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Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Rechtsextremisten in der AfD So viel Chuzpe war selten
Der Fall Daniel Halemba ist eine Gefahr für die AfD. Die Bundesspitze will jetzt durchgreifen. Scheitert sie, wäre das ein Offenbarungseid.
Selten wurde in jüngerer Zeit in einem westdeutschen Parlament Rechtsextremismus so schamlos verteidigt wie im Fall von Daniel Halemba von der AfD Bayern. Gegen den 22-Jährigen, jüngster Abgeordneter im Landtag, wird wegen Volksverhetzung ermittelt. Halemba floh vor der Justiz, tauchte tagelang unter. Volle Verachtung für den Rechtsstaat.
Die Liste der Vorwürfe gegen Halemba ist noch sehr viel länger, ein Faible für Himmler und Hitlergrüße inklusive. Selbst für die skandalerprobte AfD ist das in Summe harter Tobak. Doch die öffentlichen Einlassungen namhafter AfD-Politiker in Bayern lassen sich im Gros bisher zusammenfassen mit: War da was? Ach was! Wir stehen voll hinter ihm.
Dabei regt sich selbst innerhalb der AfD, auf den Ebenen ober- wie unterhalb der bayerischen Landesspitzen, im Bundesvorstand sowie an der Basis im Bezirk Unterfranken, großer Widerstand gegen Halemba. Dort stehen zwar bezeichnenderweise weniger seine Neigung zu Himmler und Hitler in der Kritik, sondern die Methoden, mit denen er in der Partei agierte, um das attraktive Mandat im Landtag zu bekommen. Aber der Protest ist massiv. Trotzdem decken Funktionäre im Landes- und Fraktionsvorstand der AfD Bayern bisher ihren jüngsten Mann im Landtag.
So viel Chuzpe war bisher selten in der westdeutschen AfD. Sie könnte der gesamten Partei extrem schaden – und einen Machtkampf zwischen Bundes- und Landesvorstand einläuten.
Hirn und Moral aus, rechter Daumen hoch
Grund für die Haltung der Bayern-Spitzen sind nicht zuletzt Netzwerke in der AfD, die einander stützen und in Mandate wie Ämter verhelfen – völlig unabhängig von Können oder politischem Einfallsreichtum. Sie sind selbst für langjährige Parteimitglieder schwer zu durchschauen, die Loyalitäten können wechseln, gekämpft wird oft mit dreckigen Methoden. Die AfD ist durchzogen von diesen Beutegemeinschaften, die im Schatten wandeln und deren oberstes Ziel das Erlangen von Einfluss und Posten ist.
Meister in diesem Spiel sind die Anhänger des rechtsextremen Flügels in der Partei. Weil sie keine Skrupel kennen und von ihresgleichen unbedingte Loyalität einfordern. "Korpsgeist" nennen das manche in der AfD, andere sprechen von einer "Sekte". Dabei ist es vor allem eines: Kadavergehorsam. Hirn und Moral aus, rechter Daumen hoch. Die Flügel-Anhänger spucken häufig genug nicht nur auf die Regeln des Rechtsstaats, sondern gerne auch auf die der eigenen Partei.
Von einem solchen Netzwerk wurde Halemba auf seinem Weg in den Landtag gefördert, von ihm wird er geschützt. Es sind junge Burschenschafter und Mitglieder der "Jungen Alternative" ebenso darunter wie langjährige Landtagsabgeordnete und Funktionäre.
Erstere halfen Halemba dabei, mit dubiosen Methoden und gegen die Regeln der Partei eine Kandidatur für den Landtag zu erlangen. Letztere deckten diese Verstöße und unterstützten ihn, als Zweifel an der Rechtmäßigkeit seiner Kandidatur aufkamen: Sie ignorierten Protestschreiben von der Basis. Sie bügelten Anträge auf Parteiausschluss gegen ihn im Landesverband ab – peitschten solche Verfahren gegen Halembas Kritiker aber im Schnellverfahren durch. Nur so konnte der Marsch des noch so jungen Burschen in den Landtag gelingen.
Nicht alle in der AfD ticken so, vor allem nicht an der Basis. Diese Menschen aber werden zunehmend überrollt von Schattenmännern wie Halemba & Co. Zu gut organisiert sind die Rechtsextremisten.
Jedes Mandat bedeutet Ressourcen für anstehende Schlachten
Dieses Problem hat die Partei nicht nur in Bayern, sondern bundesweit. Eine Zäsur bedeutete noch einmal der Parteitag in Magdeburg im Sommer, bei dem so viele aussichtsreiche Listenplätze für die Europawahl wie nie an Vertreter des rechtsextremen Flügels gingen, die ihre Gesinnung offen zeigen. Vorausgegangen waren Absprachen zwischen mehreren Netzwerken.
Manch ein AfDler im Saal beobachtete die Wahlen mit Unbehagen. Denn jedes Mandat, das so errungen wird, bedeutet Geld für Personal, Material, Büros für die Netzwerke, die hinter den Kandidaten stehen. Wertvolle Ressourcen im Kampf um die Macht innerhalb der AfD, Kanonenfutter für anstehende Schlachten. "Die werden uns die Verbände umkrempeln", stöhnten eher nationalliberale Parteimitglieder bei diesen Aussichten.
Selbstbewusst stolzieren Männer wie der EU-Spitzenkandidat Maximilian Krah seither durch die Welt und setzen in Interviews und den sozialen Medien das Signal: Das ist jetzt unsere Partei. Und bald schon ist das unser Deutschland.
Machtprobe am Donnerstag
Mit demselben Selbstbewusstsein agiert nun die AfD Bayern. Für den Bundesvorstand ist das inzwischen ein veritables Problem. Zu öffentlich sind die Verstöße gegen die Parteiregeln geworden. Sie jetzt ungeahndet zu lassen, würde bedeuten, den Raubrittern die Partei offiziell zum Fraß vorzuwerfen. Das könnte spätestens im nächsten Jahr, wenn Vorstandswahlen anstehen, auch Folgen für die Bundesspitze selbst haben.
Es ist deshalb nur folgerichtig, wenn der Bundesvorstand jetzt vom Landesvorstand Bayern fordert, Halemba aus der Partei zu werfen und ihm sofort die Mitgliedsrechte zu entziehen. Damit bestätigt er recht deutlich auch: Der Landesvorstand Bayern hat Halemba seit Monaten geschützt, auch er hat auf unsere Satzung gepfiffen.
Ob jene, die Halemba ins Mandat verhalfen, sich nun unterordnen, ist bei Weitem nicht ausgemacht. Der Protest gegen die Entscheidung der Bundesspitze im Flügel-Lager ist laut. Am Donnerstagabend steht die Machtprobe an, dann will der Landesvorstand Bayern sich entscheiden. Schon jetzt aber ist klar: Halemba wäre ein Bauernopfer. Jene, die ihn schützten und ungestört gewähren ließen, tastet der Bundesvorstand nicht an.
Scheitert die Bundesspitze selbst daran, gegen Halemba vorzugehen, wäre es der Offenbarungseid: Die rechtsextremen Raubritter haben die Kontrolle in der AfD.
- Eigene Recherchen und Beobachtungen