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Proteste der Bauern | Präsident Rukwied: "Dann haben wir ein gewaltiges Problem"


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Bauernpräsident Rukwied
"Dann haben wir ein gewaltiges Problem"


Aktualisiert am 09.01.2024Lesedauer: 5 Min.
Joachim Rukwied: Seit 2012 führt er den Deutschen Bauernverband.Vergrößern des Bildes
Joachim Rukwied: "Die Regierung in Berlin versteht gar nicht, um was es auf dem Land geht." (Quelle: Charles Yunck/Imago)

Die Bauern legen das Land lahm, der Kanzler hält an den abgeschwächten Kürzungsplänen fest. Wie geht es jetzt weiter? Ein Gespräch mit Bauernpräsident Joachim Rukwied.

Joachim Rukwied ist in diesen Tagen ein gefragter Mann. Sein Bauernverband hat am Montag Teile von Deutschland zum Stillstand gebracht, Autobahnauffahrten blockiert, bundesweit protestiert. Eine Woche lang soll es nun so weitergehen.

Das Ziel: die Bundesregierung zum Einlenken bewegen. Die geplanten Kürzungen bei den Agrarsubventionen soll die Ampel in Gänze zurücknehmen, wenn es nach den Bauern geht.

Doch die Bundesregierung will nicht einlenken – zumindest nicht noch mehr, als sie es schon getan hat. Zwar sollen Trecker und Mähdrescher auch künftig von der Kfz-Steuer befreit bleiben, die Rückerstattungen für den Agrardiesel aber will sie den Bauern weiter streichen, wenn auch nur schrittweise.

Und nun? Ein Gespräch mit Joachim Rukwied, dem Bauernverbands-Präsidenten, über verfehlte Förderprogramme und die Macht der Traktoren.

t-online: Herr Rukwied, wie lange bleiben Sie noch hart?

Joachim Rukwied: Bis alle Sparvorschläge zurückgenommen sind.

Danach sieht es aktuell aber nicht aus, das Kabinett hat die Subventionskürzungen beim Agrardiesel bereits verabschiedet.

Das stimmt, aber das parlamentarische Verfahren beginnt ja erst noch. Wir setzen darauf, dass es in der Haushaltsbereinigungssitzung am 18. Januar noch Bewegung geben wird. Unsere Landesverbände und wir sind im guten Austausch mit den Abgeordneten der Ampelkoalition. Wir hoffen, dass die Signale, die von den Ministerpräsidenten ausgehen, gesehen werden.

Zum Auftakt der Aktionswoche hat sich der Bauernprotest mancherorts verselbstständigt. Haben Sie die Lage unter Kontrolle?

Wir haben am Montag unter Beweis gestellt, dass wir die Lage im Griff haben. Die Demonstrationen sind ordentlich abgelaufen, es gab Rettungsgassen, die Krankenwagen kamen durch, die Feuerwehr auch. Solch einen Tag hat es so noch nie gegeben: Die Bäuerinnen und Bauern waren mit 100.000 Traktoren auf der Straße, um für ihr Anliegen – die Rücknahme der Steuererhöhungsvorschläge – zu demonstrieren. Das war der Protest der Bauernfamilien Deutschlands.

In Brandenburg haben Bauern unangemeldet ein Warenlager blockiert, der Landesbauernverband wusste von nichts. Wie blicken Sie darauf?

Wir decken in den älteren Bundesländern ungefähr 90 Prozent der Landwirte ab, in den jüngeren Bundesländern sind es circa 65 Prozent. Unsere Demonstrationen waren überall angemeldet und mit der Polizei besprochen. Natürlich gibt es aber auch Randgruppierungen und einzelne Landwirte, die sich spontan zu Aktionen entschließen. Dafür tragen wir als Bauernverband keine Verantwortung.

Und was ist mit der Demonstration in Dresden, wo die rechtsradikalen Freien Sachsen zum "Tag des Widerstands" auf die Straßen gingen?

Der sächsische Bauernverband hat seine Veranstaltung bewusst auf Mittwoch gelegt, um sich nach außen klar abzugrenzen: Die Landwirte vom Bauernverband waren am Montag nicht in Dresden – das waren nicht unsere Bauern. Wir als Bauernverband stehen zur Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, zum Grundgesetz. Ich bin überzeugter Europäer, ich stehe für unsere Werte. Und das bringen auch unsere Landwirte zum Ausdruck.

Sie klingen zornig, wenn Sie das sagen. Wie sehr ärgert Sie es, dass Trittbrettfahrer versuchen, Ihren Protest zu kapern?

Ich bin in diesem Punkt durchaus emotional. Ich brenne für Demokratie und ich brenne für Europa. Das gilt für uns als Verband und für unsere Mitglieder.

Zur Person

Joachim Rukwied, 62 Jahre alt, ist gelernter Landwirt und hat Agrarwirtschaft studiert. Auf über 290 Hektar bewirtschaftet er in achter Generation einen Hof in Heilbronn. Seit 2012 ist er Präsident des Deutschen Bauernverbands. In dem Verband sind nach eigenen Angaben 90 Prozent der rund 300.000 deutschen Landwirtschaftsbetriebe organisiert. Seit 2017 ist er zudem Präsident des europäischen Bauernverbandes. Rukwied ist Mitglied der CDU.

Zur Demokratie gehört der Kompromiss: Die Bundesregierung hat die ursprünglichen Einsparungen bei den Landwirtschaftssubventionen nach Ihrem Protest weitgehend wieder revidiert. Ist das nicht bereits ein großer Erfolg für Sie?

Wir müssen das vom Ende her denken. Kommt die geplante Kürzung beim Agrardiesel, ist der Vorschlag ein Sterben auf Raten. Wir Landwirte denken in längeren Zeiträumen: In drei Jahren hätten wir damit – zusammen mit den Niederländern – die höchsten Steuern auf Diesel in der ganzen EU. Im Vergleich zu anderen Ländern ist das eine starke Wettbewerbsverzerrung. Mein Eindruck ist: Die Regierung in Berlin versteht gar nicht, worum es auf dem Land geht.

Gilt das auch für den Landwirtschaftsminister Cem Özdemir?

Nein, ihn würde ich davon ausnehmen. Er hat sich nicht ohne Grund im Dezember an unsere Seite gestellt. Und auch die Ministerpräsidenten der SPD-geführten Bundesländer sind näher dran und auf unserer Seite, zum Beispiel Frau Schwesig in Mecklenburg-Vorpommern oder Herr Weil in Niedersachsen. Ich kann den Regierungsvertretern in Berlin nur empfehlen, mehr mit den Menschen vor Ort zu sprechen, dann wüssten sie, was los ist.

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke hat ebenfalls mit Demonstranten auf der Straße gesprochen. Erwarten Sie das mit Blick auf Ihre Großdemo nächsten Montag auch von Kanzler Olaf Scholz und seinen Ministern?

Die Planungen für die Großkundgebung am Brandenburger Tor sind noch nicht abgeschlossen. Mit Landwirtschaftsminister Cem Özdemir bin ich im regen Austausch, Details für den Ablauf gibt es aber noch nicht.

Mit wie vielen Teilnehmern rechnen Sie denn?

Wir rechnen mit deutlich mehr Menschen als bei der letzten Demonstration im Dezember. Auch andere Gewerke wollen sich anschließen. Wir sind mit Transportunternehmern und Handwerkern im Gespräch. Es haben sich viele solidarisiert. Auch die Rückmeldungen aus der Bevölkerung sind überwiegend positiv, die Unterstützung ist groß. Das freut uns sehr.

Was passiert, wenn die Ampel bis dahin nicht all Ihre Forderungen erfüllt hat?

Wenn wir keinen Erfolg haben sollten, behalten wir uns im Verband weitere Schritte vor. Auch dazu kann ich jetzt aber noch nichts sagen.

Nehmen wir an, es bliebe am Ende bei der geplanten Kürzung der Dieselsubvention um 10 Cent je Liter in diesem Jahr. Gehen deshalb wirklich reihenweise Betriebe pleite?

Die Auswirkungen hängen von der Betriebsgröße ab. Unabhängig von der Betriebsgröße trifft es die Betriebe, bei kleineren und mittelgroßen Betrieben machen die Kürzungen beispielsweise zwischen 1.500 Euro und 6.000 Euro Zusatzbelastung pro Jahr aus. Bei den großen Agrarunternehmen in den jüngeren Bundesländern können es aber auch schnell 80.000 bis 100.000 Euro werden. Das wirkt sich negativ auf das Betriebsergebnis, auf den Gewinn aus und bringt viele Höfe in Bedrängnis. Die Kürzungen der Ampel wirken damit wie ein Turbo für den Strukturwandel in Deutschland. Die Unternehmen wurden in den letzten Jahren ohnehin zu schwer belastet.

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Ein Beispiel?

Die Bürokratie erstickt die Unternehmen, viele Programme der Politik gehen an der Realität vorbei. Deswegen sind zum Beispiel knapp 40 Prozent der Mittel für die Honorierung der Ökoregelungen in diesem Jahr nicht abgerufen worden. Dabei sind viele Landwirte dazu bereit, umzustellen – und wir werben missionarisch für die Transformation. Man hat außerdem im Zukunftsprogramm, mit dem Investitionen in nachhaltige Pflanzenschutz- und Düngetechnik gefördert werden sollen, Millionen gestrichen. Das ist für mich aberwitzig. Wenn man das alles aufrechnet, sind weitere Belastungen nicht mehr hinnehmbar. Das alles verschlechtert unsere Wettbewerbsposition in Europa.

Wenn der Markt es langfristig nicht hergibt, müssen sich dann nicht die Bauern umstellen – weg von Familienhöfen, hin zu fusionierten Großbetrieben?

Wir können froh sein, dass wir noch 250.000 landwirtschaftliche Unternehmen in Deutschland haben, die zum Großteil in Familienhänden liegen. Denn diese Betriebe denken in Generationen, sie werden nachhaltig geführt. Und sie sorgen für lebendige ländliche Räume. Den Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland dominieren bereits vier große Konzerne. Wenn es in der Landwirtschaft ähnlich läuft, haben wir ein gewaltiges Problem. Dann wäre der ländliche Raum tot und Hunderttausende Familientraditionen zerstört. Das kann nicht unser Ansatz sein.

Stehen uns solche Proteste in den nächsten Jahren also noch viel stärker bevor?

Jetzt geht es erst einmal um die aktuellen Kürzungen: Die Steuererhöhungen für die Landwirtschaft müssen zurückgenommen werden – unbedingt. Die Politik, gerade auch die FDP, hat hier Wortbruch begangen. Das ist eine Provokation. Die Bundesregierung sollte bedenken: Die Welt wird unsicherer. Wir haben Kriege, globale Verwerfungen, Risiken in Europa, das hätten wir uns vor Jahren nicht vorstellen können. Da ist es umso wichtiger, dass wir die heimische Produktion sichern. Solange die Menschen Essen haben, haben wir eine gewisse politische Stabilität.

Herr Rukwied, vielen Dank für dieses Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Joachim Rukwied
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