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EU stuft Erdgas als "grüne Energie" ein: Regierung begrüßt "Brücken-Technologie"


"Wichtige Brückentechnologie"
Trotz Kritik – Regierung begrüßt EU-Pläne zu Erdgas

Von rtr, dpa, t-online
Aktualisiert am 03.01.2022Lesedauer: 3 Min.
Zugefrorene Rohre an einer Anlage zur Erdgasverflüssigung im russischen Murmansk: "Brückentechnologie auf dem Weg zur Treibhausgasneutralität".Vergrößern des Bildes
Zugefrorene Rohre an einer Anlage zur Erdgasverflüssigung im russischen Murmansk: "Brückentechnologie auf dem Weg zur Treibhausgasneutralität". (Quelle: Stanislav Krasilnikov/imago-images-bilder)

Die EU-Kommission will Atomkraft und Erdgas als nachhaltig einstufen – ganz im Sinne Frankreichs und Deutschlands. Umweltschützer sind entsetzt, für die Grünen könnte der Streit zur Belastung werden.

Die Bundesregierung begrüßt, dass die EU-Kommission Erdgas als Übergangstechnologie im Kampf gegen den Klimawandel einstuft. "Für die Bundesregierung ist Erdgas vor dem Hintergrund der Ausstiege aus der Kernenergie und aus der Kohleverstromung eine wichtige Brückentechnologie auf dem Weg zur Treibhausgasneutralität", sagte ein Regierungssprecher mit Blick auf die Vorschläge der EU-Kommission zur Nachhaltigkeits-Klassifizierung von Energieträgern.

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"Daher ist es zu begrüßen, dass dazu Bestimmungen enthalten sind." Diese müssten allerdings im Detail noch analysiert werden. "Die Haltung der Bundesregierung zur Kernenergie ist unverändert. Die Bundesregierung ist weiterhin der Überzeugung, dass Kernenergie nicht als nachhaltig einzustufen ist", fügte der Sprecher hinzu.

Habeck und Lemke kritisieren EU-Vorschläge

Die Stellungnahme hat eine etwas andere Tonlage als die Kommentare von Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck sowie Umweltministerin Steffi Lemke (beide Grüne) am Samstag. Beide hatten den Vorschlag der EU-Kommission kritisiert, Atomkraft und Erdgas mit Auflagen und vorübergehend zu nachhaltigen Energieformen deklarieren zu wollen.

Scharfe Kritik übten sie vor allem an der Klassifizierung der Atomenergie als nachhaltig. Habeck schrieb in einer Stellungnahme: "Fraglich ist auch, fossiles Gas mit in die Taxonomie aufzunehmen. Eine Zustimmung zu den neuen Vorschlägen der EU-Kommission sehen wir nicht." Immerhin wolle die EU-Kommission einen Übergang zu Wasserstoff-Nutzung der Gaskraftwerke ab 2035. Die EU-Kommission hatte den Auftrag, für private Investitionen die Nachhaltigkeit von Energieträgern einzustufen.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) hat eine schnelle Antwort der Bundesregierung auf den hochumstrittenen EU-Vorschlag angekündigt, die Atomkraft als umweltfreundlich einzustufen. "Wir werden die EU-Vorlage jetzt schnell prüfen und uns in der Bundesregierung abstimmen", sagte Lemke der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Montagsausgabe).

Lindner lobt EU-Pläne – teilweise

Finanzminister Christian Lindner (FDP) lobt den Vorschlag der EU-Kommission zumindest teilweise. "Deutschland benötigt realistischerweise moderne Gaskraftwerke als Übergangstechnologie, weil wir auf Kohle und Kernkraft verzichten", sagte Lindner der "Süddeutschen Zeitung". "In der Perspektive der Klimaneutralität sollen die Anlagen später mit Wasserstoff genutzt werden können."

Ablehnend reagierte er darauf, dass die EU-Kommission auch die Atomenergie als "grün" anerkennen will. "Dass die Bundesregierung zum Thema Kernenergie eine andere Auffassung vertritt als die Kommission, ist bekannt", so Lindner.

Linke: Bundesregierung soll sich Klage anschließen

Auch die Linke äußerte sich kritisch zur möglich Einstufung der Atomkraft als nachhaltig. Die Bundestagsfraktion forderte die Bundesregierung auf, gemeinsam mit Österreich juristisch dagegen vorzugehen. "Deutschland sollte den Klageweg Österreichs gegen die Einstufung der Atomkraft als klimafreundlich unterstützen", fordert der Europaexperte der Fraktion, Andrej Hunko. "Eine einfache Nicht-Zustimmung im EU-Rat reicht nicht und würde den Kommissionsvorschlag de facto durchwinken, weil dort eine qualifizierte Mehrheit notwendig ist, die aktuell nicht erreichbar ist."

Konkret sehen die Pläne der EU-Kommission vor, dass in Ländern wie Frankreich, Polen und den Niederlanden geplante Investitionen in neue Atomkraftwerke als nachhaltig klassifiziert werden können, wenn die Anlagen neuesten Technik-Standards entsprechen und ein konkreter Plan für eine Entsorgungsanlage für hoch radioaktive Abfälle spätestens 2050 vorgelegt wird. Zudem soll Bedingung sein, dass die neuen Anlagen bis 2045 eine Baugenehmigung erhalten.

Das will die EU mit der "Taxonomie" erreichen

Investitionen in neue Gaskraftwerke sollen insbesondere auf Wunsch Deutschlands ebenfalls als nachhaltig eingestuft werden können. Dabei würde zum Beispiel relevant sein, wie viel Treibhausgase ausgestoßen werden und ob sich die Anlagen spätestens 2035 auch mit grünem Wasserstoff oder kohlenstoffarmem Gas betreiben lassen können.

Die Einstufung von Wirtschaftstätigkeiten durch die EU-Kommission im Rahmen der sogenannten Taxonomie soll Anleger in die Lage versetzen, ihre Investitionen auf nachhaltigere Technologien und Unternehmen umzustellen, und so wesentlich zur Klimaneutralität Europas bis 2050 beitragen. Es wird damit gerechnet, dass sie weitreichende Auswirkungen hat, da sich als nachhaltig eingestufte Projekte deutlich leichter und günstiger finanzieren lassen dürften.

Seit Monaten Streit um Erdgas und Atomkraft

Über den Umgang mit Atom- und Gaskraft wird bereits seit Monaten gestritten. So hat sich beispielsweise Deutschland gegen die Aufnahme der Atomkraft in die Taxonomie ausgesprochen, zugleich aber für ein grünes Label für Gas als notwendige Übergangstechnologie gekämpft. Für Länder wie Frankreich ist hingegen die Atomkraft eine Schlüsseltechnologie für eine CO2-freie Wirtschaft. Auf die Einbeziehung von Gas hätte es verzichten können. Der Vorstoß der EU-Kommission wird deswegen von Kritikern als fauler Kompromiss und als Zugeständnis an die Interessen von Ländern wie Frankreich und Deutschland gesehen.

Aus der Brüsseler Behörde hieß es am Wochenende, die Taxonomie ermögliche es den Mitgliedstaaten, "sich von ihren sehr unterschiedlichen Ausgangspositionen aus in Richtung des gemeinsamen Ziels der Klimaneutralität zu bewegen". Daher könnten auch Lösungen sinnvoll sein, die auf den ersten Blick weniger "grün" erschienen. So könnten Investitionen in Erdgas und Kernenergie einen Beitrag leisten, den Wechsel zu Energiequellen mit geringeren Emissionen zu beschleunigen.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen Reuters und dpa
  • Vorabmeldung der "Süddeutschen Zeitung"
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