t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomePolitikDeutschlandInnenpolitik

Anne Will | SPD-Vize Kühnert kritisiert CDU-Vize wegen Pläne für Bürgergeld


Nachrichten
Wir sind t-online

Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.

Talk bei "Anne Will"
CDU-Vize verteidigt Bürgergeld-Widerstand

Von Daniele Raffaele Gambone

Aktualisiert am 14.11.2022Lesedauer: 4 Min.
Kevin Kühnert bei "Anne Will": Er stritt sich mit CDU-Vize Linnemann übers Bürgergeld.Vergrößern des Bildes
Kevin Kühnert bei "Anne Will": Er stritt sich mit CDU-Vize Linnemann übers Bürgergeld. (Quelle: IMAGO/Jürgen Heinrich)
News folgen

Überfällige Sozialreform oder falscher Anreiz? CDU-Vize Carsten Linnemann erklärt bei "Anne Will", warum die Union mit den Bürgergeld-Plänen der Regierung hadert.

Die Gäste:

  • Kevin Kühnert, SPD-Generalsekretär
  • Katja Kipping (Die Linke), Senatorin für Arbeit und Soziales in Berlin
  • Carsten Linnemann, stellvertretender CDU-Vorsitzender
  • Clemens Fuest, Präsident des Ifo-Instituts
  • Nele Thönnessen, Sozialarbeiterin

Auf dem von der Ampelkoalition geplanten Bürgergeld ruhen große gesellschaftliche und politische Hoffnungen. Während die Betroffenen einen dringend nötigen Inflationsausgleich erwarten, verspricht sich die SPD von der für Januar vorgesehenen Neuerung eine grundlegende Korrektur der Hartz-Gesetzgebung.

"Das Problem ist, dass die SPD die Agenda-2010-Reformen rückabwickeln will", warf CDU-Vize Carsten Linnemann in Anne Wills Talkshow zum Thema "Weniger Druck, mehr Geld – Ist das neue Bürgergeld gerecht?" den Sozialdemokraten vor. Diese wollten das in den Maßnahmen des damaligen SPD-Kanzlers Gerhard Schröder enthaltene Prinzip des Förderns und Forderns aufgeben und auf Sanktionsmöglichkeiten verzichten. "Das ist wie ein Fußballspiel ohne Gelbe und Rote Karten. Sie verlieren die Akzeptanz", bemängelte der Konservative am Sonntagabend in der ARD.

Im bisherigen Hartz-IV-System seien lediglich drei Prozent der Leistungsbezieher von Strafen wegen Versäumnissen oder Verweigerungen betroffen, hielt SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert Linnemann entgegen. "Sie sind dafür bereit, in Kauf zu nehmen, dass die anderen 97 von 100 Arbeitslosen als lustlose Trottel dargestellt werden, die sich nicht anstrengen wollen", lastete der SPD-Politiker seinem CDU-Mitdiskutanten an. Kühnerts Fazit: "Sie wollen einen billigen politischen Punkt machen."

Auch die Linken-Politikerin Katja Kipping hatte einiges an den Positionen Linnemanns auszusetzen. Dessen Partei strebe eine negative Dynamik an und stigmatisiere Betroffene samt ihrer Kinder. "Die Union klebt am Pappkameraden des angeblich faulen Erwerbslosen wie die Klima-Kleber am Asphalt. Und das ist verheerend", lautete Kippings Urteil.

Linken-Politikerin Kipping warnt SPD vor Zugeständnissen

Die Senatorin für Arbeit und Soziales des Landes Berlin warnte die SPD davor, Forderungen der CDU/CSU nach Änderungen an den Bürgergeld-Entwürfen zu weit entgegenzukommen. "Wir haben jetzt gesagt, es reicht uns zwar nicht, was die Ampel vorschlägt, aber wir wollen diese kleine Verbesserung nicht blockieren", schickte Kipping voran. Wenn die Union allerdings Schritte zur Entbürokratisierung und sozialen Sicherung entfernen ließe, würde sich die Linke im Bundesrat die Sache noch mal genau anschauen.

Das Problem der Bundesregierung: Ohne die Unterstützung der unionsgeführten Länder im Bundesrat kommt das Bürgergeld nicht zustande. Linnemann bekräftigte bei seinem TV-Auftritt noch einmal die Position seiner Partei, dass man die Zustimmung von Anpassungen abhängig mache. "Wir haben halt eine andere Geisteshaltung als Frau Kipping", gab der Vorsitzende der Programm- und Grundsatzkommission der CDU zu bedenken.

Der Union gehe es um Eigenverantwortung, ohne die die Zukunft nicht zu gewinnen sei. "Irgendwie entsteht da so eine Vollkasko-Mentalität", konstatierte der Christdemokrat mit Blick auf die Regierungspläne und einen Wandel der politischen Kultur. "Das Geld fällt nicht vom Himmel, und wir müssen das selbst erarbeiten. Und darauf setzen wir, und wenn da die Ampel bereit zu ist, machen wir mit", fasste Linnemann den CDU-Standpunkt zusammen.

Dass es sich bei der Ausgangslage um eine "Art von Zwickmühle" handle, wie Moderatorin Anne Will es nannte, wollte SPD-Vertreter Kühnert trotz allem nicht gelten lassen. "Das ist Demokratie", schlug er stattdessen als Interpretation vor.

Spitzenökonom versucht Vermittlung

Eine eher untypische Mittlerrolle nahm Clemens Fuest in der Talkrunde ein. Der Ifo-Chef bedauerte, dass die Debatte so polarisiert sei. "Die Bürgergeld-Reform hat ein paar vernünftige Dinge und sie hat auch ein paar schlechte Dinge", erklärte der Wirtschaftsforscher. Den größten Mangel erkannte Fuest darin, dass man bei den Zuverdienstmöglichkeiten das Kernproblem des alten Systems nicht gelöst habe. "Die Anrechnungsregeln sind so, dass man im Grunde starke Anreize hat, wenig zu arbeiten", konkretisierte der Ökonom seine Kritik und sprach von einer "Niedrigeinkommensfalle".

Fuest riet dazu, verschiedene Strategien auszuprobieren und Vertrauen in die Beschäftigten der Jobcenter zu haben. "Es ist problematisch, die Sanktionen zurückzunehmen", sagte er, betonte aber gleichzeitig, dass es nicht sinnvoll sei, Erwerbslose zur Aufnahme der erstbesten Arbeit zu drängen. Generell müssten die Maßnahmen darauf abgeklopft werden, ob sie nachhaltigerer Beschäftigung im Wege stünden, so Fuest, dem offenkundig daran gelegen war, einer möglichen Verschärfung des Arbeitskräftemangels entgegenzuwirken.

Wie wichtig es für die Betroffenen ist, dass ein Kompromiss zwischen den Parteien gefunden wird, ging aus den Worten der Sozialarbeiterin Nele Thönnessen hervor. Die Mitarbeiterin des evangelischen Hilfswerks Arche, das sich für sozial benachteiligte Kinder einsetzt, betonte: "Die Menschen haben jetzt schon ein Problem, über die Runden zu kommen."

Die anvisierte Regelsatzerhöhung stelle nicht etwa eine Verbesserung der "Teilnahme am sozialen Leben" dar, sondern sei bloß ein "Tropfen auf den heißen Stein". Thönnessen berichtete: "Wir erleben ganz oft, dass Kinder und Jugendliche zum Beispiel noch nie in ihrem Leben irgendwo essen waren, noch nie im Restaurant waren." Es bleibt zu hoffen, dass sie nicht die Leidtragenden des politischen Zwists um das Bürgergeld sein werden.

Verwendete Quellen
  • daserste.ndr.de: "Anne Will" vom 13. November 2022
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website