf bekommen, der so nicht ansatzweise umsetzbar war – also mussten wir von vorne anfangen."
Im Familienministerium verwehrt man sich gegen die Vorwürfe. Der vom Bundeskabinett verabschiedete Gesetzentwurf sei solide, heißt es aus Ministeriumskreisen. "Daran haben eine große Anzahl von Beamtinnen und Beamten aus verschiedenen Ministerien über viele Monate hinweg gearbeitet." Man könne selbstverständlich "inhaltlich und politisch unterschiedlicher Ansicht" sein. "Den Gesetzentwurf jedoch als handwerklich schlecht zu bezeichnen, wird der Arbeit der Mitarbeitenden nicht gerecht und ist deutlich zurückzuweisen."
- Begleitung der Sommerreise von Vizekanzler Robert Habeck
- Eigene Recherchen