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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Integrationsexperte über Messer-Attacke "Islamkritiker diffamiert, bis sie entmenschlicht sind"
Bei einem Messer-Angriff in Mannheim wird der Pegida-Aktivist Michael Stürzenberger verletzt. Ein Experte findet deutliche Worte – und warnt.
Der Psychologe und Integrationsexperte Ahmad Mansour geht bei der Gewalttat in Mannheim von einem "islamistisch motivierten Angriff" aus, wie er t-online am Freitagnachmittag sagt. Auf dem Mannheimer Marktplatz war der als Pegida-Aktivist bekannte Michael Stürzenberger am Freitag an einem Infostand mit einem Messer attackiert worden. Nach Angaben aus Stürzenbergers Umfeld wurde der 59-Jährige dabei am Bein und im Gesicht verletzt.
Auch der Täter selbst wurde durch den Schuss eines Polizisten verletzt. Die Polizei hat sich zum Motiv noch nicht geäußert. Es steht also noch nicht fest, ob die Tat einen islamistischen Hintergrund hat.
- Mutmaßliches Anschlagsopfer aus Mannheim: Das ist über Michael Stürzenberger bekannt
Ob der Angreifer Einzeltäter ist oder der Mann möglicherweise im Auftrag einer islamistischen Gruppe gehandelt hat, sei noch unklar. "Wenn wir diese Sache analytisch betrachten, sehen wir aber, dass es eine komplette Industrie von Islamisten gibt, die jede Kritik als direkten Angriff auf ihre Religion verstehen", sagt Mansour. Es gebe viele Menschen, für die der Islam als Religion identitätsstiftend sei. "Ein Angriff auf die Religion ist dann auch einer auf ihre eigene Identität. Unter diesem Einfluss handeln Einzeltäter öfter." Die rechtsextreme Organisation Pegida wehrt sich gegen eine, in ihren Augen, "Islamisierung des Abendlandes".
"Diffamieren, bis sie entmenschlicht sind"
Mansour spricht über eine gesellschaftliche Atmosphäre, "von der ich und viele andere betroffen sind. Man kann Islamkritiker so lange diffamieren, bis sie entmenschlicht sind."
Ahmad Mansour
Der Psychologe, geboren 1976, ist arabisch-palästinensischer Israeli und Deutscher. Seit 2004 lebt er in Berlin. Er arbeitet für Projekte gegen Extremismus und Antisemitismus. Anfang 2018 gründete er die Mansour-Initiative für Demokratieförderung und Extremismusprävention, die Projekte gegen muslimischen Extremismus und Antisemitismus für junge Menschen anbietet. Für seine Arbeit erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem den Moses-Mendelssohn-Preis zur Förderung der Toleranz, den Carl-von-Ossietzky-Preis und das Bundesverdienstkreuz.
Der Angriff von Mannheim sei in einer Reihe mit anderen Anschlägen zu sehen. Als Beispiel nennt Mansour das Attentat auf das französische Satire-Medium Charlie Hebdo im Jahr 2015, "auch wenn es natürlich Unterschiede gibt". Bei dem Angriff in Paris waren zwölf Menschen gestorben.
"Das hat nichts mit zulässiger Kritik zu tun"
Unter Islamisten gibt es laut Mansour eine hohe Motivation, gegen Kritiker vorzugehen. "Es gibt viele Aufrufe zur Gewalt. Die gab es auch schon vor, aber eben verstärkt nach dem 7. Oktober, dem Tag des Angriffes der Hamas auf Israel. Die Frage ist, ob die Sicherheitsapparate Gewalt verhindern können."
"Es ist mir allerdings wichtig zu betonen, dass ich nicht die kritisiere, die für die Menschen in Gaza demonstrieren oder Israel kritisieren", so Mansour zu t-online. "Das ist legitim in einer Demokratie. Wenn aber Terrorsymbole mitlaufen, Aufrufe zur Gewalt getätigt oder antisemitische Parolen geäußert werden, hat das mit zulässiger Kritik nichts zu tun." Seit Beginn des Krieges zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas kommt es in deutschen Städten immer wieder zu Demonstrationen. Die Menschen fordern ein Ende des Krieges und Schutz für die palästinensische Zivilbevölkerung. Es mischen sich aber auch immer wieder Menschen unter die Demonstranten, die beispielsweise gewaltsam gegen die Polizei vorgehen.
Auch der Angriff auf Stürzenberger ist für Mansour kein Zufall. "Er hat immer wieder öffentlich den Konflikt gesucht. Daher war er ein leichtes Ziel." Er teile Stürzenbergers Kritik nicht. Der 59-Jährige hatte unter anderem den Koran mit Hitlers "Mein Kampf" verglichen. "Ich finde das undifferenziert und nicht zielführend. In einer Demokratie sind aber auch solche Leute Teil des Meinungsspektrums."
- Interview mit Ahmad Mansour