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Robert Habeck zieht sich bei den Grünen zurück: Seine Hundejahre


Rückzug nach Niederlage
Habecks Nachfolgerin steht schon bereit


24.02.2025 - 16:48 UhrLesedauer: 6 Min.
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Nach der enttäuschenden Bundestagswahl für die Grünen zieht Robert Habeck persönliche Konsequenzen. (Quelle: t-online)
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Robert Habeck zieht sich zurück. Seine Ziele hat er als Kanzlerkandidat nicht erreicht. Einige Grüne wollen nun alles infrage stellen.

Robert Habeck grüßt das Ende mit Humor. Als er am Montag vor Journalisten in der Bundespressekonferenz sitzt und seine Niederlage bei der Wahl erklären soll, sagt er: "Sie wissen, dass ein Hundejahr sieben Menschenjahre hat. Und ich glaube, wir leben in Zeiten politischer Hundejahre."

Habeck meint damit die vielen Krisen, die er mit der Ampel bewältigen musste und die noch bevorstehen. Er meint auch den fiebrigen Wahlkampf, aus dem er kommt. Aber es passt auch auf ihn selbst und auf das, was er wenig später sagen wird: Habeck, gerade noch Kanzlerkandidat, zieht sich zurück. Er will keine "führende Rolle" mehr bei den Grünen einnehmen, sich möglicherweise ganz aus der Politik verabschieden. Er ist raus.

Der Mann, der erst 2002 mit Anfang dreißig zu den Grünen kam und schnell aufstieg, vom Kreisvorsitzenden nach zwei Jahren zum Landesvorsitzenden in Schleswig-Holstein und wenig später zum Landesminister, 2018 zum Bundeschef und dann zum Vizekanzler in der Ampel – dieser Robert Habeck verabschiedet sich nun noch schneller, als er gekommen ist. Eine politische Karriere in Hundejahren.

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Die Grünen gehen in die Opposition, auch das ist jetzt schneller klar, als Habeck gehofft hatte. Die 11,6 Prozent reichen nicht für eine Mehrheit mit der Union. Die bildet jetzt wohl die SPD. "Es ist kein gutes Ergebnis", sagt Habeck. "Ich wollte mehr, wir wollten mehr." Doch woran lag es? Was lernen die Grünen daraus? Und wer folgt auf Habeck?

Eine etwas simple Erklärung

Wer Robert Habeck an diesem Montag nach den Gründen fürs Scheitern fragt, der bekommt eine überraschend simple Geschichte zu hören. Schon am Wahlabend sagte er, dass die Grünen bis vor wenigen Wochen "auf einem guten Weg" gewesen seien bei über 14 Prozent. Doch nach der Abstimmung der Union mit der AfD hätten viele Menschen gesagt: "So nicht. Nicht mit Merz und nicht regieren mit der Union."

Die Stimmung bei vielen sei gewesen: Harte Opposition gegen Friedrich Merz, so wie es die Linkspartei versprochen hat. Die hat anschließend einen überraschenden Höhenflug erlebt. Aber: "Dieses Angebot konnte ich nicht machen", sagt Habeck dazu am Montag erneut. "Da steht meine politische Existenz im Weg." Habeck will regieren und auf diese Weise etwas verändern. Verantwortung übernehmen, wie er es nennt.

Doch wer sich in der Partei umhört, der stößt schnell auf Grüne aus allen Lagern, die diese Erklärung für zu simpel halten. Denn zwischen dem grünen Umgang mit dem Tabubruch und linker Fundamentalopposition hätte es natürlich andere Wege gegeben. Vor allem linke Grüne fanden es nicht klug, dass Habeck die Hunderttausenden Deutschen, die gegen Merz auf die Straße gegangen sind, mit einem 10-Punkte-Plan inklusive Vollstreckungsoffensiven und Abschiebeforderungen verschreckt hat.

Viele Grüne treiben besonders die miserablen Werte ihrer Partei bei jungen Wählern um. Schon am Wahlabend beklagte Grüne-Jugend-Chef Jakob Blasel, die Grünen hätten dort "massiv an Vertrauen verloren" und machte dafür einen "Schlingerkurs" bei der Verteidigung von Menschenrechten, selbstbewusstem Klimaschutz und bezahlbarem Leben verantwortlich.

13 Prozentpunkte haben die Grünen bei den Unter-24-Jährigen verloren. Sie liegen damit diesmal nicht nur hinter Linkspartei und AfD, sondern sogar hinter Union und SPD. Das könne nicht nur mit Merz und der Linken zu tun haben, sagen nun einige. Sondern zum Beispiel auch damit, dass man "vor lauter staatspolitischer Verantwortung" nicht mehr kommuniziert bekommen habe, "wofür wir eigentlich stehen".

Andere Grüne weisen auf den schwierigen Spagat hin, den die Partei zwischen Wählern auf dem Land und in den Großstädten machen müsse. Nicht nur im linken Lager, sondern auch bei Habecks Realos sind viele nun bereit, "alles infrage zu stellen", wie jemand sagt. Doch was das genau heißt? Da scheinen alle gemeinsam noch ziemlich ratlos zu sein.

Was die Analyse für die Grünen tatsächlich schwer macht: Sie haben nicht nur massiv Wähler an die Linkspartei verloren – sondern auch an die Union. Das dürfte Habeck noch deutlich mehr schmerzen, denn es stellt sein politisches Vermächtnis infrage: Können die Grünen in diesen Zeiten noch in die politische Mitte ausgreifen?

Das war nicht nur Habecks Überzeugung, es war auch sein Kurs, den er seiner Partei seit 2018 gemeinsam mit Annalena Baerbock an der Spitze verordnet hat. Auch in diesem Wahlkampf war es die "Merkel-Lücke", in die er vorstoßen wollte. Habecks These lautete: Die Wähler, die früher die liberale CDU-Kanzlerin Angela Merkel gewählt haben, werden von der nach rechts verschobenen Merz-CDU nicht mehr angesprochen. Warum also sollte man die nicht von den Grünen überzeugen können?

An dieser These hatten einige Grüne von Anfang an Zweifel. Denn wer sagt eigentlich, so die Kritik, dass es diese Wähler überhaupt noch gibt? Dass sie nicht mit Merz ihre Meinung verändert haben? Oder im Zweifel: längst gestorben sind?

Es gibt aber wohl noch einen anderen Grund, warum das mit der "Merkel-Lücke" nicht funktioniert hat. Und ironischerweise hat Habeck ihn selbst gut beschrieben, als er Angela Merkel im Sommer mit einem Gastbeitrag im Musikmagazin "Rolling Stone" zu ihrem 70. Geburtstag gratuliert hat.

In diesem bemerkenswerten Text lobt Habeck nicht nur Merkels "feinen Spott" und "schneidenden Witz". Er beschreibt auch, wie Merkel "Normalität in Perfektion" vermittelt habe. Dass ihre Ära dem Land "Stabilität" vermittelt und "den Deutschen das Gefühl gegeben" habe, "dass wir Weltmeister bleiben können, indem wir alles lassen, wie es ist".

Schon in diesem Text grenzt sich Habeck von dieser Politik ab. Man dürfe nicht mehr darauf hoffen, dass "sich alles schon von allein wieder einrenkt", schreibt er. Sondern müsse "sich die Wahrheit zumuten und gleichzeitig Lösungen anbieten".

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Und damit deutet sich schon an, warum die Merkel-Wähler für Habeck und die Grünen wohl nicht so einfach zu erreichen waren: Merkel stand für das gemütliche Schlummergefühl, sich nicht näher mit Politik beschäftigen zu müssen. Habeck für den ungemütlichen Weckruf. Merkel war "Die macht das schon", Habeck eher "Was macht der da?"

Der Kampf um die Posten hat begonnen

Setzen die Grünen Habecks Weg in die politische Mitte fort? Konzentrieren sie sich zumindest für die nächsten Jahre auf ihr linkes Kernklientel? Oder gibt es doch einen Zwischenweg, der funktioniert? Darüber wird nicht nur die Analyse der Wahlniederlage entscheiden – sondern auch das Personal.

Der Kampf um die Posten hat bei den Grünen begonnen. Und er könnte hart werden, schon weil es in der Opposition weniger gibt: keine Ämter mehr in Ministerien, sondern nur noch im Parteivorstand und in der Bundestagsfraktion. Mit Habecks Rückzug fällt nun zwar ein Konkurrent um die wichtigen Positionen weg, doch das hilft nur bedingt.

Die Parteichefs Franziska Brantner und Felix Banaszak haben schon angekündigt, weitermachen zu wollen. Trotz Wahlniederlage. "Wir sind im November 2024 gewählt worden", sagte Banaszak am Morgen vor der Grünen-Parteizentrale. "Und haben vor, das Amt jetzt auch in dieser Situation weiter auszuüben."

Damit aber bleiben nur noch wenige herausgehobene Posten übrig. Vor allem die der zwei Grünen-Fraktionschefs im Bundestag. Als wahrscheinlichstes Szenario gilt in der Partei, dass Annalena Baerbock für den Realo-Flügel einen der Chefposten übernimmt. Katharina Dröge will gerne weitermachen als Fraktionschefin. In ihrem linken Parteiflügel halten das viele für eine gute Idee.

Für Britta Haßelmann, die bisherige Fraktionschefin vom Realo-Flügel, bliebe damit kein Platz mehr. Mancher mutmaßt, sie könne Bundestagsvizepräsidentin werden. Doch das ist für die Grünen gerade Katrin Göring-Eckardt. Und einige erwarten, dass sie es gerne bleiben würde.

Noch unklarer wird es, wenn die Grünen in die ferne Zukunft blicken. Mancher glaubt, dass Annalena Baerbock 2029 gerne noch mal als Kanzlerkandidatin antreten würde. Nach dem verkorksten Wahlkampf 2021 gebe es aber in beiden Parteiflügeln noch Vorbehalte und Fragen, heißt es. Zum Beispiel die Frage, ob man 2029 überhaupt einen Kanzlerwahlkampf führen kann und sollte.

Erst einmal haben die Grünen aber genug andere Probleme. Und bis 2029 kann sich noch viel ändern. Oder wie Robert Habeck sagen würde: Es sind politische Hundejahre.

Verwendete Quellen
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