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Zum journalistischen Leitbild von t-online.K-Frage der Union Entscheidung schon gefallen?
Noch nie stand der CDU-Chef so gut da wie in diesen Tagen. In der Partei munkeln manche, Merz müsse den Moment nutzen, um die K-Frage rasch zu klären. Was dafür spricht – und was dagegen.
Als die Kameras sein Gesicht fixieren, lacht Friedrich Merz. Der CDU-Vorsitzende besucht an diesem Mittwochmittag mit einer Gruppe Abgeordneter aus seiner Fraktion die Grüne Woche. Merz schaut sich die einzelnen Stände an, spricht mit den Ausstellern – und lacht. Und lacht. Und lacht.
Selbst als Klimaaktivisten der "Letzten Generation" die Bühne während einer Podiumsdiskussion stürmen, an der Merz teilnimmt, bleibt das Gesicht kontrolliert. Als der Sicherheitsdienst die Protestanten mitnimmt, sagt der CDU-Vorsitzende noch: "Die sind uns trotzdem willkommen, wenn sie an der Diskussion nachher teilnehmen wollen."
Großer Applaus. Fast 400 Menschen beklatschen Merz. Der grinst jetzt wieder.
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Muss Merz jetzt zugreifen?
Momente wie diesen erlebt Friedrich Merz derzeit häufiger. Dass er gut ankommt, die Menge abholt, als Staatsmann beschrieben wird. Der CDU-Chef genießt das. Es war ja nicht immer so. Es gab auch Zeiten, da hat die Union wegen Merz die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Wenn er mit provozierenden Aussagen vorgeprescht ist, die seine Leute anschließend einfangen mussten. Jene Stimmen, die an der Kanzlertauglichkeit des Oppositionsführers zweifelten, wurden zeitweise immer lauter.
Aber: Politik ist schnelllebig. Umfragen sind Momentaufnahmen. Solange einer rechtzeitig die Kurve kriegt, ist alles nur halb so schlimm. Und derzeit sieht es so aus, als hätte Merz verstanden, seinen Auftritt noch einmal hinterfragt – und angepasst.
In der ARD-Talkshow "Caren Miosga" gibt sich der CDU-Vorsitzende auffallend freundlich. Während der Bundesvorstandsklausur in Heidelberg wählt er seine Worte deutlich sorgsamer aus als bislang. Und bei einem Interview zum Jahresbeginn zeigt Merz zum ersten Mal so etwas wie Ehrfurcht vor einer möglichen Kanzlerschaft. Hinzu kommt, dass die Union stabil um und bei 30 Prozent in den Umfragen liegt. Klar geht das besser. Aber in Abrede stellen sollte man es auch nicht.
Für den CDU-Vorsitzenden läuft es gut. Sogar sehr gut. Und die Chancen auf die Kanzlerkandidatur? Waren nie besser. Erste Stimmen in Merz' Umfeld drängen deshalb, er müsse die K-Frage nun doch früher klären. Aus Kreisen heißt es, er könne das Ganze etwa mit dem Parteitag im Mai "abräumen". Wenn die Delegierten ihn mit einem starken Ergebnis wiederwählen. Er sei dann auf dem Höhepunkt seiner Macht.
Wird Merz den Moment dafür nutzen? Was spricht dafür – und was dagegen?
Dafür: Kein Raum für Revolten
Dafür, die Frage zu klären, spricht vor allem: dass die Frage dann geklärt ist. Merz könnte den ewigen "Ist er der Richtige"-Zweifel ein für alle Mal aus dem Weg räumen. Zwar wird es auch nach einer Kandidatenkür jene geben, die einen anderen (im Zweifel sich selbst) für geeigneter halten. Allerdings darf man nicht unterschätzen, wie sehr der Union das Trauma um die Bundestagswahl 2021 und den Kandidaten Armin Laschet nachhängt. Noch mal den eigenen Spitzenmann schlecht reden? Das wird wohl kaum einer wagen. Sobald der Kandidat feststeht, dürfte die Partei sich hinter ihm versammeln.
Zumal es anderen Parteien in der Vergangenheit nicht geschadet hat, sich früh zu einigen. Man denke nur mal an die SPD vor der Wahl zurück. Während Grüne und Union die Öffentlichkeit mit ihren Kandidatenrennen unterhielten, waren die Reihen hinter Olaf Scholz geschlossen. Da war kein Raum für Revolten.
Friedrich Merz mag im Moment einen Höhenflug haben. Wer sagt jedoch, dass das so bleibt? Bis zum Spätsommer sind drei Landtagswahlen im Osten und eine Europawahl. Viele blicken zu Recht mit Sorge darauf – auch in der Union. Ein Mitglied der CDU-Spitze sagt etwa, es sei ein Fehler, zu viel Zeit verstreichen zu lassen. Bis zum Spätherbst könne noch viel passieren. Damit dürfte auch gemeint sein, dass es neben Merz zwei weitere potenzielle Anwärter auf die Kanzlerkandidatur gibt: CSU-Chef Markus Söder und der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst. Mit einer frühen Entscheidung könnte der CDU-Chef das Rennen um die K-Frage beenden, bevor es richtig angefangen hat.
Dagegen: die Revolte Söder
Problem: Der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident hat in den vergangenen Wochen mehr als einmal deutlich gemacht, dass er auf den ursprünglich ausgemachten Zeitpunkt im Spätsommer bestehen wird. In einem Interview mit t-online sagt Söder kürzlich: "Es gibt ein klares Verfahren." Und es sei wichtig, "sich nicht treiben zu lassen".
Sein Generalsekretär Huber ist noch deutlicher. Dem RND sagt der CSU-Politiker diese Woche: "Die Vorsitzenden haben sich auf den Spätsommer geeinigt. Und der Spätsommer ist definitiv nicht im Januar."
In den Reihen der CDU wird zudem vermutet, Söder wolle das Urteil des Verfassungsgerichts zur neuen Wahlrechtsreform der Ampel abwarten. Tritt der Worst Case für die CSU ein, erklärt das Gericht die Reform für rechtmäßig. Die CSU muss dann bei der kommenden Wahl über die Fünfprozenthürde kommen. Sonst fliegt sie aus dem Bundestag. Söder werde sich unter entsprechenden Umständen genau überlegen, wer aus seiner Sicht der Kandidat mit dem aussichtsreichsten Wahlergebnis für die Union sei.
In der CSU hingegen winkt man auf die Frage nach der Wahlrechtsreform ab. Das Gesetz sei so schlecht gemacht, heißt es dort, da mache man sich keine Sorgen. Vielmehr ist man der Auffassung, ein CDU-Kandidat müsse Söder für die Unterstützung der CSU ein angemessenes Gegenangebot machen. Der Mai sei zu früh, um da über mögliche Ideen zu sprechen. Zumal Söder wohl selbst noch austariert, wie die Chancen für ihn stehen. Der CSU-Chef weist die Frage nach der Kanzlerkandidatur zwar bislang lachend zurück. Wer den Franken jedoch kennt, weiß: bei Söder ist das letzte Wort nie wirklich das letzte Wort.
Hinzu kommt, dass auch die CDU-Landesvorsitzenden ein Mitspracherecht in der K-Frage fordern. So betonte der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Daniel Günther, erst vor einer Woche: "Die Zeit, dass sich zwei Herren zusammensetzen, um zu entscheiden, was in der Union passiert, die ist schon sehr, sehr lange vorbei." Auch Günther beharrt auf den bisherigen Zeitplan. Er dürfte nicht der einzige sein.
Ist es das wirklich wert?
Merz könnte das aktuelle Hoch nutzen und die K-Frage für sich klären. Am Ende droht ihm damit aber genau das, was durch die frühe Entscheidung eigentlich vermieden werden sollte, nämlich eine Revolte – vor allem vonseiten der CSU.
Ist es das wirklich wert?
Es gibt in Merz' Umfeld noch eine zweite Sicht auf das Thema. Demnach ist es überhaupt nicht notwendig, die K-Frage jetzt zu klären. Der Vorsitzende werde auf dem Parteitag mit gutem Ergebnis wiedergewählt werden. Anschließend reiche es vollkommen aus, in der Sache nach und nach Pflöcke einzuschlagen. Merz müsse nur dafür sorgen, dass am Ende alles natürlich auf ihn hinauslaufe, dann sei doch eh alles klar. Klingt fast zu leicht, um wahr zu sein.
- Eigene Recherche
- RND Interview mit Martin Huber
- ZDF: Maischberger vom 16.01.2024