Mitten in Parteikrise Linken-Fraktionschef Bartsch gibt Amt ab
Ein weiterer prominenter Linken-Politiker tritt den Rückzug an: Mitten in der Krise der Partei hat Dietmar Bartsch verkündigt, nicht mehr bei der Vorstandswahl anzutreten.
Linksfraktionschef Dietmar Bartsch gibt sein Amt ab. Er werde bei der Vorstandswahl am 4. September nicht erneut kandidieren, erklärte Bartsch am Mittwoch in einem Schreiben an die Bundestagsfraktion, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Den Entschluss habe er vor langer Zeit gefasst, betonte Bartsch. Vor einigen Tagen hatte bereits seine Co-Vorsitzende Amira Mohamed Ali ihren Rückzug angekündigt. Hintergrund ist der Richtungsstreit über die Abgeordnete Sahra Wagenknecht.
Wagenknecht trägt die politische Linie der Bundesvorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan nicht mit und will bis zum Jahresende entscheiden, ob sie eine eigene Partei gründet. Falls es dazu kommt, droht der Linken und ihrer Bundestagsfraktion die Spaltung. Es wird erwartet, dass dann mehrere der 39 Abgeordneten die Linke zusammen mit Wagenknecht verlassen würden. Mit weniger als 37 Mandaten würde der Fraktionsstatus verloren gehen und damit Geld, Posten und Einfluss der kleinen Oppositionspartei.
Bartsch ist seit 2015 Co-Vorsitzender
Bartsch begründete seinen geplanten Rückzug jedoch nicht mit der aktuellen Krise, sondern schrieb an die Abgeordneten: "Meine Entscheidung, den Fraktionsvorsitz nach acht Jahren abzugeben, in denen ich die Fraktion zunächst mit Sahra Wagenknecht, dann mit Amira Mohamed Ali geleitet habe, ist lange vor der letzten Bundestagswahl gefallen. Meine Familie und engste politische Freunde kannten diese Entscheidung. Ja, viele haben mich in den vergangenen Tagen und Wochen heftig gedrängt, in dieser für die Partei nicht leichten Situation, noch einmal zu kandidieren. Letztlich bin ich bei meiner Entscheidung geblieben."
Bartsch ist seit 2015 Co-Vorsitzender der Linken-Bundestagsfraktion. Mohamed Ali hatte ihren Rückzug mit Protest gegen den Umgang der Parteispitze mit Wagenknecht begründet. Bartsch hatte seine Zukunft daraufhin zunächst offengelassen. Nun hat auch er sich festgelegt. Wer den beiden nachfolgen könnte, ist ungewiss.
Mit Bartsch zieht sich einer der prominentesten Linken aus der ersten Reihe zurück. Der 65-Jährige stammt aus Mecklenburg-Vorpommern und bekleidet seit Jahrzehnten hohe Parteiämter. Lange war er Bundesgeschäftsführer der Vorgängerpartei PDS und der 2007 neu gegründeten Linken. 2009 managte er den Bundestagswahlkampf. 2012 kandidierte er als Parteichef, verfehlte aber die nötige Mehrheit. 2017 war Bartsch neben Wagenknecht Spitzenkandidat zur Bundestagswahl, 2021 trat er mit Parteichefin Wissler an.
Appell an Partei
In seinem Schreiben an die Abgeordneten appellierte er an seine Partei: "Viele schwadronieren aktuell wieder über das Ende der Linken. Sie werden sich ein weiteres Mal irren, wenn die Werte, um die wir in der Gesellschaft kämpfen wie Menschlichkeit, Solidarität, Herzlichkeit und viel Lächeln, wieder unser Handeln bestimmen und wir zugleich aus der Geschichte linker Parteien die notwendigen Schlussfolgerungen ziehen."
Bartsch hat immer wieder vor den Gefahren einer Spaltung der Linken gewarnt und Wagenknechts Liebäugeln mit einer Parteigründung kritisiert. Als Wissler und Schirdewan sich im Juni gemeinsam mit dem übrigen Parteivorstand von Wagenknecht lossagten, ließ er Unterstützung für die Parteispitze erkennen.
Insgesamt dreht sich der Streit in der Linken nicht nur um die Person Wagenknecht, sondern um die Frage, was moderne "linke" Politik ist. Die Parteispitze umwirbt die Klimabewegung und will radikalen Klimaschutz verbunden mit sozialem Ausgleich. Wagenknecht und ihre Unterstützer warnen vor zu großen Belastungen durch den Schutz des Klimas. Sie wollen Migration begrenzen und trotz des Ukraine-Krieges weiter billige Energieimporte aus Russland.
Auf dem jüngsten Bundesparteitag der Linken 2022 konnten Wagenknechts Anhänger sich nicht durchsetzen. Wissler und Schirdewan sicherten sich hingegen die Unterstützung einer Mehrheit der Delegierten.
- Nachrichtenagentur dpa