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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Landesverband prüft Vorwürfe AfD-Politiker Halemba wehrt sich auf raffinierte Weise
Der Bundesvorstand der AfD will Daniel Halemba aus der AfD werfen, der Landesvorstand verzögert eine Entscheidung. Halemba wird aber selbst aktiv.
Trotz massiven Drucks des Bundesvorstands hat der Vorstand der AfD Bayern eine Entscheidung vertagt, ein Parteiausschlussverfahren gegen den Landtagsabgeordneten Daniel Halemba einzuleiten, gegen den wegen Volksverhetzung ermittelt wird. Die Vorwürfe gegen Halemba, gegen die Satzung der AfD verstoßen zu haben, will die Spitze der AfD Bayern noch einmal juristisch prüfen lassen.
"Der Landesvorstand hat einstimmig beschlossen, dass der Justiziar Ferdinand Mang einen Rechtsanwalt beauftragt, der das vom Bundesvorstand an uns in Auftrag gegebene Parteiausschlussverfahren gegen Daniel Halemba prüft und gegebenenfalls aufbereitet", teilte AfD-Landeschef Stephan Protschka t-online am Donnerstagabend mit.
Zugleich wurde Halemba selbst aktiv: Er teilte dem Landesvorstand wie den Mitgliedern der Landtagsfraktion mit, seine Mitgliedsrechte vorerst freiwillig ruhen zu lassen und von seinen Parteiämtern zurückzutreten, "um Schaden von der Partei und Fraktion abzuwenden und weitere negative Berichterstattung zu vermeiden".
Wichtig: Sein Mandat im bayerischen Landtag behält der 22-Jährige. So erhält er weiterhin pro Monat rund 9.000 Euro, dazu Mittel für Mitarbeiter und Büros. Auch in der AfD-Fraktion bleibt Halemba, wie er am Abend mitteilte. Die AfD behält so den Titel als Oppositionsführerin.
Halemba war bisher Vorsitzender des AfD-Kreisverbands Würzburg und saß als stellvertretender Schatzmeister im Vorstand des Bezirksverbands Unterfranken.
Vorstand der AfD Bayern spielt auf Zeit
Der Vorstand der AfD Bayern spielt mit seiner Entscheidung für eine juristische Prüfung auf Zeit. Ihm liegen seit Monaten Unterlagen zu den Satzungsverstößen vor, wie t-online berichtete – ebenso wie Anträge auf ein Parteiausschlussverfahren gegen Halemba aus dem Bezirksverband Unterfranken. Die Spitze der AfD Bayern aber bügelte den Protest stets ab. Mitglieder des Landesvorstands stehen Halemba nahe und zählen wie er zum rechtsextremen Flügel der Partei.
Zuvor hatte der AfD-Bundesvorstand um Alice Weidel und Tino Chrupalla massiven Druck aufgebaut. Er forderte den Landesvorstand Bayern am Montagabend auf, ein Parteiausschlussverfahren gegen Halemba anzustrengen und ihm sofort die Mitgliedsrechte zu entziehen.
"Für uns im Bundesvorstand ist es einhellig und völlig klar gewesen, dass Herr Halemba nicht in der AfD Mitglied bleiben kann", sagte AfD-Chefin Alice Weidel. Nach Informationen von t-online fiel die Entscheidung im Bundesvorstand mit großer Mehrheit.
Ob dem Bundesvorstand die Reaktion der Landesspitze genügt, blieb am Donnerstagabend zunächst unklar.
CSU will Halemba nicht mehr im Landtag
CSU-Landtagsfraktionschef Klaus Holetschek reichen Halembas Konsequenzen nicht aus. "Wenn er seine Parteiämter zurückgibt, hat er etwas Entscheidendes vergessen: sein Landtagsmandat. Das muss er bei der Schwere der Vorwürfe sofort niederlegen", sagte Holetschek am Donnerstagabend. AfD-Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner müsse sich "hier klar positionieren und darf nicht mehr länger schweigen".
In der Landtagsfraktion der AfD war die Unterstützung für Halemba bisher besonders groß. Das liegt auch daran, dass die AfD im bayerischen Landtag ihre Rolle als Oppositionsführerin verliert, wenn Halemba aus Partei wie Fraktion ausscheidet. Der Titel sichert der AfD besondere Rechte – sie darf auf Erklärungen der Regierungsparteien CSU und Freie Wähler im Parlament zum Beispiel zuerst antworten.
Die Rolle erlangte die AfD nur denkbar knapp: Im bayerischen Landtag liegt die AfD mit Blick auf die Mandate gleichauf mit den Grünen, ihrem größten erklärten politischen Gegner. 32 Sitze im Parlament haben beide Parteien, wegen des Gleichstands entschied bisher die Gesamtstimmenzahl bei der Landtagswahl über die Oppositionsführerschaft. Hier lag die AfD vorne.
Verliert die AfD aber ein Mitglied ihrer Fraktion, übernehmen die Grünen. Grund hierfür ist eine Änderung der Geschäftsordnung des bayerischen Landtags von Ende Oktober. Hier heißt es nun: "Die Reihenfolge der Fraktionen bestimmt sich nach der aktuellen Zahl ihrer Mitglieder." Zuvor war nicht die aktuelle Stärke der Fraktion ausschlaggebend, sondern die "Zahl ihrer Mitglieder zu Beginn der Legislaturperiode".
Hitlergruß und SS-Befehl
Der 22-jährige Halemba ist der jüngste Abgeordnete im bayerischen Landtag. Die Staatsanwaltschaft Würzburg ermittelt gegen ihn wegen Volksverhetzung und der Verwendung von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen. Einem Haftbefehl entzog sich Halemba, tauchte tagelang unter, wurde schließlich aufgespürt und am Tag der konstituierenden Sitzung des bayerischen Landtags kurzzeitig verhaftet.
Seine Burschenschaft Teutonia Prag wird inzwischen vom Verfassungsschutz beobachtet. Bei einer Razzia im September wurden im Haus der Teutonia in Würzburg Waffen, rechtsextreme Schriftstücke und Flyer sowie NS-Devotionalien festgestellt. Halemba wird vorgeworfen, in einem Gästebuch den Hitlergruß "Sieg Heil" mit seinem Namen unterschrieben zu haben. An einer Wand in seinem Zimmer soll ein SS-Befehl von Heinrich Himmler gehangen haben.
Auch parteiintern gibt es massive Vorwürfe gegen Halemba. Er sicherte nach Recherchen von t-online seine Kandidatur für die Landtagswahl mit dubiosen Methoden ab: Als AfD-Kreisvorsitzender in Würzburg unterzeichnete er die Aufnahmepapiere für neue Parteimitglieder, die ihn bei der Aufstellungsversammlung unterstützten. Tatsächlich aber lebten zwei dieser Neumitglieder nicht in Würzburg und hätten deswegen in einem anderen Kreisverband aufgenommen werden müssen.
Gegen eine parteiinterne Kritikerin soll Halemba außerdem gemeinsam mit einem befreundeten Juristen, der ebenfalls Mitglied der Burschenschaft sowie der "Jungen Alternative" ist, unwahre eidesstattliche Versicherungen eingeholt haben.
- Eigene Recherchen