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Entlastungspaket: Ampel will Übergewinne von Energiefirmen abschöpfen


Beschluss der Ampelkoalition
Diese Maßnahmen umfasst das dritte Entlastungspaket

Von dpa, t-online, afp, reuters, cck

Aktualisiert am 04.09.2022Lesedauer: 4 Min.
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Ergebnis des Koalitionsausschusses: So will die Ampel-Koalition die Bürger entlasten. (Quelle: reuters)
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Die Regierung hat neue Entlastungen beschlossen. Darunter sind Einmalzahlungen für Studierende und Rentner sowie eine Strompreisbremse.

Nach wochenlanger Diskussion hat sich die Ampelkoalition auf ein drittes Entlastungspaket geeinigt. Wie aus der Beschlussvorlage hervorgeht, hat das Paket einen Gesamtwert von mehr als 65 Milliarden Euro. Damit sei es größer als beide Pakete zuvor zusammen, wie Kanzler Olaf Scholz bei einer Pressekonferenz am Sonntag betonte.

1,5 Milliarden Euro davon sind für die Nachfolge des 9-Euro-Tickets eingeplant. Voraussetzung sei, dass "die Länder mindestens den gleichen Betrag zur Verfügung stellen", heißt es in dem Papier. Ziel sei ein "preislich attraktives Ticket" im Rahmen von 49 bis 69 Euro monatlich für ein bundesweites Nahverkehrsticket.

Koalition will Übergewinne abschöpfen

Die Regierung wolle dafür sorgen, dass die Preise von Gas, Öl und Kohle für Verbraucher sinken, sagte Scholz. Die Koalition habe sich "fest vorgenommen", sogenannte Übergewinne etwa bei Energiekonzernen abzuschöpfen. Hierbei setzte die Bundesregierung zunächst auf eine Einigung auf europäischer Ebene. Die Koalitionspartner seien aber auch bereit, das alleine auf nationaler Ebene "zügig umzusetzen". Finanzminister Christian Lindner zufolge soll ein zweistelliger Milliardenbetrag umverteilt werden. Die genaue Höhe sei abhängig vom Strompreis.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hob die im dritten Entlastungspaket der Bundesregierung vorgesehene Übergewinnsteuer als "besonders wichtig" hervor. Die Abschöpfung von Zufallsgewinnen sei nur gerecht, erklärte er: "Denn Energieunternehmen, die zum Beispiel Erneuerbaren-, Kohle-, oder Atomstrom produzieren, tun dies zu gleichbleibend geringen Produktionskosten, verdienen aber nach den aktuellen Mechanismen des europäischen Strommarkts irrsinnig viel Geld damit."

Am europäischen Strommarkt gilt das sogenannte Merit-Order-Prinzip. Das bedeutet, dass der Strompreis durch das teuerste Kraftwerk bestimmt wird, derzeit also durch Gaskraftwerke.

Lang: "War wahrlich kein Selbstläufer"

Die Grünen-Chefin Ricarda Lang lobte die Einigung auf eine Übergewinnsteuer. "Die Abschöpfung von Übergewinnen im Entlastungspaket war wahrlich kein Selbstläufer", sagte Lang t-online. "Umso mehr freue ich mich, dass wir diesen Weg gehen. Er macht Deutschland in schwierigen Zeiten ein gutes Stück gerechter."

Sie selbst habe das vor Monaten schon vorgeschlagen, sagte Lang. Besonders die FDP war jedoch lange dagegen. "Wenn ich bedenke, wie die Situation war, als die Debatte um die Abschöpfung von Übergewinnen begann, sind wir offenkundig einen großen Schritt weiter gekommen", sagte Lang. "Wir schöpfen Übergewinne auf dem Strommarkt ab, nutzen die Einnahmen, um die Menschen in Deutschland beim Strompreis zu entlasten – und sorgen so für mehr Gerechtigkeit inmitten einer Krise, die längst auch eine soziale ist."

Für einen gewissen Basisverbrauch an Strom soll nach dem Willen der Ampelkoalition künftig ein vergünstigter Preis gelten. Für einen zusätzlichen Verbrauch darüber hinaus wäre der Preis nicht begrenzt.

Einmalzahlungen für Studierende und Rentner

Außerdem ist eine Einmal-Zahlung für Studierende (200 Euro) und Rentner (300 Euro) geplant. Wohngeldberechtigte erhalten einen zusätzlichen Heizkostenzuschuss von 415 Euro im Ein-Personen-Haushalt, 540 Euro für zwei Personen und für jede weitere Person zusätzlich 100 Euro. Die anvisierten Maßnahmen "entlasten alle Haushalte – auch Rentnerinnen und Rentner, Studierende, Fachschülerinnen und Fachschüler sowie Auszubildende", heißt es in dem Beschlusspapier.

Bestimmte Sozialleistungen sollen zudem künftig anhand der tatsächlichen oder der erwarteten Inflationsrate angepasst werden, sagte Scholz. Das sei ein Paradigmenwechsel.

Grundsicherung und Kindergeld werden angehoben

Mit der geplanten Einführung des Bürgergelds Anfang 2023 wollen SPD, Grüne und FDP zudem die Regelsätze für Bedürftige auf "etwa 500 Euro" erhöhen, wie Scholz sagte. Derzeit erhalten Alleinstehende in der Grundsicherung 449 Euro pro Monat.

Das Kindergeld soll ab Jahresbeginn um 18 Euro monatlich für das erste und zweite Kind steigen. Das sei für viele eine große Verbesserung der wirtschaftlichen Situation, sagte Scholz. Die 2023 wegfallende Besteuerung von Rentenbeiträgen würde zudem eine Entlastung von fünf Milliarden Euro bringen.

Unternehmen sollen "Inflationsprämie" zahlen

Die Bundesregierung fordert die Unternehmen auf, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eine "Inflationsprämie" zu zahlen. Der Staat werde dies "auf alle Fälle möglich machen", indem er auf solche Zahlungen bis zur Summe von 3.000 Euro keine Steuern und Abgaben erheben werde, sagte Scholz. Er äußerte die Hoffnung, dass "das flächendeckend millionenfach überall in Deutschland geschieht".

Die Inflationsprämie folgt dem Beispiel der Corona-Prämie: In der Corona-Pandemie blieben Sonderzahlungen von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern bis zu 1.500 Euro steuer- und sozialversicherungsfrei. Die Regelung lief bis Ende März 2022. Die Prämie wird zusätzlich zum Lohn gezahlt. SPD-Chefin Saskia Esken betonte bei der Vorstellung des Entlastungspakets am Sonntag, "wir wollen, dass die Löhne insgesamt steigen".

"Unser Land steht vor einer schweren Zeit"

Der SPD-Politiker betonte: "Unser Land steht vor einer schweren Zeit." Der Krieg habe Folgen auch für Engpässe bei der Energieversorgung: "Putins Russland ist vertragsbrüchig geworden", es erfülle seine Lieferverträge schon lange nicht mehr. Scholz ergänzte: "Russland ist kein zuverlässiger Energielieferant mehr."

Er äußerte sich zugleich zuversichtlich, dass man die schwierige Zeit überstehen werde: "Wir werden durch diesen Winter kommen", sagte er. Die Beschlussvorlage trägt passend dazu den Titel: "Deutschland steht zusammen".

Maßnahmen "führen zu deutlichen Mehrausgaben"

Zusammen mit den zwei bereits beschlossenen Entlastungspaketen summiert sich die Entlastungssumme auf 95 Milliarden Euro. Die Maßnahmen "führen zu deutlichen Mehrausgaben im Bundeshaushalt", heißt es in dem Papier. Dies erfordere "erhebliche Anstrengungen aller drei Koalitionspartner und aller Ressorts".

Von einer Aussetzung der Schuldenbremse ist in der Vorlage nicht die Rede. Dort heißt es lediglich, dass die Bundesregierung einen Haushaltsentwurf vorgelegt habe, der "für die Jahre ab 2023 ohne die Nutzung der Ausnahmeregelung der Schuldenbremse auskommen" solle.

Laut Lindner belastet das Paket den Bundeshaushalt in den kommenden zwei Jahren mit 32 Milliarden Euro. Das sei innerhalb der vorliegenden Haushaltspläne für 2022 und 2023 möglich. Somit brauche es keinen Nachtragshaushalt für 2022 und auch die Eckpunkte für 2023 blieben unverändert. Die Inflation hatte dem Staat zuletzt überraschend hohe Steuereinnahmen beschert, womit Puffer aufgebaut wurden.

Beratungen gingen bis früh in den Morgen

Ziel der neuen Entlastungen sei es, "die erwarteten hohen Preissteigerungen für die Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen im Bereich des Energieverbrauchs" abzufedern, heißt es in dem Beschlusspapier. "Das stützt auch die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt, weil Bürgerinnen und Bürger weiter konsumieren und Unternehmen weiter investieren."

Das dritte Entlastungspaket wurde bereits seit Wochen angekündigt. SPD, Grüne und FDP hatten seit Samstagvormittag über das Paket beraten, beendet wurden die Verhandlungen erst am frühen Sonntagmorgen.

Verwendete Quellen
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