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Schwesigs Gazprom-Stiftung und der Geheimdienst-Clan – Millionen flossen


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Millionen nach Russland überwiesen
Schwesigs Gazprom-Stiftung und der Geheimdienst-Clan


Aktualisiert am 11.05.2024Lesedauer: 6 Min.
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Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD): Sie half mit einer Stiftungsgründung, Nord Stream 2 zu bauen. (Quelle: BildFunkMV/imago-images-bilder)
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Die Klimastiftung des Landes Mecklenburg-Vorpommern tätigte für den Bau von Nord Stream 2 millionenschwere Geschäfte. Nun stellt sich heraus: Das russische Geld landete auch im Umfeld einer weithin gefürchteten Familie.

Als usbekische Soldaten am 13. Mai 2005 das Feuer auf Demonstranten in der Stadt Andischan eröffnen, werfen sich die Menschen zu Boden, verstecken sich in Abflusskanälen. Wahllos feuert das Militär in die Menge, auf Männer, Frauen und Kinder. Schätzungen zufolge sterben bis zu 1.500 Menschen, viele weitere werden verletzt. Das brutale Regime von Islam Karimov, das aus alten Sowjetkadern und Geheimdienstlern besteht, sichert so sein Fortbestehen. Gerettet wird es in diesen Tagen wohl maßgeblich vom gefürchtetsten Mann Usbekistans: dem Geheimdienstchef Rustam Inoyatov, der die Zivilbevölkerung mit seinem Folterapparat unterdrückt.

Der Königsmacher und sein Sohn

Er wird für viele Jahre nach dem Massaker die "graue Eminenz" Usbekistans bleiben, der Königsmacher, ohne dessen Unterstützung die Politik nichts zu melden hat. Und auch nach seiner Abberufung im Jahr 2018 bleibt er im Dunstkreis der Macht – offiziell zunächst bis November 2021 als Präsidentenberater. Im Hintergrund hat sich sein Sohn Sharif da aber längst ein Unternehmensimperium errichtet, das bis nach Russland und Europa reicht. Gemeinsam mit dem russischen Staatskonzern Gazprom, usbekischen und russischen Oligarchen hat sich die Familie ihren Anteil an der Ausbeutung der staatlichen Gas- und Ölfelder gesichert.

Und es ist Inoyatovs Geheimdienst-Clan, der Recherchen von t-online zufolge nun Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) in Erklärungsnot bringt.

Ihre Landesregierung hatte Anfang 2021 eine Klima- und Umweltstiftung gegründet, um den Bau der deutsch-russischen Gaspipeline Nord Stream 2 abzuschließen. Ihr wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb vergab millionenschwere Aufträge an beteiligte Unternehmen, um sie vor US-Sanktionen zu schützen. Über die Stiftung wachte Schwesigs politischer Ziehvater, Ex-Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD). Das Geld dafür stellte Gazprom bereit. An wen es überwiesen wurde, blieb lange geheim.

"Diese Unternehmen haben sich nichts vorzuwerfen. Sie haben rechtmäßig gehandelt. Und sie haben Landtag und Landesregierung vertraut, die einen Schutzschirm gegen die US-Sanktionen versprochen haben", sagte Sellering.

Inoyatovs Partner und die Stiftung

Nun belegen die t-online vorliegende Auftragsliste, zugehörige Vertragsdokumente und Registerunterlagen: Die Klimastiftung überwies für Nord Stream 2 Millionenbeträge ins direkte Geschäftsumfeld des Inoyatov-Clans. Unter den Auftragsempfängern war ein Unternehmen in Russland, das von einem engen Geschäftspartner seines Sohns Sharif Inoyatov kontrolliert wird. Das Unternehmen sitzt in Moskau und im nordkaukasischen Stawropol. Über Inoyatovs Partner führen Spuren bis zu einem Netzwerk, das die Gas- und Ölreserven Usbekistans in der Hand hat – und in eine thüringische Kleinstadt.

Dort sitzt der deutsche Staatsbürger Johann S. seit 2015 als Geschäftsführer einer unscheinbar anmutenden, aber bemerkenswert vielseitigen GmbH vor: Sie kann laut Gesellschaftsvertrag Zeitarbeitskräfte vermitteln, Immobiliengeschäfte tätigen, mit Lebensmitteln und Möbeln handeln, Unternehmen beraten und sogar sozialpädagogische Leistungen für minderjährige Flüchtlinge anbieten. Im Ort dürfte kaum jemand etwas von den hochrangigen Verbindungen des Firmenchefs nach Russland und Usbekistan ahnen.

Denn S. bewegt sich in Thüringen zumindest dem Anschein nach außerhalb seines eigentlichen Geschäftsfelds: Zumindest zeitweilig war er als Generaldirektor für einen russischen Ableger des internationalen Pipeline-Dienstleisters Baker Hughes tätig. Zeitgleich entwickelte er im gleichen Sektor rege Geschäftstätigkeiten in Russland und Usbekistan. Damals gründete er die Unternehmensgruppe GC Service and Industrial Assets LLC (GC SIA), die schließlich beim Bau von Nord Stream 2 für die Klimastiftung tätig wurde, zuvor aber auch bei anderen Pipeline-Projekten in Russland mit Aufträgen bedacht worden war.

Geschäfte in Russland und Usbekistan

In Russland ist S. ein engagierter Investor, wie aus Unternehmensdatenbanken hervorgeht: Er investierte neben der GC SIA nicht nur in weitere Unternehmen mit Öl- und Gasbezug, sondern auch in die Fischerei, noch immer hält er Anteile an einem Café in Stawropol und der landesweiten Burger-Kette Black Star, die vom in Russland berühmten Rapper Timati gegründet wurde. Dessen gute Kontakte zum Kreml und zum tschetschenischen Diktator Ramsan Kadyrow sind offenkundig. Besonders bemerkenswert sind allerdings die Geschäftsbeziehungen von S. zu Sharif Inoyatov.

Laut t-online vorliegenden Handelsregisterunterlagen besaß S. bereits zum Zeitpunkt der Auftragsvergabe an die GC SIA durch die Landesklimastiftung im Jahr 2021 auch Anteile von Novotech Industries in Usbekistan. Laut eigenen Angaben hat das Unternehmen "neue High-Tech-Schüttgüter für Bohr- und Zementflüssigkeiten für die Öl- und Gasindustrie auf den Markt gebracht". 49 Prozent der Anteile hält Rustam Inoyatovs Sohn Sharif. Weitere Anteile hielt bis mindestens Mai 2021 Ravshan Ubaydullayev, ebenfalls Sohn eines ehemals führenden usbekischen Geheimdienstlers. Die gemeinsamen Geschäfte sind brisant.

Denn im vergangenen Jahr legte ein äußert detaillierter Bericht des Kriminologie-Professors Kristian Laslett die verschlungenen Geschäftsbeziehungen zwischen dem Geheimdienst-Clan und einem Geschäftskonsortium von Oligarchen mit engen Verbindungen zum russischen Staat offen: Demnach kontrolliert die Schattenstruktur in Kooperation mit der russischen Gazprombank weite Teile der Öl- und Gasreserven Usbekistans und profitiert von allen Stationen der Lieferkette – anscheinend zu weit überhöhten Preisen und zum Nachteil des usbekischen Staats.

Russlands Kontrolle über das Gas

Spuren in Russland verfolgte der Bericht zu Putins engem Oligarchenfreund Gennady Timtschenko. Zentraler Akteur auf usbekischer Seite ist der Geschäftsmann Bakhtiyor Fazilov, dem laut Bericht nachgesagt wird, dass seit September 2016 "kein Kubikmeter Gas Usbekistan ohne seine Erlaubnis verlassen" habe. Um die Geschäftsbeziehung zwischen Johann S. und dem Geheimdienst-Clan zu verstehen, wird er noch eine zentrale Rolle spielen.

Der 2023 erschienene Report war das Ergebnis jahrelanger Recherchen von Lasslett an der Universität im nordirischen Ulster und wurde in Zusammenarbeit mit der usbekischen Station des US-finanzierten Senders Radio Free Europe/Radio Liberty veröffentlicht. Anschließend legte Lasslett die Ergebnisse dem britischen Parlament vor. Er geht davon aus, dass Usbekistan im Griff dieses Netzwerks nur sehr schwer von Russland unabhängige Entscheidungen treffen kann.

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Zurück zu Johann S., dessen Unternehmen in Moskau die Aufträge der Landesklimastiftung erhielt: Seine Geschäftsbeziehung zu Inoyatov und Ubaydullaev geht über das gemeinsame Novotech Industries in Usbekistan hinaus und führt bis zu Oligarch Fazilov, der an den Schnittstellen der Gas-Schattenstruktur steht. Nicht nur hält Novotech Industries Anteile an weiteren dortigen Unternehmen des Geheimdienst-Clans, darunter dem einzigen, in dem Inoyatov offiziell als Geschäftsführer auftritt – Novotech Industries hieß ursprünglich auch Aksus Novotech. Das dürfte kein Zufall sein.

Denn die Geschäfte von Inoyatov und Ubaydullaev erstrecken sich über die Landesgrenzen nach Russland. Dort hatten und haben die Partner gleich eine Vielzahl gemeinsamer Geschäftsinteressen mit Fazilov: Bau und Immobilien, eine Geflügelfabrik, Tierfutter, Pflanzenöle. Ein Schwerpunkt des regen Geschäftsbetriebs ist die Stadt Tula rund 200 Kilometer südlich von Moskau.

Die Stiftung schweigt trotz Gerichturteils

Viele der Geschäftszwecke fanden in der Stadt in einem mittlerweile liquidierten gemeinsamen Allround-Unternehmen des Oligarchen-Trios zusammen: der Aksus Group. An dieser Gruppe war laut Unternehmensdatenbanken auch der Deutsche Johann S. beteiligt. Hauptgeschäftszweck war die Zementproduktion. Das gemeinsame Unternehmen mit Inoyatov in Usbekistan stellt Zementmischungen her. Das Hauptprodukt und Tochterunternehmen führen zu einem Unternehmen des Geheimdienst-Clans, das wiederum laut Lasletts Bericht gemeinsame Geschäftsinteressen mit Fazilovs Familie im Bausektor hat.

S. und die GC SIA LLC nahmen auf Anfrage von t-online keine Stellung zu den Verbindungen. Die Klimastiftung bestätigte auch auf mehrfache Nachfrage nicht die Auftragsvergabe an die GC SIA LLC oder die Auftragshöhe. Ebenso unbeantwortet blieben Fragen, ob die Stiftung über die Geschäftsverbindungen ihres Auftragnehmers zu Inoyatov informiert war – und warum die Stiftung überhaupt Aufträge an ein russisches Unternehmen abwickelte.

Die fortdauernde Verschwiegenheit ist erstaunlich: Eigentlich hatte das Oberlandesgericht Rostock auf Klagen von "Welt am Sonntag" und "Bild" schon vor mehr als einem Jahr den Auskunftsanspruch von Medien hinsichtlich der Auftragsliste bestätigt. Die Stiftung hatte zeitweise sogar ein gerichtliches Zwangsgeld in Kauf genommen, um die Auftragnehmer weiter geheim halten zu können.

Schließlich allerdings folgte sie der Gerichtsentscheidung und die Zeitungen machten wichtige Auftragnehmer öffentlich – darunter die GC SIA LLC, die auch auf der t-online vorliegenden Auftragsliste steht. Die Zahlungen sollen sich insgesamt auf 3,46 Millionen Euro für vier Aufträge belaufen haben. Einer dieser Aufträge in Höhe von rund 1,5 Millionen Euro liegt t-online vor. Unterzeichnet wurde er im Juni 2021 vom Geschäftsführer des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs.

Die letzte Zahlung dafür erfolgte offenbar im August 2022, sechs Monate nach Beginn des russischen Angriffskriegs. Damals hatte S. seine Beteiligung zurückgefahren, obwohl er weiter Anteile hält und Geschäftsführer blieb: Hauptanteilseignerin ist nun eine junge Frau. Kurz zuvor arbeitete sie noch als Beamtin für die russische Steuerbehörde.

Update, 14.5.2024: Da es unter Lesern zu unbeabsichtigten Spekulationen kam, wurde im letzten Satz präzisiert, dass die Frau für die russische Steuerbehörde gearbeitet hat.

Verwendete Quellen
  • Unterlagen der Stiftung Klima- und Umweltschutz MV
  • Handelsregisterunterlagen aus Deutschland, Russland und Usbekistan
  • Unternehmensdatenbanken, u.a. Spark-Interfax
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