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Fridays for Future am Kipppunkt – Heftige Antisemitismus-Vorwürfe


Meinung
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Antisemitismus bei Fridays for Future
Der Kipppunkt der Klimabewegung


Aktualisiert am 27.10.2023Lesedauer: 5 Min.
Eine brennende Israelfahne in den Straßen von Beirut (Libanon): Islamisten im Nahen Osten sind durch den Antisemitismus geeint.Vergrößern des Bildes
Antisemitismus hat viele Gesichter. Versteckt sich eines hinter der Klimaschutzbewegung? (Quelle: Daniel Carde/imago-images-bilder)
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Ein Instagram-Beitrag von Fridays for Future erntet einen Sturm der Entrüstung. Die internationale Dachorganisation der Klimaschützer wirft Israel "Genozid an den Palästinensern" vor.

Man weiß tatsächlich gar nicht, wo man anfangen soll. Deshalb an dieser Stelle zunächst einige übersetzte Zitate aus dem corpus propagandisti – in ungeordneter Reihenfolge. Auch im englischen Original wirken sie nicht sehr sortiert. Vorsichtig formuliert.

  • Die israelische Regierung habe ein "System der Apartheid" gegen die Palästinenser errichtet.
  • Der Staat Israel gründe sich auf Siedlungs-Kolonialismus und den Raub palästinensischen Hoheitsgebietes.
  • Es gebe keine "zwei Seiten" im Nahostkonflikt, sondern "einen Unterdrücker und einen Unterdrückten".
  • Die "westlichen Medien" – die selbstverständlich unter der Kontrolle "imperialistischer Regierungen" stünden – würden die Weltöffentlichkeit einer "Gehirnwäsche" unterziehen, damit sie sich an die Seite Israels stellt.
  • Und schließlich: Im Nahen Osten finde kein "Konflikt" statt, sondern ein "Genozid". An den Palästinensern.

Das muss man tatsächlich einen Moment sacken lassen. Geschichtsklitterung. Relativismus. Die gute alte "Lügenpresse". Verschwörungstheorie. Und vor allem: Antisemitismus. Bizarre Absurditäten in einer Dichte, die man eher bei "Querdenkern", QAnon-Anhängern, Russia Today oder dem "Flügel" der AfD vermutet hätte. Freunde der Hufeisen-Theorie werden einen Heidenspaß an diesem Internet-Auftritt haben.

Nun wissen wir alle, dass Social-Media-Präsenzen von Organisationen wie Fridays for Future nicht immer von den größten Denkern gepflegt werden. Fast möchte man hoffen, dass es sich hier um ein Versehen eines Praktikanten handelt oder – mit viel gutem Willen – um den Übereifer eines Account-Managers. Aber es spricht viel dafür, dass mehr hinter diesem Ausbruch steckt. Die schiere Masse an Gruseligkeiten legt nahe, dass hier ein in sich sehr geschlossenes Bild vom Nahostkonflikt vorliegt.

  • Wer würde "zufällig" auf die Idee kommen, die Politik Israels mit der Apartheid in Südafrika gleichzusetzen, die nichts anderes war als eine frühe Version dessen, was wir heute White Supremacy (Weißes Überlegenheitsgefühl) nennen?
  • Wer würde den Juden "gedankenlos" absprechen, dass ihre Wurzeln historisch ebenso im Nahen Osten liegen wie die der Palästinenser?
  • Wer könnte "versehentlich" die komplizierten Beziehungen und Wechselwirkungen rund um Tempelberg und Al-Aksa-Moschee auf das Modell "Unterdrücker und Unterdrückte" herunterbrechen?
  • Wer würde "ohne Absicht" die Verschwörungstheorie befeuern, "die Medien" würden von einer geheimen Macht im Hintergrund gesteuert versuchen, die ganze Welt mit gezielten Lügen einer Gehirnwäsche zu unterziehen? Und dann noch in einem jüdischen Kontext?
  • Und wer – um alles in der Welt und bei klarem Verstand – würde den Nachkommen der Shoah den wirklich zutiefst antisemitischen Vorwurf machen, sie planten vorsätzlich und aus rassistischen Motiven, ein anderes Volk zu vernichten? Denn exakt das ist ein Genozid. Der Holocaust war einer – den man hier auch noch en passant relativiert.
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All das ist wenigstens intellektueller Quatsch, mindestens eine moralische Bankrotterklärung und zweifellos eine Ungeheuerlichkeit. In Deutschland sowieso, aber auch darüber hinaus. Und es passt doch ins Bild der Klimabewegung. Erst Mitte Oktober hatte eine 22-jährige Aktivistin von Fridays for Future eine "Pogromstimmung" gegen Palästinenser beklagt, geschürt von Josef Schuster, dem Vorsitzenden des Zentralrates der Juden in Deutschland.

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Kaum eine Woche ist es her, dass mit Greta Thunberg das Aushängeschild der Bewegung für Empörung sorgte, als sie sich dafür aussprach, den Klimastreik zumindest an einem Freitag in eine Solidaritätsgeste für die Palästinenser umzuwidmen – ohne die Opfer des Hamas-Massakers auch nur mit einer Silbe zu erwähnen.

Die "Jüdische Allgemeine" deckte im August die Identität eines Klimaaktivisten aus Rheinland-Pfalz auf, der sich innerhalb der internationalen Dachorganisation von Fridays for Future immer wieder dafür starkmachen soll, sich in den sozialen Netzwerken israelkritisch zum Nahostkonflikt zu positionieren. Sein Name laut der Recherche der Zeitung: Hasan O.

Und schließlich: Roger Hallam, Mastermind von "Extinction Rebellion", der Schwesterorganisation von Fridays for Future, vergleicht seit Jahren immer wieder den Klimawandel mit dem Holocaust. Zwischenzeitlich hatte er sich halbherzig entschuldigt – derzeit aber macht er vor allem dadurch von sich reden, dass er aus Großbritannien die eher pro-palästinensisch eingestellte Opposition in Israel unterstützt.

Der linksalternativen Szene sind solche Aussagen nicht fremd, die manche als antiisraelisch, andere durchaus auch als antisemitisch empfinden. Wenn in Berlin-Neukölln Demonstranten – nicht zu Unrecht – auf das Leid der Zivilbevölkerung im Gazastreifen aufmerksam machen, dann mischen sich in ihre Sprechchöre nicht selten Slogans wie "From the river to the sea". Mit diesem Schlachtruf machen palästinensische Nationalisten deutlich, wie weit Palästina in ihren Augen reicht: Vom Fluss Jordan bis zum Mittelmeer. Dass in diesem Bild kein Platz mehr für Israel ist, scheint auch manchen Linken nicht zu stören, wenn er auf denselben Demos lauthals mit einstimmt.

Immerhin: Die deutsche Sektion von Fridays for Future bemüht sich augenscheinlich nach Kräften um Distanzierung. Luisa Neubauer, ihre Stimme und ihr Gesicht, hat sich mehrmals und klar zum Terror der Hamas und gegen die Dachorganisation der Klimaschutzbewegung positioniert. Sie verurteilt die Barbarei, mit denen die Hamas Israel überzogen hat. Sie nahm auch an der großen Solidaritätskundgebung für Israel in Berlin am Brandenburger Tor teil.

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Und das ist auch gut und richtig. Der Krieg in der Ukraine, die blutigen Tage und Wochen im Nahen Osten, wirtschaftliche Sorgen und die notwendige Migrationsdebatte haben die Diskussion um mehr Klimaschutz in den Hintergrund gedrängt. Es ist kaum zu erwarten, dass sie von selbst wieder ins Blickfeld rückt. Es braucht dafür vernünftige Stimmen für mehr Klimaschutz, die sich nicht selbst ins Abseits stellen, indem sie in Bezug auf Israel wirre Gedanken absondern oder sich nicht klar gegen Antisemitismus aussprechen. Im Idealfall würden sich alle Klimaschutzbewegungen erst einmal auf ihr eigentliches Thema konzentrieren: Wie bewahren wir den Planeten vor uns selbst?

Im Schützengraben der Verblendeten?

An diesem Punkt stehen Fridays vor Future, ihre internationale Dachgesellschaft und andere Klimaschutzorganisationen heute. Besinnen sie sich zurück auf ihre eigentliche Zielsetzung, ihre eigentliche Expertise? Oder stürzen sie weiter ab? In den Schützengraben der Verblendeten, im Widerspruch zum Existenzrecht Israels und damit deutscher Staatsräson? Auf einem Niveau mit "Querdenkern", mit Putinisten, mit Trumpianern, mit Radikalen, mit Verschwörungstheoretikern und anderen Wirrköpfen?

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Natürlich deckt die Meinungsfreiheit viele Sichtweisen auf den Nahostkonflikt. Eine pluralistische Gesellschaft muss vieles aushalten, und manche Fragen in Bezug auf Israels Siedlungspolitik oder im Zusammenhang mit der humanitären Lage im Gazastreifen müssen gestellt werden dürfen. Aber alles zu seiner Zeit, im angemessenen Ton und im Einklang mit der deutschen historischen Verantwortung.

Wer die Gesellschaft ändern will, tut das am besten aus ihrer Mitte, nicht von ihrem Rand. Für Fridays for Future wird es eine Grundsatzentscheidung. Sie ist ein echter Kipppunkt, ähnlich den Kipppunkten, vor denen die Klimaschutz-Aktivisten sonst so eindringlich warnen. Ist er überschritten, sind die Folgen unabsehbar und unaufhaltsam. Nur diesmal für sie selbst.

Verwendete Quellen
  • Instagram-Story von "Fridays for Future"
  • Tweets von Luisa Neubauer und Shahak Shapira
  • Artikel der "Jüdischen Allgemeinen" vom 26. Oktober 2023.
  • Eigene Recherche
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