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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Vor Ampel-Verhandlungen Kommt es zur Renten-Rebellion?
In der Rentenpolitik droht der Ampel neuer Ärger. Der FDP-Parteitag könnte am Wochenende unter anderem beschließen, die "Rente mit 63" abzuschaffen.
Vor dem Parteitag der Liberalen am Wochenende in Berlin bahnt sich eine Renten-Rebellion gegen die Ampelpartner SPD und Grüne an. Auslöser ist ein Änderungsantrag zum Leitantrag, den der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Johannes Vogel, gemeinsam mit den Jungen Liberalen unter deren Chefin Franziska Brandmann einbringen will. Der Änderungsantrag liegt t-online exklusiv vor.
Darin heißt es: "Das Rentenpaket II erfüllt derzeit die Anforderung des Koalitionsvertrages einer 'generationengerechten Absicherung' der Haltelinie noch nicht. Um es beschließen zu können, braucht es Korrekturen." Konkret plädieren Vogel, Brandmann und die Julis für eine "Aktienrente nach schwedischem Vorbild", die Abschaffung der "Rente mit 63" sowie die Einführung eines flexiblen Renteneintrittalters.
Mit der Aktienrente gemeint ist, dass Teile der Rentenbeiträge am Aktienmarkt investiert werden sollen, und zwar "mit individuellen Konten und Ansprüchen" für die jeweiligen Einzahler. Das Rentenpaket II, das die Ampelregierung auf Vorschlag von Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vor wenigen Tagen im Kabinett beschlossen hat, sieht ein solches Modell derzeit nicht vor.
Bislang nur Milliarden-Zuschuss vom Bund
Zwar ergänzt die Reform das bisherige Umlagesystem der Rentenversicherung um das Generationenkapital, das an der Börse investiert werden und dort langfristig Renditen erwirtschaften soll. Allerdings handelt es sich dabei nicht um das Geld der Beitragszahler, sondern um Milliarden-Zuschüsse vom Bund, deren Erträge frühestens in zehn Jahren an die Rentenkasse zurückfließen und so die Beiträge senken sollen – ein Umstand, der vor allem den Sozialdemokraten sehr wichtig war.
Vogel, Brandmann und die Julis begründen ihren Aktienrenten-Vorstoß damit, dass sich die Rentenfinanzen dauerhaft leichter finanzieren ließen. Zudem lasse sich so der "individuelle Eigentumsschutz" der Beitragszahler garantieren und das Rentenniveau langfristig sogar erhöhen. Ziel dessen und weiterer Maßnahmen laut dem Änderungsantrag: "Vermeiden, dass die arbeitende Mitte bald mit einem übermäßigen Anstieg der Rentenversicherungsbeiträge überfordert wird und es so immer weniger Netto vom Brutto und unverhältnismäßige Lohnnebenkosten für die Unternehmen gibt." Eine Möglichkeit dafür sei etwa, den sogenannten Standardrentner bei der Berechnung des Rentenniveaus an das aktuelle gesetzliche Renteneintrittsalter anzupassen, um so längere Erwerbstätigkeiten in der Rentenformel besser zu berücksichtigen.
Zusätzlich sprechen sich die Antragssteller für zwei weitere Schritte aus, die vor allem die Koalitionspartner SPD und Heil nicht gefallen dürften: Das Aus für die "Rente mit 63" – "weil die abschlagsfreie Rente für besonders langjährig Versicherte dem Arbeitsmarkt wertvolle Fachkräfte entzieht".
Stattdessen sinnvoller sei ein "wirklich flexibler Renteneintritt", ebenfalls nach schwedischem Vorbild. Dort können Arbeitnehmer selbst entscheiden, wann sie eine Rente beantragen. Als unterste Grenze gilt dabei ein Alter von 63 Jahren, früher geht das nur gegen teils sehr hohe Abschläge. Zugleich haben die Schweden das Recht, bis 68 zu arbeiten. Wer sich mit seinem Arbeitgeber einigt, darf auch länger – und bekommt später mehr Rente.
"Rentenpaket ist mit der FDP so nicht zu machen"
Dass der Änderungsantrag auf dem FDP-Parteitag eine breite Zustimmung erhält, ist wahrscheinlich. Auch wenn sich Lindner in seiner Funktion als Finanzminister mit seinem Kabinettskollegen Heil auf einen Kompromiss beim Rentenpaket geeinigt hat, wie er im Koalitionsvertrag festgehalten ist, geht dieser vielen Liberalen nicht weit genug. Mit dem Parteitagsbeschluss im Rücken hätte die FDP in den ampelinternen Verhandlungen über die Rentenpolitik ein deutlich größeres Druckmittel in der Hand.
Entsprechend kämpferisch klingt auch Juli-Chefin Brandmann. "Hubertus Heil und die SPD ignorieren den demografischen Wandel und setzen allein auf das Prinzip Hoffnung – sie hoffen, dass der demografische Wandel nicht so schlimm wird. Das ist fahrlässig", sagte sie t-online. Die Quittung sollen, gehe es nach der SPD, so Brandmann, dann alle zukünftigen Arbeitnehmer und Arbeitgeber mit höheren Beiträgen zahlen. Die FDP müsse sich deshalb jetzt gegen die SPD durchsetzen. "Von diesem Bundesparteitag muss deshalb das Signal ausgehen: So nicht, Herr Heil! Dieses Rentenpaket ist mit der FDP so nicht zu machen."
Vogel, der in der Ampelkoalition nun selbst in die Verhandlungen einsteigen wird, hofft ebenfalls auf "Rückenwind durch den Parteitag". "Die Demografieabhängigkeit bei der Rente darf uns nicht einst einholen, wie uns einst die Abhängigkeit vom russischen Gas eingeholt hat", sagte er t-online. "Die Rente ist ein Generationenprojekt. Deshalb müssen wir sie auch generationengerecht absichern." Das fordere auch der Koalitionsvertrag, dem aber werde der Vorschlag von Heil "noch nicht gerecht".
- Änderungsantrag zum Leitantrag für den FDP-Bundesparteitag im Mai 2024