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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Wohin fließt Ihr Geld? Nur vier Profiteure der Gasumlage sind bekannt
21 Millionen Bürger zahlen die Gasumlage, nur eine Handvoll Konzerne profitiert. Welche sind es? Da ist wenig bekannt. Minister Habeck will das jetzt ändern.
Millionen Verbraucher werden durch die Gasumlage von Bundesregierung und Industrie in Haftung genommen. Die durch die Umlage erzielten Einnahmen sollen Energieunternehmen stützen, die bislang russisches Gas importierten und nun teuren Ersatz besorgen müssen – so viel ist bekannt.
Welche Konzerne allerdings genau profitieren, ist noch ein Geheimnis. Transparenz bei einer der größten Sondersammelaktionen des Staates in einer für Bürger ohnehin schon angespannten Lage? Bislang Fehlanzeige.
Wer beim Wirtschaftsministerium nach einer vollständigen Liste fragt, welche Unternehmen die Gelder erhalten sollen, beißt auf Granit: "Rein rechtlich gesehen können wir Unternehmensnamen im Zusammenhang mit ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht nennen, da es sich hier um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse in Bezug auf ihr operatives Geschäft handelt", teilt das Haus von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) mit.
Elf Unternehmen melden Ansprüche an
Statt Namen nennt das Ministerium vor allem Zahlen: Zwölf Unternehmen hätten sich zunächst bei der verantwortlichen Trading Hub Europe GmbH listen lassen, um die Umlage für sich in Anspruch zu nehmen. Mit RWE habe ein Energieversorger allerdings im Nachhinein mitgeteilt, die Umlage doch nicht in Anspruch nehmen zu wollen. Der Hintergrund: RWE gehört zu den Gewinnern der Energiekrise und macht in diesem Jahr mehr Gewinn als ursprünglich gedacht.
Von den verbliebenen elf Unternehmen hätten bisher Uniper, EnBW/VNG und SEFE einer Veröffentlichung ihrer Namen zugestimmt. Der Oldenburger Energiekonzern EWE ist außerdem selbst mit der Information an die Öffentlichkeit gegangen.
Habeck will mit der Intransparenz nun Schluss machen: "Die anderen Unternehmen werden von Minister Habeck kontaktiert und um Veröffentlichung ihrer Namen gebeten, um hier gleichermaßen Transparenz herzustellen", teilt das Ministerium auf Nachfrage von t-online am Dienstagnachmittag mit.
Der Linken ist das nicht genug, sie fordert von Habeck bereits jetzt ein härteres Durchgreifen. "Wenn der Bürger zahlt, hat er Anspruch darauf zu wissen, wohin das Geld fließt", sagte Klaus Ernst, Energieexperte der Linken, t-online. "Wer als Unternehmen Geld will, muss einverstanden sein, dass sein Name veröffentlicht wird. Wer das nicht will, der kriegt eben kein Geld."
21 Millionen Gaskunden zahlen Umlage
21 Millionen Gaskunden sollen die Umlage zahlen und so verhindern, dass gasimportierende Unternehmen in eine Notlage geraten. Grundlage für diese Maßnahme ist Paragraf 26 des Energiesicherungsgesetzes. Die Umlage soll von Oktober an bei 2,419 Cent pro Kilowattstunde Gas liegen. Für eine vierköpfige Familie mit durchschnittlichem Verbrauch bringt die Umlage laut Schätzungen rund 600 Euro an Zusatzkosten.
Auf der Liste steht auch eine ehemalige Gazprom-Tochter
Welche Unternehmen sind bereits bekannt – und mit welchen Argumenten greifen sie nach der Finanzspritze? Die Konzerne gehen in diesen Punkten unterschiedlich transparent vor: Uniper ließ eine Anfrage von t-online am Dienstag unbeantwortet. Das Unternehmen mit Sitz in Düsseldorf ist der größte deutsche Gasimporteur, seine Einfuhren kommen vor allem aus Russland. Uniper hat rund 11.500 Beschäftigte und betreibt außer dem Handel auch Gas- und Kohlekraftwerke sowie Gasspeicher.
Mit SEFE (Securing Energy for Europe GmbH) steht auf der Liste der Profiteure auch eine Firma, die bis zum Juni unter dem Namen Gazprom Germania GmbH bekannt war. Bis dahin war sie ein Tochterunternehmen des russischen Gasversorgers Gazprom, dann wurde sie infolge des russischen Angriffskriegs unter Verwaltung der Bundesnetzagentur gestellt und erhielt einen neuen Namen. Der russische Präsident Putin setzte SEFE bereits im Mai auf seine Sanktionsliste.
Energie-Konzern EWE: Kosten verzehnfacht
Der Oldenburger Konzern EWE teilte mit, dass er rund 1,5 Prozent seines Erdgases über einen direkten Liefervertrag mit einer Gazprom-Tochter abwickle. Die Kosten für die Beschaffung von Ersatz-Gas beliefen sich auf ein Zehnfaches. Wie viel Verlust der Konzern aber in den letzten Monaten genau geschrieben hat – und wie viel Gewinn er im Jahr zuvor gemacht hat? Keine Antwort.
EWE zählt zu den Top fünf der deutschen Energieversorger und versorgt Haushalte vor allem im Norden Deutschlands. Seine Halbjahreszahlen für 2022 veröffentlicht der Konzern erst im September.
Detaillierter schlüsselt das Unternehmen EnBW mit Sitz in Karlsruhe, drittgrößter Energieversorger und fast komplett in öffentlicher Hand, seine Einbußen und Mehrbelastungen auf: Über die Tochterfirma VNG sei man vom Ausfall der russischen Liefermengen betroffen, teilt das Unternehmen auf Anfrage mit.
Im ersten Halbjahr 2022 habe EnBW ein operatives Ergebnis von 1,42 Milliarden Euro zu verzeichnen – das entspreche einem Rückgang von 3,7 Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Die Kosten für die Netzreserve seien unter anderem gestiegen, weil Reservekraftwerke häufiger eingesetzt werden mussten. Und: "Negativ wirkten Aufwendungen aus der Drosselung der russischen Gasliefermengen bei Tochterunternehmen und die daraus resultierenden hohen Ersatzbeschaffungskosten für die fehlenden Gasmengen."
Ob und wie die anderen Konzerne das Einstreichen der Umlage rechtfertigen, bleibt abzuwarten. Für Bürger jedenfalls kündigte sich am Dienstagnachmittag ein weiterer Kostenpunkt an: Die von der Bundesregierung angestrebte Ausnahme bei der Mehrwertsteuer auf die Gasumlage wird es nicht geben. Die EU-Kommission bekräftigte, dass eine Streichung der Steuer nicht möglich ist.
- Anfrage an das Bundeswirtschaftsministerium
- Anfragen an die Konzerne EWE, EnBW, Uniper