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Faeser ringt um EU-Asylreform | Grüne fordern "Führungsrolle" Deutschlands


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Migrationspolitik in der EU
"Alle sind so weit, nur Deutschland nicht"


Aktualisiert am 24.03.2023Lesedauer: 3 Min.
Nanca Faeser, Bundesinnenministerin: Die SPD-Politikerin berät sich mit den Innenministern anderer Länder.Vergrößern des Bildes
Nanca Faeser, Bundesinnenministerin: Die SPD-Politikerin berät sich mit den Innenministern anderer Länder. (Quelle: Political Moments/imago)
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So viele Flüchtlinge wie lange nicht mehr wollen nach Europa. Wie sie gerecht verteilt werden können, möchte Ministerin Faeser heute mit europäischen Kollegen besprechen. Doch schon im eigenen Land wird heftig um den richtigen Kurs gestritten.

Wie können die Migration in Europa besser gesteuert und Flüchtlinge gleichmäßiger verteilt werden? Über diese Frage streiten die EU-Länder seit Jahrzehnten erbittert. Aktuell hat das Thema neue Brisanz. Im vergangenen Jahr wurden knapp eine Million Asylanträge in den 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sowie der Schweiz und Norwegen gestellt – so viele wie zuletzt vor sieben Jahren. Hinzu kommt eine große Zahl von Geflüchteten aus der Ukraine. Allein in Deutschland waren das 2022 rund eine Million Menschen.

Die Herausforderungen sind für einige Länder derzeit noch größer als zur Flüchtlingskrise im Jahr 2015. Deswegen arbeitet die EU mit neuem Druck an einer Reform des sogenannten Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) trifft dazu an diesem Freitag ihre Amtskollegen aus Frankreich, Italien, Schweden, Spanien und Belgien.

Mit Schweden, Italien und Frankreich sitzen dabei drei Länder am Tisch, die ihre Linie zur illegalen Migration gerade verschärfen oder dies zumindest vorhaben. Beispiel Schweden: Dort will die Regierung mit einem "neuen Kurs der Strenge" die Zuwanderung von Flüchtlingen um 80 Prozent senken.

CDU-Politiker kritisiert Kanzler: "Das ist doppelzüngig"

Geht es nach Alexander Throm, dem innenpolitischen Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, sollte Deutschland sich daran ein Vorbild nehmen. Europa befinde sich in der schwersten Migrationskrise seit Jahren, sagte er t-online. "Alle EU-Staaten sind längst so weit, dass sie die irreguläre Migration steuern und begrenzen wollen, nur Deutschland nicht."

Er erwarte, dass Ministerin Faeser auf dem Treffen mit den EU-Innenministern "das Ruder umdrehen und ihren migrationspolitischen Sonderweg verlassen wird", so Throm weiter. Dazu gehöre ein besserer Schutz der EU-Außengrenze sowie die verstärkte Anwendung des Instruments der "sicheren Herkunftsländer" – etwa in Bezug auf die Maghreb-Staaten.

Als sichere Herkunftsländer gelten Staaten, in denen zum Beispiel keine Verfolgung und Drangsalierung von Oppositionellen und Minderheiten befürchtet werden muss. In diese Länder darf abgeschoben werden.

"In Brüssel stimmt der Bundeskanzler einer Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten zu, in Deutschland setzt die Ampel hiervon nichts um", kritisiert CDU-Politiker Throm. "Das ist doppelzüngig."

Grünen-Politiker fordert "Koalition des Zusammenhalts"

Ganz anders als Throm bewertet der Grünen-Europapolitiker Erik Marquardt die Lage. Er fordert von Faeser, sich bei dem Treffen am Freitag für eine "Koalition des Zusammenhalts" bei der Flüchtlingsaufnahme einzusetzen. "Es wird nichts bringen, das Asylrecht mit dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem zu verschärfen, wie es Länder wie Ungarn wollen", sagte Marquardt t-online. "Deutschland muss eine Führungsrolle einnehmen in einer ‘Koalition des Zusammenhalts' von Staaten, die Geflüchteten helfen wollen."

Abschreckung und Abschottung lösten das eigentliche Problem nicht, dass zu wenige EU-Staaten Geflüchtete aufnähmen und Länder wie Deutschland deshalb besonders herausgefordert seien, so Marquardt: "Denn die allermeisten Menschen haben ein Recht darauf, hier zu sein." Faeser sollte "dagegenhalten, wenn Rechtspopulisten in der Debatte Lügen erzählen und so wirkliche Lösungen verhindern".

Ein Problem ist allerdings auch die angespannte Lage in Deutschland, wo viele Kommunen an ihre Kapazitätsgrenzen geraten. "Wir müssen anerkennen, dass viele deutsche Kommunen schon überlastet sind und in einer Krise stecken", räumt Marquardt ein. Die Innenministerin müsse einen Plan vorlegen, wie die Menschen, die im Sommer absehbar nach Deutschland fliehen würden, untergebracht werden können.

Linken-Politikerin: "Lage an den Außengrenzen ist himmelschreiend"

Auch Clara Bünger, Migrationsexpertin der Linksfraktion im Bundestag, warnt vor einer Verschärfung in der Asylpolitik. "Die Lage des europäischen Asylsystems und insbesondere an den EU-Außengrenzen ist himmelschreiend", sagte sie t-online. "Schutzsuchende werden beim Versuch des Grenzübertritts zusammengeschlagen, willkürlich inhaftiert und ohne Prüfung ihrer Asylgründe in Drittstaaten zurückgeschickt." In einigen Mitgliedstaaten würden Asylsuchende während des Verfahrens mittlerweile standardmäßig inhaftiert.

Bünger findet: "Eine Neuausrichtung der EU-Asylpolitik wäre also dringend geboten." Ein zentraler Bezugspunkt dabei müssten die Menschenrechte und die Menschenwürde der Schutzsuchenden sein. Die Aufnahme der Geflüchteten aus der Ukraine habe gezeigt, dass eine solche Politik möglich sei. "Mit dem Asylpaket, das die Kommission 2020 vorgelegt hat, droht allerdings das genaue Gegenteil: ein weiterer massiver Abbau der Rechte von Geflüchteten, Schnellverfahren an der Grenze unter faktischen Haftbedingungen und eine weitere Auslagerung der Verantwortung für den Flüchtlingsschutz in Drittstaaten", kritisiert die Linken-Politikerin.

Die Ampelparteien hätten sich in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen, illegale Zurückweisungen und das Leid an den Außengrenzen zu beenden. "Wenn die Bundesregierung sich auch nur ansatzweise an diese Versprechen gebunden fühlt, muss sie sich auf EU-Ebene dafür einsetzen, dass die Vorschläge für die GEAS-Reform zurückgezogen und grundlegend überarbeitet werden", fordert Bünger.

Verwendete Quellen
  • Statements von Alexander Throm, Erik Marquardt und Clara Bünger
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