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Gaskrise: Darum lässt der Preis jetzt die Stromkosten explodieren


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"Merit Order"
Darum lässt der Gaspreis jetzt die Stromkosten explodieren


Aktualisiert am 29.08.2022Lesedauer: 3 Min.
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Hochspannungsleitungen im Sonnenlicht: Gas macht jetzt auch den Strom teurer. (Quelle: imageBROKER/Jan Tepass via www.imago-images.de)
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Die Strompreise schnellen in die Höhe. Das liegt vor allem daran, dass Gas derzeit sehr teuer ist. Wie sich das Problem lösen ließe.

Es ist ein Zusammenhang, der sich vielen erst auf den zweiten Blick erschließt: Weil Erdgas angesichts des russischen Überfalls auf die Ukraine so teuer ist wie nie, haben sich jetzt auch die Preise für Strom extrem erhöht.

Kostete eine Megawattstunde Strom vor einem Jahr noch 83 Euro, sind es nun 643 Euro. Heruntergerechnet auf die für Privathaushalte üblichere Einheit Kilowattstunde hieße das: 64 Cent statt einst 8 Cent. Eine Verachtfachung des Preises, vergleichbar mit dem extrem Anstieg der Gaspreise.

Doch woran liegt das? Macht Gas mit rund 13 Prozent nicht eigentlich einen sehr geringen Anteil an der Stromproduktion in Deutschland aus?

Gas deckt die Nachfrage-Spitzen ab

Die kurze Antwort: Ja. Und doch hängen der Gas- und der Strompreis eng miteinander zusammen. Grund dafür ist ein Marktmechanismus, genannt Merit-Order-Prinzip. Übersetzt bedeutet der englische Begriff so viel wie "Einsatzreihenfolge", genutzt wird er im Zusammenhang mit Kraftwerken, die je nach Strombedarf ans Netz gehen.

Ist die Nachfrage nach Strom gering, liefern zunächst all jene Kraftwerke den Strom, die im Dauerbetrieb laufen und Elektrizität vergleichsweise günstig produzieren können. In Deutschland sind das neben den Kernkraftwerken vor allem die erneuerbaren Energiequellen, die Strom quasi zum Nulltarif aus Wind, Sonne oder Wasserkraft gewinnen.

Reicht dieser Strom nicht aus oder wächst die Nachfrage etwa durch einen plötzlichen Temperatursturz, schalten die Energieproduzenten nach und nach weitere Kraftwerke hinzu, die sich schneller an- und abschalten lassen und auf teurere, zumeist fossile, Energieträger setzen: Braunkohle, Steinkohle, am Schluss auch Erdgas. Dieses kommt in Deutschland vor allem zum Abdecken von absoluten Nachfragespitzen zum Einsatz, also besonders im Winter, wenn es sehr früh dunkel wird und viele Menschen gleichzeitig zu Hause sind.

Strom ist ein Einheitsprodukt

Das Problem dabei: Strom ist ein Einheitsprodukt mit einem Einheitspreis. Kommt er aus der Steckdose, lässt sich nicht unterscheiden, aus welcher Quelle er stammt. Denn die Kraftwerksbetreiber speisen den Strom lediglich ins gesamte Netz ein, können aber keinen Abnehmer gezielt ansteuern.

Die Folge: Sobald eines der teuren Gaskraftwerke ans Netz geht und der dort produzierte Strom wegen erhöhter Nachfrage auch zu einem höheren Preis gekauft wird, zieht auch der Preis für die übrigen Stromsorten sofort an.

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Denn wäre das nicht so, hätten die Kraftwerksbetreiber keinen Anreiz, die teuren Gasturbinen zur Stromerzeugung anzuschmeißen – schließlich würden sie auf ihren Kosten sitzen bleiben und Verluste schreiben. In diesem Fall wiederum gäbe es nicht genügend Strom, es käme zu Elektrizitätsausfällen, Fabriken stünden still, zu Hause bliebe das Licht aus.

Wer günstig Strom produziert, kann sich freuen

Verkürzt gesagt heißt das: Der Strompreis hängt direkt vom Gaspreis ab. Verteuert sich Gas, kostet auch Strom mehr – was wiederum vor allem Betreiber von Windparks freut, die dadurch bei konstant niedrigen Kosten hohe Umsätze und damit Gewinne einfahren.

Entsprechend schwierig ist das Vorhaben, das Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) jetzt angehen will: Am Wochenende erklärte er, den Strom- vom Gaspreis abkoppeln zu wollen.

"Die Tatsache, dass der höchste Preis immer die Preise für alle anderen Energieformen bestimmt, könnte geändert werden", sagte Habeck am Sonntag in einem "Bloomberg"-Interview. Auch Finanzminister Christian Lindner (FDP) sagte, die Bundesregierung müsste die steigenden Strompreise mit "größter Dringlichkeit" angehen.

EU-Kommission kündigt Reform des Strommarktes an

Wie genau das gehen sollte, ließen beide Politiker ebenso offen wie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die am Montag eine "Notfallmaßnahme" sowie eine "Strukturreform des Strommarktes" ankündigte.

Eine Möglichkeit wäre, das Merit-Order-System durch einen anderen Mechanismus zur Preisbildung zu ersetzen. So könnten etwa die Energiekonzerne ihre Produktionskosten weitermelden, woraus sich wiederum ein Durchschnitt ermitteln ließe, der dann, mit einem kleinen Gewinnaufschlag versehen, den Strompreis bestimmte.

In diesem Fall jedoch, warnen Experten, wäre ebenjenes Problem nicht gelöst, dass die teuren Energieträger wie Gas nur mit Verlust zum Einsatz kommen könnten. Der Staat müsste den Firmen dann vermutlich die Differenz zwischen Durchschnittspreis und den höheren Kosten für die Stromproduktion aus Gas ersetzen. Ebenso möglich wäre es, das Merit-Order-System nur noch für fossile Energieträger anzuwenden, wie es unter anderem die griechische Regierung unlängst vorschlug.

Fest steht bei all dem: Eine Lösung kann es nur auf EU-Ebene geben. Von der Leyen sagte dazu am Montag, das Thema werde am 9. September im Rahmen eines Sondertreffens der EU-Energieminister besprochen.

Verwendete Quellen
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