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"Markus Lanz" vom 13. Dezember – Klingbeil: Werden "Reichsbürger" verharmlost?


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Lanz-Talk zu "Reichsbürgern"
"Wo Angst ist, lässt sich richtig Asche machen"


Aktualisiert am 14.12.2022Lesedauer: 3 Min.
Tobias Ginsburg (Archivbild): Er tauchte einst für ein Buch monatelang in die Szene der "Reichsbürger" und "Querdenker" ein.Vergrößern des Bildes
Tobias Ginsburg (Archivbild): Er tauchte einst für ein Buch monatelang in die Szene der "Reichsbürger" und "Querdenker" ein. (Quelle: Eventpress MP/imago-images-bilder)

SPD-Chef Lars Klingbeil warnt davor, "Reichsbürger" als skurril zu verharmlosen. Autor Tobias Ginsburg beschreibt das Phänomen der rechtsextremen Verschwörungstheorie als lukratives Geschäft.

Die Skurrilität des Bösen war am Dienstag Thema bei "Markus Lanz". SPD-Chef Lars Klingbeil sah in den Umsturzplänen der selbst ernannten "Reichsbürger" zwar keine Gefahr für die deutsche Demokratie: "Unser System ist stabil." Er warnte aber eindringlich davor, die rechtsextremistischen Rädelsführer als komische Figuren zu verharmlosen. Deren Ideen seien in der Mitte der Gesellschaft angekommen: "Diese Gruppe hat ja auch einen parlamentarischen Arm mit der AfD. Man muss von Anfang an ein Stoppschild setzen und sagen: Bis hierhin und nicht weiter."

Die Gäste

  • Lars Klingbeil, SPD-Chef
  • Wolfgang Merkel, Demokratieforscher
  • Tobias Ginsburg, "Reichsbürger"-Experte
  • Helene Bubrowski, "Frankfurter Allgemeine Zeitung"

Der SPD-Chef verlangte eine lückenlose Aufklärung der Verschwörung. Der Staat habe in der Vergangenheit in dieser Hinsicht einiges nicht ernst genug genommen, räumte er mit Blick auf die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke durch einen Rechtsextremisten oder die Mordserie des NSU ein. Die Gefahr sei real, warnte Klingbeil.

"Lanz": Warnung vor "Reichsbürgern"

Hätte man vorab mit dem Mörder von Lübcke oder den NSU-Terroristen gesprochen, "hätten wir auch gesagt: Hihi, die sind aber skurril. Nicht auf die Oberfläche gucken", mahnte auch Autor Tobias Ginsburg, der einst für ein Buch monatelang in die Szene der "Reichsbürger" und "Querdenker" eingetaucht war – zwei Begriffe, die er vehement ablehnt, da sie von Rechtsextremisten geprägt worden seien.

Er beschrieb die Szene als extrem heterogen, von Altnazis über Esoteriker und Biker bis hin zu Möchtegern-Putschisten. Im Kern versammelten sich aber alle um die rechtsextreme Verschwörungstheorie, dass die BRD nicht "das wahre Deutschland" sei. Dieser fundamentale Zweifel am demokratischen Staat habe sich während der Pandemie rasend schnell verbreitet. "Corona war eine Explosion mit Ansage", sagte Ginsburg. Das Ganze sei mittlerweile ein lukratives Geschäft: "Wo Angst ist, lässt sich richtig Asche machen."

Demokratieforscher Wolfgang Merkel sieht in radikalen "Reichsbürgern" zwar ebenfalls potenzielle Attentäter. Er hielt die Idee eines Staatsstreichs bei "Markus Lanz" aber für "absurd": "Sie sind keine Bedrohung für unsere Demokratie. Das wäre ein Kleinreden der Qualität, der Stabilität unserer Demokratie." Der Direktor der Abteilung Demokratie und Demokratisierung am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung nahm beim Erstarken rechten Gedankenguts jedoch auch linksliberale Eliten in die Verantwortung.

Lanz kritisiert Razzia

Sie hätten mit passionierten "Feuilleton-Diskussionen" zum Beispiel übers Gendern einen großen Teil der Gesellschaft verprellt und politischen Raum für Extremisten frei gemacht, bilanzierte Merkel und nahm sich dabei selbst nicht aus. "Mit einer großen Arroganz haben wir diese Diskurse unter uns geführt und die 50 Prozent unter dieser Bildungsschicht hat das nicht interessiert."

"FAZ"-Parlamentskorrespondentin Helene Bubrowski sah es auf Nachfrage von Lanz als rechtsstaatlich tatsächlich problematisch an, dass Pressevertreter bei einigen Festnahmen der Großrazzia anwesend waren und Aufnahmen der Verdächtigen verbreitet wurden. So etwas bleibe für immer hängen, selbst wenn sich Vorwürfe vor Gericht nicht beweisen ließen, meinte die Juristin.

In einem anderen Punkt aber widersprach sie Lanz. Der erklärte das Erstarken rechtsextremer Ideen in der Mitte der Gesellschaft auch mit dem sozialen Abstieg breiter Bevölkerungsschichten. Für die habe sich das Aufstiegsversprechen des Kapitalismus, dass es den Kindern besser gehen werde als den Eltern, nicht erfüllt. Bubrowski sprach hier von einer falschen Erwartungshaltung. Das Aufstiegsversprechen bedeute ja nicht, dass sich bei jeder Generation der Wohlstand potenziere und dass der Staat versagt habe, wenn dies nicht eintreffe. Hier müssten Debatten über strukturelle Probleme ehrlicher geführt werden, forderte sie.

Wie eingangs angekündigt blieb Lanz am Ende dann doch nicht genug Zeit, um mit Klingbeil außerdem über die Zukunft der Renten zu sprechen. Der SPD-Chef wollte gern wiederkommen. "Dann vielleicht bereits als neuer Verteidigungsminister?", versuchte Lanz sein Glück. "Wir haben eine gute Verteidigungsministerin", lächelte Klingbeil.

Verwendete Quellen
  • zdf.de: "Markus Lanz" vom 13. Dezember 2022
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