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Corona | 60 Millionen Impfdosen fehlen – Lauterbach verspricht Klärung


Wie groß ist die Lücke?
Kritik an Impfstoffmangel: Lauterbach verspricht Klärung

Von dpa, joh

Aktualisiert am 15.12.2021Lesedauer: 4 Min.
Karl Lauterbach: Der Gesundheitsminister will am Donnerstag eine Erklärung abgeben.Vergrößern des Bildes
Karl Lauterbach: Der Gesundheitsminister will am Donnerstag eine Erklärung abgeben. (Quelle: Political-Moments/imago-images-bilder)

Gibt es zu wenig Impfstoff für die Booster-Kampagne in Deutschland? Vieles deutet darauf hin. Arbeitsminister Hubertus Heil wirft Spahn vor, "nicht klar Schiff" gemacht zu haben. Nun meldet sich das Ministerium zu Wort.

Das Bundesgesundheitsministerium arbeitet nach eigenen Angaben an der Klärung zum Mehrbedarf an Corona-Impfstoff für Anfang kommenden Jahres. Eine Inventur habe ergeben, dass in den ersten drei Monaten vorerst deutlich weniger ausgeliefert werden könne als jetzt wöchentlich verimpft werde, sagte ein Sprecher am Mittwoch in Berlin. Konkrete Angaben, wie groß die Lücke ist, machte er vorerst nicht. Er verwies auf noch laufende Bemühungen auf allen Kanälen, zusätzlichen Impfstoff zu beschaffen. Primär gehe es darum, die ersten Wochen im Januar vernünftig zu gestalten, aber auch das ganze erste Quartal.

Nähere Informationen will Minister Karl Lauterbach (SPD) demnach an diesem Donnerstag geben. Der neue Ressortchef hatte am Dienstag einen überraschenden Impfstoffmangel für das erste Quartal 2022 öffentlich gemacht, aber keine Zahlen genannt. In den Planungen zusammengebracht werden sollen laut Ministerium nun weiterhin breit angelegte Auffrischimpfungen mit Blick auf die neue Omikron-Virusvariante, aber auch auf die beschlossene Impfpflicht für Personal in Pflegeheimen und Gesundheitseinrichtungen sowie eine mögliche allgemeine Impfpflicht.

Ministerium weist Berichte über 60 Millionen fehlende Dosen zurück

Das Ministerium erläuterte, dass jetzt im Dezember einige Lieferungen vorgezogen worden seien. Am Jahresende noch vorhandener Impfstoff sei natürlich auch Anfang 2022 einzusetzen. Der Sprecher erklärte, dass eine Impfstoff-Lücke von bis zu 60 Millionen Dosen definitiv falsch sei. Über diese Größenordnung berichtete "Business Insider" (Mittwoch) unter Berufung auf interne Berechnungen des Ministeriums.

Der gesundheitspolitische Sprecher der Union, Toni Sorge, wirft dem neuen Gesundheitsminister vor, in der Debatte um Impfstoffe mit falschen Zahlen zu hantieren. "Karl Lauterbach ruft Feuer, um dann Feuerwehr zu spielen – obwohl er weiß, dass es gar nicht brennt", schreibt Sorge in einem internen Papier an die Unions-Bundestagsfraktion. Darin wird aufgelistet, dass auch im Januar ausreichend Impfstoff für Booster-Impfungen zur Verfügung stehen. Sorge spricht davon, dass in den nächsten vier bis sechs Wochen noch 34 Millionen Booster-Impfungen anstünden. Dafür stünden 50 Millionen Impfdosen bereit.

Scharfe Kritik an Spahn

Deutschland sollen fast 60 Millionen Dosen Impfstoff fehlen. Das berichtet "Business Insider" unter Berufung auf Berechnungen des Bundesgesundheitsministeriums. Etwa 30 Millionen Dosen würden fehlen, um allen Geimpften eine Boosterimpfung zu ermöglichen, die andere Hälfte sei als Puffer für Erst- und Zweitimpfungen geplant gewesen.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat deutliche Kritik an der Impfstoffbeschaffung unter dem früheren Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geübt. Die Nachricht des neuen Ressortchefs Karl Lauterbach (SPD), dass für das nächste Jahr zu wenig Impfstoff zur Verfügung stehe, sei "schwer irritierend", sagte Heil am Mittwoch im "ZDF Morgenmagazin". Da habe die Vorgängeradministration im Gesundheitsministerium offensichtlich "nicht klar Schiff gemacht". Das müsse nun die neue Bundesregierung leisten.

"Wir sind jetzt mit allen Kanälen, mit allen Mitteln dran, genug Impfstoff zu beschaffen", versicherte Heil. "Das müssen wir gemeinsam versuchen, in den Griff zu bekommen." Das mache Lauterbach als Minister nicht nur kommunikativ, sondern auch organisatorisch viel besser. Er verwies darauf, dass die neue Regierung einen Krisenstab zur Organisation der Impfkampagne und ein Expertengremium zur Beratung eingesetzt habe. "Da sind jetzt endlich Strukturen geschaffen worden, damit wir Deutschland sicher durch diesen schwierigen Winter, durch die vierte Welle bringen."

Ex-Gesundheitsminister Spahn hatte noch vor Kurzem gesagt, dass in diesem Jahr genug Impfstoff für alle Auffrisch-, Erst- und Zweitimpfungen zur Verfügung stünde. Er hatte zudem davon gesprochen, mit Biontech/Pfizer über eine Vergrößerung der Liefermengen zu verhandeln.

Lauterbach hatte dem am Dienstag widersprochen. Laut dem SPD-Politiker habe eine "Impfstoff-Inventur" einen Mangel an Corona-Impfdosen für das erste Quartal 2022 ergeben. Er arbeite nach eigenen Worten aber bereits daran, mehr Impfstoff zu organisieren. "Ich hoffe, dass ich da in den nächsten Tagen eine positive Botschaft übermitteln kann", sagte er am Abend in der ARD. Bemühungen liefen über alle Kanäle, auch direkt zu Unternehmen. "Wir müssen hier Geschwindigkeit gewinnen."

Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, hat sich fassungslos über den Mangel an Corona-Impfstoff für die Auffrischungskampagne gezeigt. "Wenn man das hört, bleibt einem der Mund offen stehen", sagte Reinhardt am Mittwoch im Deutschlandfunk. Es sei völlig unvorstellbar, dass die Logistik in einem Land wie Deutschland nicht funktioniere. "Ich bin etwas sprachlos angesichts der Nachricht."

Kassenärzte: Impfstoff-Mangel ist "fatales Signal"

Die Kassenärzte reagieren mit Unverständnis und Kritik auf die Aussagen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), im ersten Quartal 2022 sei nicht genügend Impfstoff vorhanden. "Wir haben in Deutschland gerade Rekordtempo beim Impfen in den Praxen erreicht, da kommt diese Nachricht. Ein fatales Signal an alle, die gerade mit vollem Einsatz diese Pandemie bekämpfen", sagt der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, der Zeitung "Bild". Es sei niemandem zu erklären, dass im Land der Impfstoffentwicklung zu wenig Impfstoff gekauft wurde.

Die FDP machte Jens Spahn (CDU) direkt verantwortlich. Der frühere Gesundheitsminister habe wiederholt kommuniziert, es sei genug Impfstoff vorhanden, kritisierte Gesundheitsexpertin Christine Aschenberg-Dugnus in der "Bild". Der Mangel sei daher "schockierend" und ein "Skandal".

Auf die Frage im "ZDF heute journal", ob der Mangel auf ein Versäumnis des Lauterbach-Vorgängers Jens Spahn (CDU) zurückzuführen sei, sagte der Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz (GMK), der bayerische Ressortchef Klaus Holetschek (CSU), es sei jetzt nicht die Frage, wo was bestellt worden sei. "Sondern die Frage ist, wie können wir noch mehr beschaffen."

Verwendete Quellen
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