t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomePolitikDeutschlandInnenpolitik

AfD-Warnung: Arbeitsrechtler findet Würths Wahlempfehlung unbedenklich


Interview
Unsere Interview-Regel

Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.

Benachteiligung wegen Parteizugehörigkeit
"Für Grüne und AfD gelten nicht die gleichen Regeln"


Aktualisiert am 20.03.2024Lesedauer: 4 Min.
Justitia und das Logo der AfD: Ist es rechtlich erlaubt, seine Mitarbeiter vor der AfD zu warnen?Vergrößern des Bildes
Justitia und das Logo der AfD (Symbolbild): Ist es rechtlich erlaubt, seine Mitarbeiter vor der AfD zu warnen? (Quelle: Sascha Steinach/imago-images-bilder)
News folgen

Unternehmer warnen vor der AfD, ein Arzt will Mitglieder nicht behandeln: Der Umgang mit der Partei im Alltag ist umstritten. Ein Jurist erklärt, welche Maßnahmen im Arbeitskontext erlaubt sind.

Als in den vergangenen Wochen und Monaten zahlreiche Menschen auf die Straße gingen, um gegen die AfD zu protestieren, war die Zahl der Unterstützer groß. Auch etliche Unternehmen riefen zur Teilnahme auf und unterstützten die Demonstrationen. Der Unternehmer Reinhold Würth ging nun noch weiter: In einem fünfseitigen Brief warnte er seine Mitarbeiter davor, die AfD zu wählen.

Wenige Tage zuvor war bekannt geworden, dass ein Arzt im baden-württembergischen Lahr einem Patienten die Behandlung verweigert hatte – weil dieser Mitglied der AfD ist. Sind solche Aktionen gegen eine in Teilen rechtsextreme Partei gerechtfertigt oder werden dabei gar juristische Grenzen überschritten? Der auf Arbeitsrecht spezialisierte Anwalt Alexander Bredereck gibt im Gespräch mit t-online seine Einschätzung.

t-online: Der Unternehmer Reinhold Würth warnt seine Mitarbeiter davor, die AfD zu wählen: Darf ein Arbeitgeber gegenüber seinen Angestellten eine Wahlempfehlung aussprechen?

Alexander Bredereck: Es kommt immer darauf an, wer der Arbeitgeber ist. Bei der SPD-Bundestagsfraktion ist es natürlich kein Problem, wenn eine Wahlempfehlung für die SPD ausgesprochen wird. Aber auch bei Herrn Würth sehe ich überhaupt kein Problem. Selbstverständlich gelten nämlich auch für den Arbeitgeber alle Grundrechte: Er kann eine Meinung haben und sie auch kundtun. Da ist aus meiner Sicht immer die Frage zu stellen: Was kann denn der Arbeitnehmer dagegen tun? Und da wird sehr schnell deutlich: Allzu viel ist da nicht zu machen. Diese Äußerungen mit einer Unterlassungsklage verbieten zu lassen, hätte keinen Erfolg. Ich sehe aus arbeitsrechtlicher Sicht darin also kein Problem.

Wo würde Reinhold Würth denn eine Grenze überschreiten?

Die Grenzen wären erreicht, wenn er gezielt gegen AfD-Wähler im Unternehmen vorgeht. Wenn er jetzt sagen würde: Alle Mitarbeiter bekommen eine 100-Euro-Prämie, bis auf die AfD-Wähler. Das wäre dann eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung oder auch eine diskriminierende Ungleichbehandlung.

(Quelle: Helen Nicolai)

Zur Person

Alexander Bredereck ist Mitinhaber der Kanzlei Bredereck Willkomm in Berlin und Potsdam. Er ist Fachanwalt für Arbeits- und Mietrecht und beschäftigt sich häufig mit dem Umgang mit der AfD im Arbeitsumfeld.

Es ist also in Ordnung, wenn ein Vorgesetzter politische Empfehlungen gibt, aber unzulässig, wenn er Mitarbeiter wegen politischen Positionen anders behandelt. Wie verhält es sich, wenn er wissen will, was seine Angestellten wählen?

Hier geht es um Diskriminierungsverbote. Da gibt es Fragen, bei denen der Arbeitgeber diskriminieren würde und die deswegen unzulässig sind – etwa die nach der politischen Ausrichtung. Bei solchen Fragen darf der Arbeitnehmer sogar lügen. Er darf sagen: 'Ich wähle die Grünen', auch wenn er eigentlich AfD wählt. Auch für Fragen jenseits der Diskriminierung braucht es einen berechtigten Grund und vor allem einen Bezug zur Arbeitswelt.

Wie ist es denn, wenn der Arbeitgeber nicht aktiv nach der Wahlentscheidung fragt, aber ein Mitarbeiter ganz offen als AfD-Mitglied auftritt?

Da kommen wir in einen Bereich, der wegen aktuell laufender Verfahren noch offen ist. Das heißt, es sind verschiedene Fälle zu unterscheiden. Wenn jemand bei der Bewerbung sehr offen mit seiner AfD-Mitgliedschaft umgeht, muss ihn der Arbeitgeber nicht einstellen und braucht auch keinen Grund für die Ablehnung. Wenn jemand im laufenden Arbeitsverhältnis mit der AfD sympathisiert, der Chef aber nicht, kann der da wenig machen. Solange die AfD nicht als gesichert rechtsextrem gilt, wäre eine Kündigung höchstwahrscheinlich diskriminierend und deshalb unwirksam. Für den Fall, dass sie als gesichert rechtsextrem eingestuft wird, wären Beamte als Erstes gefährdet.

Nun ist die Stimmung auch gegenüber anderen Parteien wie den Grünen aufgeheizt. Gelten im Umgang mit politischen Parteien am Arbeitsplatz denn die gleichen Regeln für AfD und Grüne?

Die gleichen Regeln würde ich nicht sagen, weil es bereits Arbeitsverhältnisse gibt, wo es Stand jetzt schon Probleme geben könnte. Ich denke dabei vor allem an die ganze kritische Infrastruktur. Und das geht stufenweise: Je kritischer der Verfassungsschutz die AfD einstuft, desto schwieriger wird es für Mitglieder. Das betrifft dann irgendwann auch den normalen Arbeitgeber. Auch auf Social Media hätte es Auswirkungen, wenn ich einen direkten Bezug zu meinem Arbeitgeber herstelle. Wenn ich den also auf meinem Facebook-Profil nenne und schreibe 'Ich bin Kassierer beim AfD-Landesverband', gibt es ab einer bestimmten Einschätzung des Verfassungsschutzes auch eine Handhabe des Arbeitgebers.

Werfen wir noch einen Blick auf den Fall, bei dem ein Arzt einem Patienten die Behandlung verweigert hat, weil dieser Mitglied im Kreisvorstand der lokalen AfD ist. Ist das mit dem hippokratischen Eid vereinbar?

Das ist nicht grundsätzlich unvereinbar. Ärzte müssen besonders aufpassen, weil sie ganz schnell wegen unterlassener Hilfeleistung dran sind. Da habe ich mehrere Fälle erlebt, wo Ärzte Patienten aus anderen Gründen abgelehnt haben. Und die Patienten haben sich mit Strafanzeigen 'gerächt'. Das ist gar nicht so ohne. Wenn Gefahr im Verzug ist und jemand Schmerzen hat, ist der Arzt schnell dran, wenn er keine Hilfe leistet. Dabei ist weniger der hippokratische Eid das Problem als vielmehr unterlassene Hilfeleistung.

In dem Fall hat der Arzt nun gesagt, es sei nicht um lebenswichtige Medikamente gegangen. Ist das eher noch im Rahmen des Erlaubten?

Wenn das kein akuter Fall ist, würde ich sagen: Das kann der wahrscheinlich machen.

In der Vergangenheit ist es auch immer wieder vorgekommen, dass Restaurants oder Friseursalons AfD-Mitgliedern keinen Zutritt gewährt haben und sie prinzipiell vom Betreten ihres Ladens ausgeschlossen haben. Ist das Hausrecht da juristisch unanfechtbar?

Da hätte ich jetzt etwas mehr Bauchschmerzen als beim Arzt. Es geht um grundgesetzlich geschützte Positionen. Denn diese Personen eröffnen ein Angebot, das sich an eine unbestimmte Masse richtet. Und die dürfen nicht so einfach Leute ausschließen. Erst recht nicht, wenn sie dafür ein politisch geschütztes Grundrecht ins Feld führen. Beim Arzt besteht dagegen ein ganz anderes Vertrauensverhältnis.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Alexander Bredereck
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website