Druck auf Regierung wächst Ökonomen: Habecks Gasumlage hat "Konstruktionsfehler"
Wirtschaftsverbände und selbst die FDP fordern Nachbesserungen an der geplanten Gasumlage. Der Druck auf Wirtschaftsminister Habeck wächst.
Die geplante Gasumlage sorgt auch nach den in Aussicht gestellten möglichen Korrekturen für Kritik. Sogar aus wirtschaftsnahen Parteien und Instituten werden Rufe nach Verbesserungen laut.
Experten des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) forderten, Kriterien nachzuschärfen und stärker die finanzielle Situation der Unternehmen und ihre Systemrelevanz zu berücksichtigen. Im Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Samstag) nannten die Ökonomen zugleich die Idee grundsätzlich richtig, die zusätzlichen Kosten der Gasbeschaffung über eine Umlage solidarisch aufzuteilen.
"Dass mit der Umlage nach derzeitiger Auslegung auch Unternehmen einen Anspruch auf Unterstützung erheben können, die selbst womöglich nicht in finanzielle Schieflage geraten, erweist sich als Konstruktionsfehler. Hier gilt es nachzubessern", forderten die IW-Experten.
Alle Gaskunden sollen 2,4 Cent pro Kilowattstunde bezahlen
Die Umlage soll die wegen knapper russischer Gaslieferungen stark gestiegenen Kosten von Großimporteuren ausgleichen, um diese vor einer Pleite und das deutsche Energiesystem vor dem Kollaps zu bewahren. Alle Gaskunden sollen dafür zusätzlich 2,4 Cent pro Kilowattstunde bezahlen. Kritisiert wird, dass auch Firmen profitieren könnten, denen es wirtschaftlich gut geht. Deshalb prüft die Bundesregierung nun Korrekturen an der staatlichen Umlage.
Der Dachverband der Energiewirtschaft (BDEW) macht sich trotz grundsätzlicher Zustimmung für Modifikationen stark. "Der beste Weg wäre eine Stützung der Gasimport-Unternehmen aus Bundesmitteln oder über Kreditabsicherungen gewesen", sagte BDEW-Chefin Kerstin Andreae dem RND. Die Bundesregierung habe aber den Weg der Umlage gewählt, was die Lasten breiter verteile.
FDP will Empfängerkreis beschränken
Die FDP schlägt ein gestuftes Prüfverfahren vor. Der Empfängerkreis sollte so eingeschränkt werden, dass nur Unternehmen Ausgleichszahlungen beanspruchen können, die in eine wirtschaftliche Schieflage geraten sind und bei denen dies auch festgestellt worden ist, sagte der energiepolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Kruse, t-online.
Die Bundesregierung prüft eine Korrektur der staatlichen Gasumlage. Es gehe darum, "Trittbrettfahrern", also eigentlich profitablen Gasimporteuren, den Zugang dazu zu erschweren, sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in Berlin.
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Die Umlage wird von den Gasnutzern gezahlt – je weniger Unternehmen sie bekommen, desto weniger müssten die Bürger tragen. Zugleich arbeitet die Ampel-Koalition mit Hochdruck an weiteren Hilfen. Ein neues Paket werde "in wenigen Tagen" auf dem Tisch liegen, sagte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert.
SPD-Chef für Übergewinnsteuer
Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter sprach sich laut RND dafür aus, die Gasumlage fallen zu lassen. Für eine Entlastung der Bürger sollte das Geld aus einer neu einzuführenden Übergewinnsteuer verteilt werden. Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil spricht sich für die Einführung einer Übergewinnsteuer auf Krisengewinne großer Unternehmen aus.
"Zufallsgewinne von großen Unternehmen können wir an die Menschen mit 1.500, 2.000 oder 3.000 Euro Einkommen umverteilen. Das ist auch eine Frage des sozialen Zusammenhalts in unserer Gesellschaft. Alle müssen ihren Anteil leisten, damit wir gut durch diese herausfordernde Zeit kommen", sagte Klingbeil den Zeitungen der Funke Mediengruppe laut Vorabbericht. Auch Rentnerinnen und Rentner und Studierende müssten von schnellen weiteren Entlastungen profitieren. Dabei gehe es um strukturelle Veränderungen beim Wohngeld und um weitere Einmalzahlungen.
Auch aus Prominentenkreisen kommen Forderungen, die Umlage abzuschaffen. "Keine Gasumlage für Krisengewinner!" lautet eine Kampagne auf der Plattform Campact, die unter anderem von Schauspieler Hannes Jennicke unterstützt wird,
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"Unternehmen in Schwierigkeiten gezielt stützen"
Der Präsident des RWI-Leibniz-Institutes, Christoph Schmidt,
hält die Gasumlage "im bisherigen Zuschnitt für wenig zielgerichtet". "Es wäre ökonomisch sinnvoller, die wenigen Unternehmen, die tatsächlich in extremen Schwierigkeiten stecken, wie vor allem Uniper, gezielt zu stützen, unabhängig davon, ob dies durch eine Umlage bei den Gasverbrauchern oder mit Steuermitteln finanziert wird", sagte er der "Rheinischen Post".
Eine Änderung der umstrittenen Gasumlage schon zum Oktober ist laut Gasnetzbetreiber-Tochter Trading Hub Europe (THE) nicht möglich. "Eine Neuberechnung der Umlage mit Wirkung ab 1. Oktober ist nach dem 15. August von der Verordnung nicht vorgesehen", sagte eine THE-Sprecherin der "Rheinischen Post" laut Vorabbericht. Eine Änderung der Umlage sei aber zu einem späteren Zeitpunkt möglich. Die THE-Sprecherin sagte, zur Zeit könnten auch gesunde Unternehmen, die die Voraussetzungen gemäß der Gaspreisanpassungsverordnung erfüllten, die Hilfe nutzen.
- Nachrichtenagenturen dpa und Reuters