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Gerhard Schröder wird 80: Doku über Altkanzler – er zieht in den Bann


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Gerhard Schröder
Warum nur tut man sich das an?


03.04.2024Lesedauer: 3 Min.
Gerhard SchröderVergrößern des Bildes
Er werde so lange Sozialdemokrat bleiben, wie man ihn lasse, sagt Gerhard Schröder in der Doku zu seinem Geburtstag. (Quelle: Michael Kappeler/dpa/dpa-bilder)
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Gerhard Schröder wird 80, und es gäbe tausend gute Gründe, das zu ignorieren. Trotzdem zieht der Ex-Kanzler weiter in den Bann. Warum ist das so? Der Versuch einer Erklärung.

Manchmal tut man Dinge, und fragt sich dabei, warum man sie tut. Es gäbe mehr und bessere Gründe, es bleiben zu lassen, als es zu tun. Und doch kann man nicht anders. Man tut es trotzdem weiter.

Zum Beispiel die neue Doku über Gerhard Schröder zu dessen 80. Geburtstag schauen. Eine gute Stunde über einen Mann, der sein eigenes Denkmal als Kanzler eingerissen hat, weil er seine Männerfreundschaft mit dem russischen Diktator und Kriegstreiber Wladimir Putin über alles stellt. Und seine Geschäftsinteressen als Lobbyist Russlands ebenso. Ein in der deutschen Kanzler-Geschichte beispiellos tiefer Fall (nicht einmal Kohls schwarze Kassen können da mithalten).

Und doch schaut man und schaut man und schaut man. Schröder auf dem Golfplatz. Schröder in der Kirche, Schröder in seinem Büro in Hannover. Schröder in China. Schröder in alten Tagen. Das Basta, das Nein zum Irakkrieg. Die Agenda-Rede im Bundestag. Die Tränen in den Augen beim Rücktritt als SPD-Vorsitzender. Seine Rumpelstilziade in der Elefantenrunde nach der verlorenen Bundestagswahl.

Ein Satz, der alles erklärt

Warum ist das so? Weil dieser Mann als Person ein Faszinosum war, ist und bleibt. Weil er wieder gegen alle und alles kesselt und koffert, Kevin Kühnert, Annalena Baerbock und was sonst aus seiner Sicht an Gekreuch und Gefleuch unterwegs ist in der Sozialdemokratie oder in der Bundesregierung. Die einschlägigen Sätze dazu laufen schon hoch und runter in den Agenturen, in den Rezensionen des gelungenen Films.

Der eigentlich zentrale Satz aber wird vergleichsweise selten zitiert und klingt ganz harmlos. Er fällt zu Anfang, und am Ende noch einmal. "Ich bin", sagt Schröder da, "manchmal ‘n bisschen anders als andere".

So ist es. Und: das ist es. Deshalb schaut man ihn sich noch an. Weil er ein Typ ist. Eine Type, wie es sie heute in der Politik nicht mehr gibt. Olaf Scholz, Angela Merkel, Christian Lindner, Robert Habeck, Friedrich Merz. Alle wie im Windkanal stromlinienförmig gemacht. Kieselsteinrund. Keine Ecken, keine Kanten. Wie aus der Retorte. Markus Söder ist vielleicht der einzige aktive Spitzenpolitiker, der heute noch annähernd so quecksilbrig schillert wie einst Gerhard Schröder.

Raubauziger Charme

Aber auch das ist Kreisklasse oder Bayernliga gegen dieses Urvieh, diesen Raubauz, der sich aus kleinsten Verhältnissen hochgeackert hat. Der von jetzt auf gleich von Fiesling auf Größtcharmeur umstellen kann. Immer noch. Diese Wechselbäder erlebt auch der Reporter der Doku am laufenden Band. Und der Anziehungskraft Schröders kann auch er sich bei aller demonstrativen Distanz nicht komplett erwehren, wenn die Eindrücke nicht täuschen.

Schröder zieht in den Bann. Max Weber hätte vermutlich von Charisma gesprochen. Er hat eine ungeheure Präsenz. Und eine einzigartige scheinbare Nahbarkeit.

Das war immer schon so. Erinnerungen aus einem Reporterleben. Erste Begegnung mit dem Ministerpräsidenten Schröder auf dem Hauptbahnhof in Hannover für eine Seite drei über ihn in der "Süddeutschen Zeitung". Im Bistro des ICE nimmt er sich alle Zeit für den jungen Hüpfer. Vom ersten Moment an gibt er seinem Gegenüber das Gefühl, dass es jetzt nur ihn gibt, dass ihm seine ganze Aufmerksamkeit gilt. Es gibt kein Fremdeln und scheinbar keine Fassade, hinter der er sich versteckt.

Ein Mann kommt ins Zug-Bistro, sieht ihn, spricht ihn vertraut an, leichter mediterraner Akzent: "Gerd, wann wirst Du endlich Kanzler?", fragt er gespielt theatralisch. "Ja, das frage ich mich auch!", gibt Schröder lachend zurück. Ein Gewerkschaftsmann? Ein Parteifreund? Die Frage liegt nahe, nachdem der Mann gegangen ist: Woher kennen Sie den? "Ich kenn’ den nicht", erwidert Schröder, "noch nie vorher gesehen."

In Badehose im Lago Maggiore

Das hätte auch gelogen sein können. Aber Jahre später bei einer großen Veranstaltung in Ascona, Politprominenz da, Peter Sloterdijk, Wolfgang Schäuble, Margarete Vestager, Norbert Röttgen, Christian Lindner. Der Einzige, der von den illustren Gästen in großer, schlabbriger Badehose am Hotelstrand des Lago Maggiore auftaucht, ist Gerhard Schröder. Stellt sich bis zum Bauch ins Wasser. Und vertieft sich innerhalb von Minuten mit meiner Frau in ein Gespräch über Kinder und Familienpolitik. Als ob sie sich schon ewig kennen würden. Als ob sie gemeinsam Kinder in einem Kindergarten hätten. Dabei hat sie bei diesem Stehbad im Wasser des Lago Maggiore nachweislich das erste Mal in ihrem Leben "Hallo, Herr Schröder" gesagt.

Als der Film heute Morgen bei uns im Wohnzimmer lief, kam sie aus ihrem Zimmer und setzte sich dazu. Regte sich immer wieder auf über Schröders Unverschämtheiten am laufenden Band.

Und guckte bis zum Schluss.

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