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Rechtsextremismus in Mecklenburg-Vorpommern: LOBBI warnt vor Eskalation


Rechtsextreme Vorfälle
"Da kann ein Dorffest zum Pulverfass werden"

  • Carsten Janz
InterviewVon Carsten Janz

19.06.2024Lesedauer: 3 Min.
Interview
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Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.

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Rechtsextreme Vorfälle in Mecklenburg-Vorpommern: Experte in SorgeVergrößern des Bildes
Rechtsextreme Vorfälle in Mecklenburg-Vorpommern: Experte in Sorge (Quelle: privat)

Am Wochenende gab es mehrere rechtsextreme Vorfälle in Mecklenburg-Vorpommern. Jetzt schlägt die Opferberatung LOBBI Alarm.

Hitlergrüße in Neubrandenburg und Schwerin, rechtsextreme Gewalt in Penkun in der Nähe von Greifswald, rassistische Parolen und Attacken auf Polizeibeamte in Rostock-Warnemünde und fremdenfeindliche Angriffe auf eine ghanaische Familie, die eine Gruppe Jugendlicher zur Rede stellen wollte. Mecklenburg-Vorpommern hat kein Wochenende hinter sich, das man ein "Sommermärchen" nennen könnte.

Die Organisation LOBBI hilft Betroffenen von rassistischen und anderen rechts motivierten Angriffen und sieht eine dramatische Entwicklung in Mecklenburg-Vorpommern. t-online hat mit dem Sprecher, Robert Schiedewitz gesprochen. Sein Fazit gibt allen Grund zur Sorge.

t-online: Der Fall von angeblicher Gewalt gegen ein Mädchen in Grevesmühlen stellt sich jetzt anders dar, als es zunächst geschildert wurde. Das Mädchen ist vermutlich nicht verletzt. Also alles halb so wild?

Robert Schiedewitz: Das muss man natürlich abwarten. Das ist jetzt Aufgabe der Polizei, den Fall zu klären und nicht die der Medien, vorschnell zu spekulieren. Grundsätzlich herrscht aber nach dem aktuellen Kenntnisstand Einigkeit, dass es einen rassistischen Angriff gab und auch andere Familienmitglieder betroffen waren. Das ist also in der Gesamtheit zu verurteilen, und da kommt es dann nicht nur darauf an, wie schwerwiegend das Kind verletzt war. Bei dem Mädchen gab es vermutlich auch seelische Verletzungen.

Welche Verbindung sehen Sie bei dieser Häufung von rechtsextremen Vorfällen mit den Kommunal-Wahlen und dem Erstarken der AfD in Mecklenburg-Vorpommern?

Es gibt hier gerade einen gefährlichen Cocktail in Mecklenburg-Vorpommern: Rechte, rassistische Parteien wie die AfD oder die Partei "Die Heimat" sind stark verankert oder haben durch das Wahlergebnis akut Aufwind. Vielerorts gibt es seit vielen Jahren immer wieder rassistische Mobilisierung. Es gibt wissenschaftliche Studien, die belegen, dass so eine Stimmung in Gewalt münden kann. Täter sehen sich als verlängerten Arm eines Volkswillens, den sie sich im Zweifel auch selbst konstruieren oder von Stichwortgebern wie der AfD oder der "Heimat" konstruiert bekommen. Diese Erfahrung, die wir hier vor Ort machen, erfordert eine deutliche Antwort. Demokraten müssen jetzt zusammenstehen.

Logo der Organisation LOBBI
Opferberatung LOBBI (Quelle: privat)

LOBBI

LOBBI berät seit 2001 Menschen nach rechten, rassistischen, antisemitischen, queerfeindlichen und anderen politisch rechts motivierten Angriffen. Mit drei Regionalteams ist der Verein flächendeckend in Mecklenburg-Vorpommern tätig und unterstützt Betroffene, Angehörige und Zeugen etwa bei psychosozialen und Sicherheitsfragen, begleitet sie im Strafverfahren oder berät hinsichtlich Entschädigungsmöglichkeiten.

Zu wie vielen rassistischen Vorfällen ist es denn in den vergangenen Wochen oder Monaten in der Region gekommen?

Wir werden in Kürze eine Halbjahresstatistik erstellen, um dann auch quantifizieren zu können, wie sich die Situation entwickelt hat. Aber dieses Wochenende mit den vielen Vorfällen, auch rund um die Fußball-Europameisterschaft, zeigt, dass die Situation sehr dynamisch ist. Da kann ein Dorffest oder eine Public-Screening-Veranstaltung zum Pulverfass werden.

Wie erklären Sie sich die hohen Zustimmungswerte für die AfD?

Das müsste eigentlich die Politikwissenschaft beantworten, ich berichte lediglich aus der Praxis. Dass es sich um eine Protestwahl handelt, ist eine Erzählung, die es hier auch schon für die NPD oder die Republikaner gab. Der Name der Partei ist austauschbar. Bei teilweise bis zu 40 Prozent für die AfD greift diese Erzählung aber meiner Meinung nach nicht mehr. Wie lange will man das noch als Protest abtun? Das Klima hier hat sich verändert.

Was bedeutet das denn für die Arbeit in Stadträten und Kreistagen?

In einigen Regionen wie Ueckermünde oder Wolgast gab es schon vor der Wahl Annäherungsversuche der demokratischen Parteien an die AfD. Einfach weil sie zeigen wollten: Wir nehmen die Sorgen der Bürger ernst, auch die, die sonst nur von der AfD aufgegriffen werden. Das hat aber nicht dazu geführt, dass die AfD weniger Zustimmung bekam, ganz im Gegenteil. Und jetzt sind manchmal ein Drittel der Gemeindevertretungen und Kreistage mit AfDlern gefüllt. Das wird Folgen haben für die politische Lage hier.

Welche genau?

Die Auseinandersetzung wird sich verschärfen. Menschen, die etwa auf die Straße gehen gegen Abschiebefantasien, wie sie nach dem Treffen in Potsdam im Gasthaus Adlon bekannt wurden, sind gefährdet. Weil die Stimmung vergiftet ist. Auch Projekte, die die Demokratie fördern, müssen sich Sorgen machen. Hier werden vermutlich Mittel gekürzt, durch die Verantwortlichen der AfD. Die Jobs, die so wegfallen, sind das eine. Das größere Problem wird sein, dass Betroffene von rechter Gewalt oder Diskriminierung alleine gelassen werden.

Herr Schiedewitz, vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Robert Schiedewitz
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