Koalitionskrach eskaliert Das gab's noch nie
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Eigentlich sind die Grünen längst zahm. Doch das miese Klima in der Ampel macht nicht nur Robert Habeck kirre. Es ist längst die Frage, ob diese Koalition überhaupt Sinn ergibt.
Johannes Bebermeier berichtet aus Weimar.
Robert Habeck fährt nicht oft aus der Haut. Am Dienstag war es gleich zweimal so weit. Erst bei der Fraktionsklausur der Grünen in Weimar. Und dann noch kurz vor Feierabend, als der Vizekanzler seine Koalitionspartner in einer Deutlichkeit attackierte, die es bisher selbst in der streitfreudigen Ampelkoalition so noch nicht gegeben hatte. Schon gar nicht bei den sonst stets bemüht-freundlichen Grünen.
In den ARD-"Tagesthemen" ging es gerade um das geplante Verbot neuer Öl- und Gasheizungen und die Fehler, die vielleicht auch Grüne bei dem Vorhaben gemacht haben könnten, als Habeck loslegte. Es sei ein Fehler gemacht worden, sagte Habeck, das ja. Aber nur, indem der unfertige Gesetzentwurf "bewusst geleakt worden" sei – "um dem Vertrauen in der Regierung zu schaden".
Die Gespräche seien "zerstört worden, wahrscheinlich mit Absicht zerstört worden, des billigen taktischen Vorteils wegen", schimpfte Habeck und hörte dann gar nicht mehr auf. "Das war schlecht. Das hat dem Vorhaben geschadet. Das hat der Debatte geschadet. Das hat dem Vertrauen in die Regierung geschadet."
Irgendwann, nachdem Habeck auch noch von "Anschwärzen" gesprochen und bezweifelt hatte, ob überhaupt eine Einigung zwischen den Koalitionspartnern gewünscht sei, schloss Habeck mit zwei Sätzen, die viel Raum für Interpretation lassen: "Eine Regierung, die das Vertrauen verliert, hat ihr größtes Pfund verloren." Und: "Wir haben einen Auftrag für die Menschen, für Deutschland, was zu leisten, und im Moment kommen wir dem nicht ausreichend genug nach."
Uff. Nur, was bedeutet das jetzt?
Klimaschutz als Kulturkampf
Gut jedenfalls läuft es ganz und gar nicht in der Ampelregierung, so viel ist klar. Schon in Weimar auf der Fraktionsklausur der Bundestagsfraktion wurde Habeck am Dienstagnachmittag ungewöhnlich deutlich.
Manchmal entstehe der Eindruck, es gehe nicht um Argumente, sagte er da etwa. Man versuche, "möglichst nicht zu diskutieren, uns mit Vorurteilen zu belegen, die Gesellschaft wieder zu spalten, Klimaschutz zu einem Kulturkampf zu machen". Das sei "eine gefährliche Rutschbahn nach unten".
Und er meinte damit eben nicht nur die Opposition, sondern die Ampelpartner. Es könne nicht sein, "dass in einer Fortschrittskoalition nur ein Koalitionspartner für den Fortschritt verantwortlich ist und die anderen für die Verhinderung von Fortschritt". Womit er die FDP angriff, den Lieblingsfeind der Grünen. Aber auch die SPD von Kanzler Olaf Scholz.
Es ist der Tenor, der sich in diesen Tagen bei der Fraktionsklausur in Weimar durch die meisten Gespräche mit Grünen-Politikern zieht. Sie haben keine Lust mehr, dass immer nur sie verantwortlich gemacht werden, wenn es mal schwierig wird. Und sie haben keine Lust mehr, immer und immer wieder über Dinge zu verhandeln, die die Ampelkoalition aus ihrer Sicht längst beschlossen hat. So wie bei den Heizungen, wo der Plan tatsächlich für 2025 im Koalitionsvertrag steht und ein Koalitionsausschuss vor einem Jahr das Datum auf 2024 vorgezogen hatte.
Besonders über die SPD ärgern sich die Grünen gerade. Oft bei verschiedenen Streitthemen mit ein und demselben Argument: Bei der FDP wisse man wenigstens, woran man sei, auch wenn man selbst meistens eine ganz andere Position habe. Bei der SPD und ihrem Kanzler sei aber oft nicht mal klar, was sie eigentlich wollten. Deshalb fordern die Grünen nun auch öffentlich von Scholz mehr Führung ein.
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Dass sich nun sogar zwei Ministerpräsidenten der SPD gegen das Heizungsgesetz stellen, obwohl die Pläne nicht nur von Robert Habeck ausgearbeitet wurden, sondern auch von Bauministerin Klara Geywitz (SPD), macht die Grünen dabei nur noch wütender. Und das lässt auch objektiv die Zweifel wachsen, ob Olaf Scholz selbst eigentlich hinter dem Projekt steht.
Eine neue Eskalationsstufe
Habecks Ausbruch sieht manch Grüner deshalb schlicht als neue Eskalationsstufe im festgefahrenen Konflikt um die Heizungen. Die Frage ist nur, ob der Wirtschaftsminister nun eine Eskalation herbeiführt, weil er nach all den Angriffen auf die Grünen jetzt einfach die Verantwortung auch öffentlich breiter verteilen will. Oder ob er das tut, weil er das Gesetz und die Wärmewende ernsthaft in Gefahr sieht.
Habeck selbst betont zwar immer die Kompromissbereitschaft der Grünen. Doch so richtig gut kann es in den Verhandlungen nicht laufen, sonst würde er mit seinen Angriffen ja riskieren, einen Kompromiss zu torpedieren.
Die entscheidende Frage der Förderung des Wärmepumpenkaufs, um soziale Härten abzufedern, ist jedenfalls offensichtlich noch nicht geklärt. Am Dienstag in Weimar überlegte Habeck selbst noch laut, ob man mit einem Prozentsatz vom Kaufpreis fördere oder nicht besser mit einem pauschalen Betrag. Und bat um "etwas Luft", um das in der Koalition zu klären.
So mancher bei den Grünen warnt SPD und FDP deshalb vorsorglich vor dem Scheitern. "Wenn wir die Wärmewende in dieser Legislaturperiode nicht entschlossen angehen, dann ist die Klimaneutralität 2045 nicht zu schaffen", sagte die Grünen-Vizefraktionsvorsitzende Julia Verlinden t-online. "Wer das Gesetz jetzt blockiert, muss das den Menschen dann auch so offen sagen."
Habeck selbst sagte in Weimar, ein Kabinettsbeschluss Ende März sei "erreichbar". Die Detailfragen seien "bei gutem Willen alle lösbar, innerhalb von Tagen". Später in den "Tagesthemen" beschwor er, in der Koalition müsse man sich wieder "auf uns selbst konzentrieren und uns noch mal klarmachen, welches Privileg es ist, in dieser Regierung zu sein".
Andere bei den Grünen haben weniger Geduld. Sie blicken nun auf diesen Sonntag, an dem der Koalitionsausschuss nicht nur die Heizungsfrage, sondern eigentlich noch viele andere Blockaden auflösen müsste. Der Sonntag, so sagt es einer, sei entscheidend dafür, ob diese Koalition Sinn ergebe oder nicht.
- Eigene Recherchen und Beobachtungen in Weimar