Plan für Inflationsausgleich So will Lindner 48 Millionen Deutsche entlasten
Der Finanzminister hat seinen Plan für den Inflationsausgleich vorgestellt. Bereits im Vorfeld gab es Kritik an den Maßnahmen.
Finanzminister Christian Lindner will die Bürger angesichts der hohen Inflation mit einer Steuersenkung über mehr als zehn Milliarden Euro entlasten. "Wir sind in einer Situation, in der gehandelt werden muss", betonte der FDP-Politiker bei der Präsentation des Inflationsausgleichsgesetzes am Mittwoch. Es profitierten 48 Millionen Menschen, also die breite Mitte der Gesellschaft, so Lindner.
Zusätzlich zu einer Anpassung der Eckwerte im Einkommenssteuertarif, wie dem Grundfreibetrag oder der Grenze für den Spitzensteuersatz, sollen auch das Kindergeld und der Kinderfreibetrag erhöht werden. Die durchschnittliche Entlastung soll laut Lindner bei 192 Euro pro Person liegen. Bei allen, deren Jahreseinkommen unter 62.000 Euro liegt, solle der Entlastungseffekt die Mehrbelastung durch die kalte Progression übersteigen.
Ein Überblick:
Kindergeld: Im kommenden Jahr soll es für das erste, zweite und dritte Kind monatlich je 227 Euro geben. Ab dem vierten Kind kommen 250 Euro aufs Konto. Im Jahr 2024 sollen die Sätze für das erste bis dritte Kind noch einmal angehoben werden – auf 233 Euro.
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Grundfreibetrag: Der Finanzminister will das Einkommen, bis zu dem keine Steuer gezahlt werden muss, von derzeit 10.347 Euro auf 10.632 Euro im kommenden und 10.932 Euro im Jahr 2024 anheben.
Spitzensteuersatz: Auch die weiteren Eckwerte des Steuertarifs werden verschoben, um den Effekt der kalten Progression auszugleichen. So bezeichnet man eine Art schleichende Steuererhöhung, wenn Gehaltserhöhungen durch die Inflation aufgefressen werden, aber dennoch zu einer höheren Besteuerung führen. Dann fallen höhere Steuern an, obwohl die Kaufkraft real gar nicht steigt.
"Ein Steuersystem, das Menschen, die ohnehin unter hohen Preisen leiden, auch noch höher besteuert, ist nicht fair", schrieb Lindner vorab in einem Gastbeitrag in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".
Dies zu beseitigen, sei "kein gönnerhafter Akt, sondern in mehrfacher Hinsicht geboten". Um den Effekt zu mildern, soll der Spitzensteuersatz künftig erst bei höheren Einkommen greifen – konkret bei 61.972 Euro im kommenden Jahr und bei 63.515 Euro im Jahr 2024.
Die Grenze für den noch höheren Reichensteuersatz will Lindner dagegen nicht antasten. Wie viel Einkommensteuer Sie selbst zahlen müssen, finden Sie hier mit dem Einkommensteuerrechner heraus.
Grüne: Topverdiener profitieren am meisten
An den Plänen gab es vorab bereits breite Kritik: Topverdiener profitierten in absoluten Zahlen stärker von Lindners Entlastungen als Geringverdiener. Die Grünen im Bundestag halten die Pläne deshalb für sozial unausgewogen.
"Hohe und höchste Einkommensgruppen würden damit mehr als dreimal so viel erhalten wie Menschen mit kleinen Einkommen, welche die Entlastungen jetzt eigentlich am dringendsten brauchen", sagte Fraktionsvize Andreas Audretsch der Deutschen Presse-Agentur.
Menschen mit ganz kleinen Einkommen würden zudem gar nicht entlastet, weil sie, unter dem Grundfreibetrag liegend, keine Einkommensteuer zahlten. "Andersrum wäre es richtig: Starke Schultern müssten mehr tragen als einkommensschwache und nicht überproportional entlastet werden", sagte sie dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland".
Auch vom anderen Koalitionspartner, der SPD, gab es Kritik. "Ein weiterer kräftiger Entlastungsimpuls bis in die Mitte der Gesellschaft ist richtig und notwendig, sollte aber vor allem auf Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen zielen", sagte der Vizevorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Achim Post, am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters. "Die Entlastungsvorschläge von Bundesfinanzminister Lindner sind unter diesem Aspekt der sozialen Gerechtigkeit noch verbesserungsbedürftig."
Tatsächlich wirken sich Lindners Pläne prozentual zwar stärker bei niedrigen Einkommen aus, in absoluten Zahlen aber profitieren Menschen mit hohen Einkommen deutlicher. So soll ein Steuerzahler mit zu versteuerndem Einkommen von 20.000 Euro um 115 Euro entlastet werden.
Auch aus der Opposition kommt vor diesem Hintergrund Kritik: Linken-Finanzexperte Christian Görke nennt die Pläne "einen Witz". Görke warb für einen höheren Steuersatz bei der Reichensteuer, um damit Entlastungen "für die Ärmsten" zu finanzieren.
Gewerkschaftsbund lehnt Vorschlag ab
Bei einem Einkommen von 60.000 Euro machen die Entlastungen nach Zahlen aus dem Finanzministerium bereits 471 Euro aus. Bei noch höheren Einkommen bleiben sie stabil bei 479 Euro und steigen nicht weiter.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) lehnt dieses Modell ab. "Christian Lindners Steuerkonzept greift viel zu kurz", sagte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell der Deutschen Presse-Agentur. Für eine ausreichende Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen müsste der Grundfreibetrag auf 12.800 Euro steigen. "Stattdessen profitieren Spitzenverdiener und Reiche, obwohl sie weit weniger Probleme haben, mit den aktuellen Preissteigerungen zurechtzukommen", kritisierte Körzell.
Aus Sicht des DGB ist die Beseitigung der kalten Progression allein nicht der Schlüssel zu mehr Steuergerechtigkeit, wie Körzell betonte. Spitzenverdiener und Vermögende müssten stattdessen mehr zum Steueraufkommen beitragen.
FDP weist Kritik zurück
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai wies die Kritik als haltlos zurück. Die Anpassung ziele auf kleinere und mittlere Einkommen und senke "die Steuerlast der hart arbeitenden Mitte".
Für Spitzenverdiener sei der Entlastungsbetrag gedeckelt. "Die Entlastung ist fair und notwendig, damit die Menschen trotz der hohen Inflation von einer Lohn- oder Gehaltserhöhung profitieren und nicht durch eine höhere Steuerbelastung noch draufzahlen müssen", sagte Djir-Sarai der Deutschen Presse-Agentur.
Laut Statistischem Bundesamt ist die Inflation im Juli den zweiten Monat in Folge auf hohem Niveau leicht gesunken. Die Verbraucherpreise stiegen gegenüber dem Vorjahresmonat um 7,5 Prozent, wie die Behörde am Mittwoch in Wiesbaden nach einer zweiten Schätzung mitteilte.
- Livestream der Pressekonferenz am 10.8.2022
- Nachrichtenagentur dpa