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Energiepolitik: Deutschland und Frankreich ringen um die Zukunft der Atomkraft


Streit um Klimapolitik
Deutschland und Frankreich ringen um die Zukunft der Atomkraft

Von afp
01.01.2022Lesedauer: 3 Min.
Emmanuel Macron und Olaf Scholz: Während Frankreichs Präsident auf Atomenergie setzt, hat die Bundesregierung ihren Ausstieg beschlossen. (Archivfoto)Vergrößern des Bildes
Emmanuel Macron und Olaf Scholz: Während Frankreichs Präsident auf Atomenergie setzt, hat die Bundesregierung ihren Ausstieg beschlossen. (Archivfoto) (Quelle: imago-images-bilder)

Atomenergie könnte in der EU bald als klimafreundlich angesehen werden. Doch zwischen Deutschland und Frankreich gibt es schon länger Streit um das Thema: Beide Länder verfolgen gänzlich unterschiedliche Strategien.

Atomenergie könnte in der EU schon bald als klimafreundlich und nachhaltig anerkannt werden. Die EU-Kommission legte den Mitgliedstaaten in der Silvesternacht einen entsprechenden Verordnungsentwurf vor, der in Deutschland sofort auf Kritik stieß. Auch Gasenergie soll demnach mit Abstrichen als "grün" gelten. Das Thema sorgt seit geraumer Zeit für Zwist zwischen Berlin und Paris. Ein Überblick:

Darum geht es: Zur Diskussion steht ein noch nicht veröffentlichter Rechtstext der EU-Kommission, den Investoren weltweit mit Spannung erwarten. Die Behörde unter Präsidentin Ursula von der Leyen erwägt, Atomenergie in eine Liste "nachhaltiger" Energieformen aufzunehmen. Ein erster am Samstag publik gewordener Entwurf dieses sogenannten Taxonomie-Vorschlags bestätigte das Vorhaben, das einer Empfehlung an die Finanzmärkte gleicht, in Atomanlagen zu investieren.

Wer ist für den Plan? Allen voran Frankreich: Präsident Emmanuel Macron hält die Atomenergie für unerlässlich, damit Frankreich und die EU wie geplant bis 2050 klimaneutral werden können. Auch Polen und weitere östliche EU-Staaten wollen neue Atomkraftwerke bauen, um ihre stark von Kohle abhängigen Volkswirtschaften klimagerechter aufzustellen.

Was steckt hinter dem Plädoyer für "nachhaltige" Atomkraft? Macron hat die Atomenergie vor der Präsidentschaftswahl im April neu entdeckt: Kürzlich hat er eine Milliarde Euro für ihren Ausbau angekündigt. Schon jetzt bezieht die Atommacht Frankreich rund 70 Prozent ihres Stroms aus Kernkraftwerken – der höchste Anteil weltweit. EU-weit stand die Atomkraft laut EU-Kommission 2020 nur für einen Anteil von rund 25 Prozent.

Was hält die Bundesregierung von den Atom-Plänen? Vor allem die Grünen in der Ampelkoalition stemmen sich dagegen. Bundesklimaschutzminister Robert Habeck und Umweltministerin Steffi Lemke kritisierten den nun aus Brüssel zugeschickten Verordnungsentwurf scharf. "Ausgerechnet Atomenergie als nachhaltig zu etikettieren, ist bei dieser Hochrisikotechnologie falsch", erklärte der grüne Vize-Kanzler Habeck.

Was meint Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)? Bei einem gemeinsamen Auftritt mit Macron auf dem letzten EU-Gipfel versuchte Scholz zu beschwichtigen: Der Kommissionsvorschlag sollte "nicht überschätzt werden", sagte er und nannte die Taxonomie "ein kleines Thema in einer ganz großen Frage". Er verwies darauf, dass die Mitgliedsländer auch künftig allein über ihren jeweiligen Pfad in eine emissionsfreie Zukunft entscheiden könnten. Es bleibe dabei, dass in Deutschland 2022 das letzte Atomkraftwerk abgeschaltet werde.

Gibt es noch andere Stimmen aus der SPD? Die ehemalige Bundesumweltministerin Svenja Schulze hatte noch im November auf der Weltklimakonferenz in Glasgow argumentiert, Atomkraft könne "keine Lösung sein". Zusammen mit Österreich, Luxemburg, Dänemark und Portugal warnte sie, dass eine Aufnahme dieser Energieform in die EU-Taxonomie deren "Integrität, Glaubwürdigkeit und Nutzen dauerhaft schaden" würde.

Wie könnte ein Kompromiss aussehen? Die Kommission will laut dem Entwurfspapier neben Atomkraft auch Erdgas in ihren Taxonomie-Vorschlag aufnehmen. Unter bestimmten Umständen soll auch neue Gasinfrakstruktur das Nachhaltigkeits-Label erhalten können. Diese Frage ist beispielsweise für Deutschland und Österreich als Bezieher russischen Gases wichtig. Das Problem: Erdgas ist ein fossiler Energieträger, wenn auch weniger klimaschädlich als Kohle.

Was passiert als nächstes? Die EU-Kommission hat mit ihrem Entwurfspapier einen für zwei Wochen angesetzten Konsultationsprozess mit den Mitgliedstaaten begonnen. Mitte Januar will sie dann den finalen Vorschlag vorstellen, der noch vom nun bekannt gewordenen Entwurf abweichen kann. Anschließend haben der Rat der Mitgliedstaaten und das EU-Parlament jeweils ein Veto-Recht. Einzelne Mitgliedsstaaten allein können den Prozess nicht aufhalten.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur AFP
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