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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Katar-Talk bei Lanz Habeck mit klarer Aussage zu "One Love"-Binde bei WM
Robert Habeck machte bei "Markus Lanz" ein deutliches Statement zur "One Love"-Binde. Bei den Geschäften mit WM-Gastgeber Katar musste er sich verteidigen.
Eindeutig in zwei Teile zerbrach die Talkshow "Markus Lanz" am Dienstagabend. In der ersten Hälfte besprach der Moderator mit zwei journalistischen Studiogästen alle Aufreger der Fußball-WM in Katar, besonders die vom Weltfußballverband verbotene "One Love"-Binde.
Was würde passieren, wenn Kapitän Manuel Neuer sie beim ersten deutschen Spiel heute Nachmittag doch trüge, war eines der Themen. Nach einer halben Stunde wurde dann der Vizekanzler aus Berlin zugeschaltet. "Jetzt muss man die Binde tragen", sagte Robert Habeck sogleich leicht verschmitzt. Er zumindest würde es darauf ankommen lassen. Das sei ja "keine elaborierte 'Last-Generation-Protestform', es ist eine Binde". Sie könnte aber zum "ikonischen" Sportlerprotest werden. Lanz stimmte gerne zu ("Es braucht ein bisschen mehr Anarchie manchmal"). Da schürten die beiden zumindest Spannung auf den Auftritt der deutschen Mannschaft.
Die Gäste:
- Robert Habeck, Bundeswirtschaftsminister (Grüne)
- Thomas Kistner, Journalist ("Süddeutsche Zeitung")
- Golineh Atai, ZDF-Journalistin
Kistner: Pressekonferenz war "Sprechdurchfall"
In der ersten Show-Hälfte hatte Lanz mit Sportjournalist Thomas Kistner von der "Süddeutschen Zeitung" und Golineh Atai, ZDF-Korrespondentin in Kairo, gesprochen. Kistner gab Fifa-Präsident Infantino Saures: Dessen lange, irritierende Pressekonferenz sei "Sprechdurchfall" gewesen, bei dem Infantino wahrscheinlich vom Friedensnobelpreis geträumt habe. Dem Fifa-Boss sitze "der Emir im Nacken". Allerdings interessiere den Schweizer auch gar nicht, "was in Europa abgeht", weil er ohnehin von Delegierten anderer Kontinente wiedergewählt werden wolle.
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Beim kurzfristigen Armbinden-Verbot habe die Fifa "wie immer aus dem Hinterhalt" und im Einvernehmen mit der katarischen Regierung agiert, glaubt Kistner.
Auch Atai vermutet, dass die Regierungen Katars und seiner Nachbarstaaten beim Verbot der Binde langfristig mitgeredet haben. In Saudi-Arabien und im Oman sei schon vor der WM sogar regenbogenfarbenes Kinderspielzeug verboten worden. Beide Länder hatte sie für ihre Reportage "Arabiens Traum von der Zukunft" bereist, die im ZDF unmittelbar vor der Talkshow lief.
Atai: Iranische Spieler werden als Regime-Mannschaft gesehen
Als gebürtige Teheranerin äußerte sich Atai außerdem zum international viel beachteten Schweigen der iranischen Fußballer, als vor deren erstem Spiel die Nationalhymne gespielt wurde. "Wir sehen das zu sehr durch unsere eigene Brille", meinte Atai: Das Nicht-Singen der Fußballer sei wegen des gleichzeitigen Armbinden-Streits vor allem im Westen als umso mutigere Geste interpretiert worden. Bei der iranischen Opposition, die seit Wochen unter Lebensgefahr gegen das mörderische Regime protestiert, würden die Fußballer dagegen eher als Mannschaft des Regimes, nicht als "Mannschaft der Herzen" gelten.
Habeck räumt Fehler bei Gaseinkäufen ein
Die zweite Hälfte der Show bildete ein Solo-Interview mit dem Wirtschaftsminister. Um Katar ging es dabei nur kurz. Ikonisch – genauer gesagt "ikonografisch" (wie Lanz es formulierte) – war schließlich auch das vom ZDF sogleich eingeblendete Bild von Habecks Verbeugung bei seinem Katar-Besuch im März. Wie es denn nun um die deutsche Gasversorgung stehe, lautete die Frage. Der Minister nutzte die Gelegenheit, um zu betonen, dass die Bundesregierung "ein paar Sachen politisch richtig" gemacht habe. Lanz erwiderte, die EU und Deutschland hätten ihren teuren Gaseinkauf, durch den derzeit alle Speicher gefüllt sind, "auf dem Rücken des Globalen Südens" ausgetragen. Stimmt, gestand Habeck, Deutschland habe dazu beigetragen, die Spekulationsblase auf dem Weltmarkt anzuheizen. Jetzt müsse es dafür sorgen, "die Preise wieder runterzubringen".
Es war ein sachliches und in für Talkshow-Verhältnisse langen Bögen verlaufendes Gespräch über wirtschaftspolitische Themen. Außerdem ging es um die deutsche Haltung zu China und einen drohenden, durch den US-amerikanischen Inflation Reduction Act möglichen "Handelskrieg" zwischen der EU und den USA. Wenn es der EU-Kommission nicht bald gelinge, diesen Streit beizulegen, müsse Europa "eine robuste Antwort geben", sagte Habeck. Entsprechende Strategien habe er in Frankreich, das er am Dienstag besuchte, weiter vorbereitet.
Ob ihn die inzwischen scharfe Kritik an ihm in vielen Medien nicht nerve, fragte Lanz den Minister, als die Sendung ihre Sendezeit schon überschritten hatte. Nein, antwortete der. Er sei "sehr eins mit meinem Job". Den Eindruck konnte Robert Habeck im ZDF ab Mitternacht mal wieder ausgeruht erwecken.
- zdf.de: "Markus Lanz" vom 22. November 2022