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Corona-Krise: Es droht ein Gewitter bei der Bund-Länder-Runde


Bund-Länder-Runde
Es droht ein echtes Corona-Gewitter


Aktualisiert am 09.08.2021Lesedauer: 5 Min.
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Armin Laschet im Landtag in Nordrhein-Westfalen: Der CDU-Chef hat sich gegen eine Verschärfung der Corona-Maßnahmen für Ungeimpfte ausgesprochen. (Quelle: dpa)

Wie kommen wir durch den nächsten Corona-Herbst? Darüber beraten Bund und Länder am Dienstag. Doch der Wahlkampf erschwert sinnvolle Lösungen zusätzlich.

Die Sommerruhe in Deutschland ist vorbei. In den vergangenen Monaten machten die Menschen auch Urlaub von den Corona-Maßnahmen, genossen viele Freiheiten – und die Pandemie geriet fast in Vergessenheit.

Doch am Horizont zeichnet sich bereits die nächste Corona-Welle ab: Die Sieben-Tage-Inzidenz steigt schneller und früher als von Experten erwartet. Das ist vor allem deshalb eine schlechte Nachricht, weil die Impfkampagne immer mehr an Tempo verliert.

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Unter diesem nicht allzu rosigen Gesamteindruck kehrt am Dienstagmittag das entscheidende Gremium in der Pandemie zurück: Kanzlerin Angela Merkel trifft per Video die 16 Regierungschefs der Länder. Und es könnte ein Déjà-vu geben: Denn die vorgezogene Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) könnte erneut eine Hängepartie werden. Es droht sogar wieder ein echtes Corona-Gewitter.

Um diese Streitpunkte geht es bei der MPK

Denn Streitpunkte gibt es viele: Sollen Geimpfte anders als Ungeimpfte behandelt werden? Wie schaffen wir es, mehr Menschen fürs Impfen zu gewinnen? Und wie aussagekräftig ist eigentlich die Inzidenz noch? Und so weiter.

Die Bund-Länder-Runde ist von besonderer Bedeutung, weil darüber entschieden wird, wie Deutschland durch den Corona-Herbst kommt. Experten fürchten, dass die nächsten Monate nicht nur für Menschen gefährlich werden, die sich freiwillig nicht impfen lassen wollen. Sondern auch für diejenigen, die das nicht können – aus gesundheitlichen Gründen oder schlicht, weil sie zu jung sind.

Was die ohnehin schon komplizierten Diskussionen zusätzlich erschwert: Die Konfliktlinien verlaufen auch innerhalb der Parteien, und auch die Ministerpräsidenten gehen teilweise mit gegensätzlichen Positionen in die Verhandlungen.

Gefährliche Corona-Lage im Wahlkampf

Vor allem steht die Politik einmal mehr vor dem Problem, unterschiedliche Corona-Lagen und Vorlieben der Länderchefs unter einen Hut zu bekommen. Dass nun die heiße Phase des Wahlkampfs beginnt und einige Kandidaten dringend punkten müssen, macht das Ganze noch einmal komplizierter. So kündigte sich etwa schon vor Wochen ein Konflikt zwischen Kanzlerin Merkel (CDU) und ihrem Möchtegern-Nachfolger Armin Laschet (auch CDU) an.

Das Kanzleramt und einige Ministerpräsidenten wollen es den Ungeimpften so ungemütlich wie möglich machen, ohne dafür eine echte Impfpflicht einzuführen. Laschet hingegen nahm früh und offensiv die Gegenposition ein. Ende Juli sagte er im ZDF-"Sommerinterview", er halte nichts davon, "auf Menschen indirekt Druck zu machen, dass sie sich impfen lassen". Wenn die Impfquote dann trotzdem nicht steige, müsse man im Herbst "weiter nachdenken".

Die Hauptthemen des Bund-Länder-Treffens:
Corona-Pandemie: Die Impfkampagne muss beschleunigt werden. Ideen gibt es viele, sie reichen von positiven Anreizen – Geldgeschenke und Bratwürste – bis hin zur Befreiung der Geimpften von möglichen Corona-Maßnahmen, wenn sich die Lage im Land wieder zuspitzt. Für Ungeimpfte könnten verschärfte Maßnahmen gelten. Außerdem werden Bund und Länder über Richtwerte neben der Sieben-Tage-Inzidenz beraten, die künftig als Indikatoren für Maßnahmen-Stufen gelten sollen.
Folgen der Flutkatastrophe: Die Regierungschefs von Bund und Ländern werden auch über die Hochwasserkatastrophe und deren Folgen sprechen. Es wird um weitere Hilfen für die Flutopfer und um die möglichst schnelle Reparatur einer völlig zerstörten Infrastruktur in der Krisenregion gehen. Doch auch eine Aufarbeitung möglicher Fehler – besonders bei der Warnung der Bevölkerung – wird thematisiert, denn Bund, Länder und Kommunen müssen sich mit der Frage auseinandersetzen, wie man derartigen Umweltextremen in Zukunft präventiv besser begegnen kann.

Dieses Nachdenken scheint Laschet jetzt zwar vorgezogen zu haben, denn in der "Bild am Sonntag" sprach er sich nun zumindest für kostenpflichtige Tests ab Herbst aus. Doch er sagte auch: "Wer geimpft, genesen oder getestet ist, den darf der Staat nicht von der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ausnehmen." Das Kanzleramt, aber auch Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und einige Ministerpräsidenten hingegen hatten weitergehende Einschränkungen für Getestete ins Spiel gebracht.

Laschets Problem: Sollte es nun doch in irgendeiner Form auf unterschiedliche Regeln für Geimpfte und Ungeimpfte hinauslaufen, stünde der ohnehin stark unter Druck geratene Kanzlerkandidat mal wieder ziemlich blamiert da. In der Beschlussvorlage vor dem Gipfel, die t-online vorliegt, ist jedoch seine Position verankert.

Zumal da ja auch noch Markus Söder (CSU) ist, der Immernoch-Möchtegern-Kanzlerkandidat der Union. Der bayerische Ministerpräsident brachte im Juli die Pandemie mit seiner Forderung nach einer Testpflicht für Reiserückkehrer wieder auf die politische Agenda. Auch beim Thema Impfverweigerer ist seine Position klar: Ungeimpfte müssen mit Einschränkungen rechnen und man dürfe nicht mit Maßnahmen warten, bis die Schulferien vorbei sind. Wobei er da vor allem Bayern meint, denn in einigen Ländern hat die Schule inzwischen wieder begonnen.

Zwar dürfte es Söder freuen, dass er sich mit seinen Forderungen auch von seinem Rivalen Laschet abgrenzt. Aber in der Sache ist sein Alarmismus nicht völlig unbegründet. Und die Chance, dass er sich durchsetzt, ist nicht gering.

Angst vor unpopulären Entscheidungen

Die Erfahrungen aus den vergangenen Lockdowns haben gezeigt: Je später auf eine Zuspitzung der pandemischen Lage reagiert wurde, desto länger dauerte es, bis sich die Situation entschärfte. Wohl auch deshalb bekommt Söder zumindest mit seiner Position zu möglichen Einschränkungen für Ungeimpfte Unterstützung aus dem Kanzleramt und auch aus der CDU.

Es müsse gefragt werden, inwieweit die Nichtgeimpften das Leben der Geimpften einschränkten, sagte Unionsfraktion Ralph Brinkhaus der "Welt am Sonntag". Es werde zu viel über den angeblichen Impfzwang geredet und zu wenig über die Rechte Geimpfter.

In der Debatte hat Kanzlerkandidat Laschet vor allem ein Problem: Hinter seinen Corona-Vorstößen der vergangenen Wochen steckt mehr Hoffnung als Konzept. Der CDU-Chef möchte, dass die Menschen einen unbeschwerten Sommer verbringen können und hofft, dass sich das Impftempo durch Aufklärung ankurbeln lässt. Zwar sprach sich der CDU-Chef dafür aus, die Testpflicht auszuweiten, aber das steigert weder die Impfbereitschaft, noch ist es wahrscheinlich, dass sich die nächste Welle dadurch ausreichend bremsen ließe.

Die Lehren aus der Vergangenheit und die gegenwärtige Lage sprechen dagegen. Laschet kann lediglich hoffen, dass sich auf der MPK Bundesländer wie Mecklenburg-Vorpommern oder Berlin hinter seinen vorsichtigen Kurs stellen, weil auch dort Wahlen im Herbst anstehen.

Der größte Verbündete des Unions-Kanzlerkandidaten ist momentan die politische Angst vor unpopulären Entscheidungen im Wahlkampf. Gewinnt diese Furcht die Oberhand, könnten Bund und Länder vor verschärften Maßnahmen für Ungeimpfte zurückschrecken und die Verantwortung in der Frage den Veranstaltern und privaten Anbietern überlassen. So verkündete der Bundesligist 1. FC Köln bereits, dass bald fast alle Tickets bei Heimspielen an Geimpfte und Genesene gehen.

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"Die Inzidenz muss der wichtigste Faktor bleiben"

Auch im Angesicht des bevorstehenden Schulstarts droht Streit. Viele Schulen sind immer noch nicht mit Luftfiltern ausgerüstet. So als wäre es überraschend, dass die Sommerferien auch 2021 irgendwann enden.

Entsprechend wird es um die Frage gehen, inwiefern sich dauerhafter Präsenzunterricht verantworten lässt. Die Länder möchten mit Tests und Masken Schulschließungen um jeden Preis verhindern. Doch ob das ausreicht, ist unklar. Dieses Problem erhöht zusätzlich den Druck auf die MPK, das Impftempo zu erhöhen. Gerade auch bei den Über-12-Jährigen.

Einigkeit gibt es immerhin darüber, dass es neben der Inzidenz andere Richtwerte geben soll. Aber auch die "Corona-Ampel" ist nicht unumstritten. Die Länder sind im Prinzip dafür, die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern Manuela Schwesig (SPD) warb zuletzt für den Vorschlag.

Die "Ampel" ist keine neue Idee, in Berlin gibt es sie schon seit dem letzten Jahr. Es gibt diverse Indikatoren, die bei bestimmten Werten von grün auf gelb und schließlich auf rot springen.

Das Kanzleramt reagierte auf die jüngsten Vorstöße aus den Bundesländern bislang allerdings zurückhaltend. Auch SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sieht die Forderung kritisch. "Die Inzidenz muss der wichtigste Faktor bleiben", erklärte er dem "Spiegel". "Sie ist der beste Frühindikator. Steigt sie schnell, muss sofort gehandelt werden."

Ein Osterruhe-Chaos soll vermieden werden

Angesichts dieser Streitpunkte und des großen Diskussionsbedarfs ist eine lange MPK wahrscheinlich. Eine Einigung am Ende ist nicht selbstverständlich, auch wenn es das Ziel aller Beteiligten ist, ein Chaos wie bei der verkorksten Osterruhe zu vermeiden.

Bund und Länder stehen vor dem Problem, in einer Zeit, in der die Inzidenzen noch vergleichsweise niedrig sind, das Problembewusstsein der Bevölkerung wieder zu schärfen. Mitten im Wahlkampf ist das eine politische Mammutaufgabe.

Da ist es wahrscheinlich ganz angenehm, dass es noch ein anderes Thema für die Konferenz gibt: Die Folgen der verheerenden Flut im August. Und über großzügige Finanzhilfen bestand bereits am Montag weitgehend Einigkeit.

Verwendete Quellen
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