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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Neuer Ampel-Zoff SPD-Forderung ruft bei der FDP Unverständnis hervor
Die Diskussion um neue Schulden ruft Verstimmungen in der Ampel hervor. Die SPD will welche aufnehmen – FDP-Fraktionsvize Meyer erteilt dem eine knallharte Absage.
Zuletzt wirkte es, als kehre in der Ampelkoalition etwas Ruhe ein. Mit Einigungen bei umstrittenen Gesetzen wie jenem zur Bezahlkarte für Flüchtlinge oder zum Klimaschutz zeigten SPD, Grüne und FDP: Es geht auch geräuscharm, wir können auch mit- und nicht nur gegeneinander. Jetzt allerdings droht neuer Ärger.
Auslöser, mal wieder: die Diskussion um die Schuldenbremse und die Aufnahme neuer Staatskredite. In einem Papier haben mehrere prominente SPD-Abgeordnete ein neues Sondervermögen für die Stärkung der inneren und äußeren Sicherheit gefordert. Es ist ein Vorstoß, hinter dem mehr als ein Drittel der SPD-Fraktion stehen dürfte – und der scharfe Kritik aus der FDP provoziert.
Besonders verärgert ist FDP-Fraktionsvize Christoph Meyer, zuständig für Haushaltspolitik. "Stetiges Wiederholen macht die Debattenbeiträge der SPD nicht gehaltvoller und ändert nichts an der Regierungspolitik der Koalition", sagte er am Donnerstag t-online. Weder im Bundesrat noch im Bundestag gebe es eine Mehrheit für eine Änderung der Schuldenbremse. "SPD und immer mehr CDU-Meinungsführer führen eine Scheindebatte, die nur vom mangelnden Sparwillen ablenken soll."
"Wir erwarten, dass die Minister ihren Beschluss einhalten"
Meyer spielt damit darauf an, dass sich zuletzt immer öfter führende CDU-Politiker aus den Ländern in Sachen Schuldenbremse von ihrem Parteichef Friedrich Merz distanziert hatten. Der sagt: Mit der Union werde es keine Änderung an der Schuldenbremse geben. Jüngst hatte Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) gar angekündigt, über den Bundesrat eine Lockerung der Schuldenregeln anzustoßen. Darüber hatte sich auch schon FDP-Fraktionschef Christian Dürr echauffiert. (Mehr dazu lesen Sie hier.)
Die SPD wiederum ist seit jeher offen für mehr Staatsverschuldung. Ihre Parteichefin Saskia Esken hat die Schuldenbremse regelmäßig als "Zukunftsbremse" bezeichnet, weil sie Investitionen verhindere.
Der Liberale Meyer wirft SPD und CDU vor, Zeit und Geld während der Großen Koalition verspielt zu haben. "Die beiden Parteien, die im letzten Jahrzehnt den Aufschwung und die damit verbundene gute Einnahmesituation nicht dafür genutzt haben, Deutschland zukunftsfest zu machen, scheinen nichts gelernt zu haben", sagte er. "Alle Minister der Bundesregierung haben im Juli 2023 gemeinsam beschlossen, die Schuldenbremse für 2025 einzuhalten. Wir erwarten, dass die Minister ihren eigenen Beschluss einhalten und ihre Etats entsprechend der gültigen Finanzplanung aufstellen."
SPD-Abgeordnete wollen neues Sondervermögen
Das SPD-Papier, um das es geht, sieht unter anderem vor, ein neues Sondervermögen – ähnlich dem bereits existierenden – für die Bundeswehr im Grundgesetz zu verankern. Die so aufgenommenen neuen Schulden sollten Investitionen in die äußere und die innere Sicherheit finanzieren. Zudem sollte die Schuldenbremse insgesamt reformiert werden, damit Investitionen etwa in die Infrastruktur und ins Bildungssystem leichter möglich werden.
Autoren des Papiers sind die Chefs der beiden größten SPD-Landesgruppen Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, Johann Saathoff sowie Dirk Wiese und Wiebke Esdar. Neben der Deutschen Presse-Agentur berichtete auch der "Spiegel" über den Vorschlag.
Den beiden Landesgruppen gehören 77 der insgesamt 207 SPD-Abgeordneten im Bundestag an, also mehr als ein Drittel der Fraktion. Gemeinsam tagen sie noch bis Freitag auf der Nordseeinsel Norderney. Zu dem Treffen werden auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) als Gäste erwartet.
Auftakt der Haushaltsberatungen
Die neuerliche Diskussion über die Schuldenbremse lässt sich einerseits als Vorspiel der anstehenden Wahlkämpfe für die Europawahl und die Landtagswahlen im Osten betrachten. Andererseits dürfte die SPD mit dem Papier versuchen, die kurz bevorstehenden Verhandlungen um den Bundeshaushalt 2025 zu bestimmen.
Diese werden spätestens ab dem 2. Mai beginnen. Bis zu diesem Tag nämlich müssen die Ministerien Sparvorschläge bei Finanzminister Christian Lindner (FDP) einreichen. Im Raum steht eine Summe von bis zu 25 Milliarden Euro, die der Bund voraussichtlich einsparen muss. Während SPD und Grüne dabei immer wieder auf neue Schulden schielen, schließen die Liberalen das kategorisch aus und dringen auf Sparpotenziale im größten Einzeletat des Bundes, jenem für Soziales.
FDP-Politiker Meyer hat deshalb auch einen entsprechenden Gegenvorschlag für die Sozialdemokraten: "Anstatt sich mit der Illusion einer Schuldenbremsenänderung zu beschäftigen, wäre die Aufmerksamkeit gerade der SPD vielleicht bei der Effizienzsteigerung im Sozialstaat besser aufgehoben."
- Gespräch mit FDP-Fraktionsvize Christoph Meyer