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Russland-Ukraine-Konflikt: Vielleicht hat sich Putin verzockt


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Ukraine-Krise
Vielleicht hat er sich verschätzt

MeinungEine Kolumne von Gerhard Spörl

Aktualisiert am 14.02.2022Lesedauer: 3 Min.
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Kriegsangst in der Ukraine: Während der US-Geheimdienst warnt und der Kreml einen bevorstehenden Angriff dementiert, fahren schon jetzt Panzer an den Grenzübergängen auf. (Quelle: t-online)
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Morgen reist Kanzler Olaf Scholz nach Moskau und redet auf Wladimir Putin ein. Kann er dort wirklich etwas erreichen? Vielleicht, denn möglicherweise hat sich Russlands Präsident verzockt.

Natürlich kann Wladimir Putin in seiner Selbstherrlichkeit jeden Tag den Befehl zum Einmarsch in die Ukraine erteilen. Die Streitkräfte und das schwere Gerät und alles, was man so braucht, wenn man der Welt Stärke zeigen will, stehen bereit. Deshalb ist es recht billig, wenn die Experten in Amerika oder Deutschland Tag für Tag Tipps abgeben, wann der Überfall fällig sein wird.

Wahrscheinlich werden wir nie erfahren, ob Putin wirklich glaubte, er könnte mit seinen militärischen Drohungen sein politisches Ziel durchsetzen, vertragliche Garantien dafür zu bekommen, dass die Ukraine nicht in die Nato oder die Europäische Union aufgenommen wird. Oder ob die Verhandlungen der letzten Woche nur der Vorwand für die Vollendung des massiven Aufmarschs an der Grenze waren. Entweder ihr gebt mir, was mir zusteht, oder ich nehme mir, was ich will: Nach dieser Devise geht er jedenfalls vor.

Gut möglich ist ja auch, dass er sich verschätzt hat. Putin kennt den Westen und seine Logik. Er achtet die Nato gering und hält Amerika für eine Supermacht auf dem absteigenden Ast, von der Russland wenig zu befürchten hat. Diese Erfahrung nimmt er aus Syrien und Libyen mit und wendet sie auf die Ukraine an, die er als russisches Eigentum betrachtet und auch so behandelt.

Sanktionen schrecken Putin nicht

Die paar Soldaten, die von der Nato ins Baltikum geschickt worden sind, dürften ihn in seiner zynischen Einschätzung der Lage bestätigen, was denn sonst. Freundlicherweise haben ja allerlei Sicherheitsexperten in Brüssel und Washington, Paris und Berlin für klare Verhältnisse gesorgt, indem sie auf militärische Gegenmaßnahmen verzichten. Warum also sollte ihm der Westen nicht geben, was er haben will?

Gibt er ihm aber nicht. Das Jahr 2022 hält zwar eine Ahnung von 1938 bereit, aber die Ukraine ist nicht die Tschechoslowakei, die der Westen Hitler schenkte, im Glauben an dessen Genügsamkeit.

Als "Frieden für unsere Zeit" hat Neville Chamberlain das Münchner Abkommen 1938 bei seiner Rückkehr nach London gefeiert. Frieden für unsere Zeit haben zahlreiche Außenminister und Regierungschefs durch Telefonate und Besuche in Moskau zu retten versucht. Immerhin haben sie keine Zugeständnisse gemacht, die ihnen der russische Präsident abverlangt. Sie drohen ihm Sanktionen an, mehr können sie nicht, mehr wollen sie nicht. Sanktionen schrecken Putin jedoch nicht. Die Abhängigkeit Europas von russischer Energie nimmt Sanktionen die Schlagkraft.

Putin ist die personifizierte Unzuverlässigkeit

Nun läuft die Zeit ab. Am morgigen Dienstag reist Bundeskanzler Olaf Scholz nach Moskau und wird Putin wohl vortragen, was der schon x-mal gehört hat, von Joe Biden und Emmanuel Macron, von Anthony Blinken und Annalena Baerbock und vielen anderen. Trotzdem ist es richtig, dass er auch noch von Scholz hört, was von seinem Erpressungsversuch zu halten ist. Vielleicht ringt sich der Kanzler sogar dazu durch, im Kreml zu sagen, dass er im Kriegsfall zu seinem größten Bedauern auf Nord Stream 2 verzichten müsse. Bislang hat er darauf verzichtet, was kein Fehler war, aber ein Symptom.

Egal was passiert, die deutsche Außenpolitik muss sich einer Revision unterziehen. Die SPD lehnt sich noch immer an Willy Brandts Entspannungspolitik an, aber Russland ist nun mal nicht die Sowjetunion, die im Kalten Krieg eine gewisse Verlässlichkeit besaß. Putin persönlich ist die personifizierte Unzuverlässigkeit mit permanenten Phantomschmerzen über den Verlust des Imperiums. Abhängigkeit von ihm ist eine Schwäche, wofür Nord Stream 2 stellvertretend steht. Zum neuen Realismus gehört die Einsicht, dass die Pipeline ein politischer Fehler war, wie man schon länger wissen konnte.

Die SPD kommt auch nicht an einem Bruch mit Gerhard Schröder vorbei. Ein Altkanzler als Gazprom-Lobbyist. Ein Altkanzler als Sprachrohr des russischen Präsidenten. Unverhohlenes Verständnis für Willkür und Aggression. Materielle Interessen als Grund für ein beschämendes Alterswerk. Mit Würde und Anstand, die man von unserem ehemaligen Kanzler erwarten darf, hat das nicht im Geringsten zu tun. Fehlt nur noch die vollendete Apologie zum Einmarsch.

Olaf Scholz dürfte der letzte Politiker aus dem Westen sein, der auf Wladimir Putin einredet. Zugleich beginnt die dreitägige Münchner Sicherheitskonferenz, die sich wieder den großen Problemen der Weltpolitik widmet – fragt sich nur, ob vor einem Krieg in der Ukraine oder parallel zum Einmarsch.

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