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Heizungsgesetz gestoppt: Völlig verkorkst


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Heizungsgesetz gestoppt
Die Kernschmelze


Aktualisiert am 06.07.2023Lesedauer: 5 Min.
Robert Habeck, Bundeswirtschaftsminister: Monatelang war um den Entwurf des Grünen-Politikers gerungen worden.Vergrößern des Bildes
Robert Habeck: Es wird doch nichts mit dem Heizungsgesetz vor der Sommerpause. (Quelle: ANNEGRET HILSE/reuters)
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Das Bundesverfassungsgericht stoppt die Abstimmung über das Heizungsgesetz. Für die Ampel ist das ein riesiger Rückschlag – der den Konflikt neu anfachen könnte.

Am Mittwochabend wirkt es kurz, als gäbe es nur einen glücklichen Menschen in Berlin: Frank Schäffler, "Heizungsrebell" der FDP. Der 54-Jährige hatte den Widerstand bei den Liberalen gegen das Heizungsgesetz angeführt, das nun vorerst vom Bundesverfassungsgericht gestoppt wurde.

Schäffler ist unterwegs, er klingt vergnügt am Telefon, als er darüber spricht, wie er eine Stunde zuvor die Nachricht aus Karlsruhe gelesen hat: "Ich habe mich gefreut. Sehr gefreut sogar!" Im Hintergrund rauscht die Bahn, Schäffler ist kaum zu bremsen.

Video | Heilmann: "Habe der Ampel einen Gefallen getan"
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Quelle: reuters

Auf Twitter hat er gerade geschrieben, es sei "ein Fehler" gewesen, "den Grünen auf den Leim zu gehen". Was meint er damit? Schäffler redet gegen den Bahnlärm an: "Dass wir diesen Kompromiss eingegangen sind, vor der Sommerpause. Die Grünen haben der parlamentarischen Demokratie einen Bärendienst erwiesen." Aber die FDP hat doch dem Kompromiss auch zugestimmt? "Ja, wir haben inhaltlich zugestimmt. Aber um den Preis, das vor der Sommerpause noch abzuschließen. Das war falsch." Kurz darauf geht die Grünen-Abgeordnete Lisa Badum Schäffler auf Twitter an: "Sie sind einfach nur peinlich!"

Dann wird klar: Schäffler ist gar nicht der einzige glückliche Mensch in Berlin. Viele in der FDP sehen sich bestätigt, sie sind froh über den vorläufigen Stopp des Gesetzes. Die Grünen dagegen müssen fürchten, dass ihr Gesetz, das ihnen so viel Ärger eingebracht hat, im schlimmsten Fall komplett scheitert.

Es ist ein chaotischer Mittwochabend in Berlin. Und die passende Pointe für die verkorkste Debatte um das Heizungsgesetz. Was aber für die Koalition noch schwerer wiegt: Es ist ein weiterer Mosaikstein im immer klareren Bild einer Pleiten-, Pech- und Pannen-Regierung.

Die FDP versuchte, Kapital aus dem Streit zu schlagen

Das Heizungsgesetz ist ein gigantisches Vorhaben: Spätestens bis 2045 müssen fossile Heizungen aus den Kellern verschwunden sein. Je schneller, desto besser, damit Deutschland seine ehrgeizigen Klimaziele erreicht. Klimaschutz wird damit sehr konkret, es geht nicht mehr darum, was man machen könnte, sollte oder müsste, sondern darum, was man tun muss.

Da ist es zunächst kein Wunder, dass sich die Ampel seit bereits mehr als vier Monaten mit dem Gesetz beschäftigt. Aus einem sehr strengen Entwurf mit harten Vorgaben, den Robert Habeck im Frühjahr vorlegte, ist bis zum Sommer längst einer geworden, bei dem der Wirtschaftsminister Mühe hat, ihn noch als großen Erfolg zu verkaufen.

Dass es sich längst um ein Heizungsgesetz light handelt, liegt vor allem an der FDP, die früh ein Thema für sich entdeckt hatte, mit dem sie bei all den verunsicherten Menschen punkten wollte. Und dafür dem eigenen Koalitionspartner sogar eine "Verschrottungsorgie" vorwarf.

Der endlose interne Streit in der Koalition schaffte jedoch erst den Zeitdruck, den das Verfassungsgericht nun beklagt. Noch Ende Mai verhinderte die FDP, dass das Gesetz überhaupt im Bundestag beraten werden konnte. Dabei hatte die Bundesregierung längst einen entschlackten Entwurf im Kabinett beschlossen, gemeinsam mit den Liberalen.

Nach weiteren Wochen des Streits stand die finale Einigung am Dienstag der vergangenen Woche. Der endgültige Gesetzestext folgte am Freitag. Ein Wochenende hatten die Abgeordneten also Zeit, sich die Änderungen anzuschauen, bis an diesem Montag im Bundestag Experten angehört wurden und der zuständige Ausschuss den Gesetzestext dann beschlossen hat.

Der CDU-Abgeordnete Thomas Heilmann klagte daraufhin in Karlsruhe, ihm war das zu knapp. Der Gedanke: Ein so komplexes Vorhaben mit so weitreichenden Änderungen kann man nicht in wenigen Tagen abnicken.

Und das Bundesverfassungsgericht hielt die Argumentation erst einmal für plausibel. Es stoppte die für diesen Freitag geplante zweite und dritte Lesung im Bundestag im Eilverfahren. "Den Abgeordneten steht nicht nur das Recht zu, im Deutschen Bundestag abzustimmen, sondern auch das Recht zu beraten", heißt es in der Begründung.

Grünen-Politikerin Dröge: "Respekt vor der Entscheidung"

Für die Ampel ist es ein bitteres Urteil. Und eines, das für viele Politiker überraschend kam. Bei den Grünen war in den vergangenen Wochen stets argumentiert worden, dass Gesetze schon in wesentlich kürzerer Frist verabschiedet worden seien. Was stimmt. Außerdem sei das Vorhaben insgesamt nun wahrlich lang und breit diskutiert worden. Auch nicht falsch.

Entsprechend knapp fällt die offizielle Reaktion der grünen Fraktionschefin Katharina Dröge kurz nach der Urteilsverkündung auf Twitter aus. "Wir haben Respekt vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts." Der Beschluss werde in dieser Woche nicht stattfinden, man werde aber "schnell in der Ampel über den neuen Termin zur abschließenden Beratung entscheiden".

Bei FDP-Fraktionschef Christian Dürr klingt das am Donnerstag allerdings anders. Er respektiert zwar auch die Entscheidung aus Karlsruhe, aber von einer schnellen Abstimmung über den neuen Termin spricht er nicht. Stattdessen freut er sich über den liberalen Erfolg beim Heizungsgesetz – und die Niederlage der Grünen. Die Entscheidung unterstreiche, "dass das Gebäudeenergiegesetz vom Kopf auf die Füße gestellt wurde".

Nicht einmal in der Krisenkommunikation findet die Ampel dieser Tage noch zusammen.

"Politischer Schachzug"

Das liegt auch daran, dass die FDP in der Debatte polit-strategisch ganz andere Interessen hat als SPD und Grüne. Die Liberalen glauben, von ihrer harten Haltung im Heizungsstreit profitiert zu haben. So ist ihnen nach einer Reihe von Wahlschlappen etwa der Einzug in die Bremer Bürgerschaft gelungen. Das Verfassungsgericht hat den Liberalen nun eine Möglichkeit gegeben, ihre Lage weiter auszukosten.

Bei der SPD und den Grünen sieht das ganz anders aus. Sie haben stets gefürchtet, dass sich der Streit in den Herbst ziehen und die Landtagswahlen Anfang Oktober in Hessen und Bayern überschatten könnte.

Bei den Grünen argumentieren einige nun zwar, dass die Einigung in der Ampel ja stehe, der Ausschuss das Gesetz sogar schon beschlossen habe. Es gehe also "nur" noch um die offizielle Verabschiedung im Plenum. Grünen-Fachpolitiker Kassem Taher Saleh betont außerdem, das Urteil habe "nichts mit dem Gesetzesinhalt zu tun". Es beziehe sich "rein aufs Verfahren".

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Doch wegen der ersten, scharfen Äußerungen der FDP ist trotzdem nicht ausgeschlossen, dass der Streit um die Heizungen in der Ampel noch mal aufbricht. Mindestens die Union wird das Scheitern nun auskosten.

Dem sind sie sich in der Ampel bewusst – und machen der Opposition Vorwürfe. "Auch in vorherigen Legislaturperioden mit der Union an der Regierungsspitze gab es diese schnellen Gesetzesverfahren zur Genüge, ich deute die Klage vom Abgeordneten Heilmann deshalb als politischen Schachzug", sagte Grünen-Politiker Taher Saleh t-online.

Sondersitzung oder nicht?

Doch nun, da sich die erste Aufregung etwas gelegt hat, stellt sich die Frage: Wie soll es jetzt weitergehen? Bereits in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag telefonierten die Koalitionäre miteinander. Für sie geht es jetzt nicht nur darum, sich möglichst elegant aus der misslichen Lage zu befreien. Sondern auch darum, dass nun rechtlich nichts mehr schiefgeht.

Die Koalition könnte das Gesetz nun schnell während der Sommerpause in einer Sondersitzung des Bundestages verabschieden. Dann wäre zumindest Ruhe. Weil das Bundesverfassungsgericht vorgibt, dass die Abgeordneten mindestens 14 Tage Zeit haben müssen, um über das Gesetz zu befinden, wäre eine Sitzung wohl frühestens übernächste Woche möglich. Und: Der Bundesrat könnte ohnehin erst nach der Sommerpause zustimmen.

Wird das Gesetz auch im Bundestag erst regulär im September beraten, wäre das unmittelbar vor den Landtagswahlen in Bayern und Hessen. Und es wäre absehbar, dass sich die unangenehme Debatte über den Sommer ziehen würde.

Deshalb bricht jetzt, zwölf Stunden nach der Entscheidung, schon der Streit darüber aus, wie es weitergehen soll. Der Grünen-Politiker Kassem Taher Saleh sagt, er "befürworte" die "Idee einer Sondersitzung" – damit Industrie, Handwerk und Gesellschaft Planungssicherheit hätten.

Frank Schäffler, der Mann, der sich am Mittwochabend über die Entscheidung freute, hält dagegen: "Es darf nun nicht im Rahmen einer Sondersitzung weiterverhandelt werden. Sondern ganz regulär nach der Sommerpause." Langweilig dürfte es nicht werden.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen und Gespräche
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