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Coronavirus: Wie sich die Welt durch Corona verändern könnte


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Folgen der Krise
Wie sich die Welt durch Corona verändern könnte


Aktualisiert am 25.03.2020Lesedauer: 7 Min.
Banner in Freiburg: Viele bekunden in diesen Tagen Solidarität mit Krankenpflegern, Ärzten und anderen, ohne die das System zusammenbrechen würde.Vergrößern des Bildes
Banner in Freiburg: Viele bekunden in diesen Tagen Solidarität mit Krankenpflegern, Ärzten und anderen, ohne die das System zusammenbrechen würde. (Quelle: dpa)
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Die Corona-Krise stellt die Welt, wie wir sie kennen, auf den Kopf. Prognosen, was von den Veränderungen bleiben wird, sind schwer zu treffen. Doch schon jetzt gibt es Bereiche unseres Lebens, deren Umwälzungen wir wachsam betrachten sollten.

Hätte man zum Jahreswechsel ein Szenario skizziert, wonach in diesem Frühjahr Deutschlands Innenstädte wie ausgestorben sein würden, Cafés und Restaurants geschlossen, Spielplätze verwaist, dann hätte man das wohl für eine Idee aus einem dystopischen Roman gehalten. Fußballspielen – verboten. Freunde zum Grillen treffen – verboten. Großeltern besuchen – verboten. In fremde Länder reisen – verboten.

Die Corona-Krise greift wie nichts zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik in unseren Alltag ein. Das heißt genauer: Es ist der Staat, der eingreift, mit einem Maß an Autorität und Strenge, die er in den 71 Jahren seines Bestehens nicht an den Tag gelegt hat. Er schränkt Grundrechte wie die Versammlungsfreiheit, die Bewegungs- und die Religionsfreiheit ein – auf unbestimmte Zeit.

Wie diese Einschränkungen im Detail fortwirken, ist schwer vorauszusagen. Sie könnten der Schritt hinein in einen dystopischen Plot sein, wo es um viel mehr geht als ein paar geschlossene Cafés und Kitas. Gleichzeitig gibt eben diese starke Führung an anderer Stelle Anlass zur Hoffnung – man könnte denken, dass auch andere Krisen jetzt entschlossener angegangen werden.

Die erste Dimension ist die der Bürgerrechte. Es ist bemerkenswert, wie rasch die Bürgerinnen und Bürger weitreichende Ausgangsbeschränkungen und Kontaktverbote akzeptiert haben. Ein paar Uneinsichtige gibt es immer noch, aber die Allermeisten haben den Ernst der Lage offenbar verstanden. Im Angesicht der gesundheitlichen Gefahr ordnen die Menschen sich dem Staat unter. Das ist grundsätzlich richtig – sofern der Staat nicht übers Ziel hinausschießt.

Die Polizei Berlin etwa irritierte in den sozialen Medien mit der Aufforderung, man müsse seine Ausweispapiere nun immer mit sich führen. Dabei gibt es in Deutschland zwar eine allgemeine Ausweispflicht, aber keine Mitführpflicht. Für die Kontrolle braucht es eine rechtliche Grundlage. Wer der Berliner Polizei bei einer anlasslosen Kontrolle also widerspricht, ist kein Revolutionär, sondern kennt einfach seine Rechte. Auch unter dem Infektionsschutzgesetz.

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Ein Blick ins Ausland zeigt, wohin die Steuerung durch den Staat führen kann: In Frankreich, dem Land der berühmten Revolution und dem legendären Aufbäumen der Menschen gegen unliebsame staatliche Entscheidungen, darf man sich seit Dienstag, 24. März, nur noch eine Stunde täglich aus dem Haus begeben, zum Sport oder zum Spazierengehen, und auch das nur mit einem Passierschein und im Radius von einem Kilometer vom Wohnort entfernt. In Spanien überwachen Drohnen die Einhaltung der Ausgangssperre.

Die zweite Dimension ist die technische Überwachung durch den Staat. Apps, die einen Alarm auslösen, sobald man sich aus der Quarantäne entfernt? Apps, die Bewegungsdaten von Infizierten an die Gesundheitsbehörden weitergeben? Was wie Science-Fiction klingt, wird in anderen Ländern bereits praktiziert – und auch in Deutschland vom Gesundheitsministerium erwogen. In Israel wurde per Notverordnung festgelegt, dass jeder zu jeder Zeit über sein Handy geortet werden kann, um den möglichen Kontakt zu Infizierten nachzuverfolgen und zu unterbinden.

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In Deutschland arbeitet das Robert Koch-Institut an einer App, die mit anonymisierten Handydaten feststellen soll, inwieweit die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus wirken. Datenschützer finden das hiesige Vorgehen erträglich, weil es vorerst keine unmittelbaren Rückschlüsse auf den Einzelnen zulassen soll – anders als etwa in China, wo offenbar Daten namentlich bekannter Nutzer weitergegeben werden. "Ein totales Tracking aller Menschen in diesem Lande würde ich, jedenfalls nach dem derzeitigen Stand, nicht für verhältnismäßig halten", sagte der Datenschutzexperte Peter Schaar kürzlich im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Zuvor müssten andere Maßnahmen ausgeschöpft werden.


Dass Staaten moderne Technik zur Bekämpfung einer Pandemie einsetzen, ist legitim. Die Frage ist, wie weit dies in die Bürgerrechte eingreift – und vor allem, ob es zeitlich begrenzt ist. Die Akzeptanz all jener Schritte der Regierungen fußt auf der Einsicht der Menschen, dass sie in Gefahr sind. Wenn die Gefahr aber vorüber ist, gehört es zur Gesundung der Demokratie, auch die Einschränkung der Bürgerrechte wieder zurückzufahren.

Nach Meinung von Psychologen und Forschern hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel ein besonderes Vertrauen erarbeitet, indem sie die Einschränkungen des öffentlichen Lebens in Zusammenarbeit mit den Ministerpräsidenten der Länder schrittweise und transparent durchgesetzt hat. Sie macht deutlich: Dies ist kein Dauerzustand, auch wenn gerade niemand weiß, wie lange das anhalten wird.

Wenn Datenschutz ernst genommen wird, bleibt auch der Einsatz von Smartphone-Tracking zeitlich begrenzt. Hier gilt für Parlamente, Zivilgesellschaft und Verbände, wachsam zu bleiben und genau hinzuschauen: Werden diese Techniken nach der Krise wieder ordnungsgemäß in die Schublade gesteckt?

Jetzt klatschen sie abends zum Dank

Die dritte Dimension, die die Corona-Krise nachhaltig beschäftigen dürfte, ist eine gesellschaftliche. Früher galt als systemrelevant, was in großem Stil Arbeitsplätze gesichert und den Industrie- und Bankenstandort Deutschland vorangebracht hat. "Too big to fail" hieß es, als Banken sich verzockt hatten und vom Staat gerettet wurden. Nun ist ein neuer Ton eingezogen. Es wird über systemrelevante Berufe gesprochen, über jene, die jeden Tag arbeiten und sich mühen, ihre Miete zu zahlen. Die Bundeskanzlerin dankte in ihrer Fernsehansprache den Supermarktkassierern und den Krankenpflegern.

Ist ihre Stunde jetzt gekommen? Vielleicht lautet die Losung jetzt: "small, but too many to fail"? Wenn wir Erzieher, Kassierer, Krankenpfleger und Klopapierproduzenten nicht mehr hätten, würde unser System zusammenbrechen. Auf den Balkonen klatschen die Menschen abends Beifall für die neuen Systemrelevanten, an Autobahnen befestigen sie Dankesbotschaften (die die Polizei aus Sicherheitsgründen entfernt).

Manch einer äußert die Hoffnung, die neue Anerkennung möge sich auch im Gehalt und der Arbeitsbelastung niederschlagen – irgendwann, nach der Krise. Ob das so kommt, ist allerdings fraglich. Die Menschheit ist vergesslich, und der Geldbeutel der Bundesrepublik wird schon jetzt, ganz akut, kräftig geplündert, um der Wirtschaft zu helfen.

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Nichtsdestotrotz ist da ein Hoffnungsschimmer, dass zumindest eine ernsthafte Debatte angestoßen wird. Gleiches könnte für zwei weitere Themen gelten.

"Es ist die Stunde der Amtsträger", so formuliert es die Kommunikations- und Politikwissenschaftlerin Andrea Römmele. Was sie nicht sagt, was jetzt aber überall sichtbar wird: Es ist nicht länger die Stunde der Populisten. Die Versuche der AfD, eine Abschottung Deutschlands als Lösung für die Pandemie zu verkaufen, laufen ins Leere. Denn aller Voraussicht nach werden die Grenzschließungen zeitlich begrenzt sein. Der globale Handel sowie die innereuropäischen Regeln dürften wieder aufgenommen werden, sobald die Gefahr gebannt ist. Gleichzeitig, und das muss man dazu sagen, muss die Zivilgesellschaft hier besonders wachsam sein, damit Regeln aus Ausnahmezeiten nicht im Normalzustand fortgesetzt und zur Durchsetzung fragwürdiger Ziele genutzt werden.

Der AfD fällt jetzt vor allem ihr Image auf die Füße, an dem sie solange gearbeitet hat: Die islamfeindliche Anti-Migrationspartei schafft es nicht, mit diesem Profil an das Thema Coronavirus anzudocken. Möglicherweise fällt dem einen oder anderen an dieser Stelle der Geschichte auf, dass eine vor allem rassistische Partei in schwierigen Lagen kaum etwas beizutragen hat.

Während die AfD nicht mitregiert und daher wenig Gestaltungsspielraum hat (konstruktive Vorschläge würden aber wohl dennoch registriert), hätte US-Präsident Donald Trump vor Wochen die Chance gehabt, die heraufziehende Katastrophe zu antizipieren. Doch er agierte zu spät und unbeholfen, schloss die Grenzen für Europäer und redete die Krise lange klein, statt nach vorn zu blicken und einzugestehen, dass das amerikanische Gesundheitssystem auf solche Pandemien nicht eingerichtet ist. "Make America great again", an diesem alten Wahlkampfmotto könnte Trump scheitern, wenn er in der Corona-Krise nicht noch die Kehrtwende schafft.

Auch in der Klimakrise steht zu viel auf dem Spiel

Eine Kehrtwende bräuchte es, wenn man Forschern zuhört, schon längst in der Klimapolitik. Allen Berichten von Wissenschaftlern des Weltklimarates zufolge steht in der Klimakrise zu viel auf dem Spiel, als dass man es langsam angehen lassen könnte. Und doch waren die Ergebnisse des jüngsten UN-Klimagipfels ernüchternd. Die Staatengemeinschaft konnte sich nicht auf ein konzertiertes Vorgehen einigen. Auch die nationalen Anstrengungen bleiben hinter dem zurück, was Forscher und Aktivisten fordern.

Dann kam das Coronavirus. Die Entschlossenheit, die die Regierungen plötzlich demonstrieren, um jeden Preis Leben zu retten, wirft die Frage nach der Parallele zur Klimakrise auf. Auch die Klimakrise fordert bereits jetzt Opfer, und es werden in den kommenden Jahrzehnten noch mehr sein, durch Dürren, Hungersnöte, Hitze oder neuartige Krankheitserreger. Man sieht jetzt, in der Corona-Krise, wozu die Staaten imstande sind. Liegt auch darin ein Hoffnungsschimmer?

Wohl kaum. In der Corona-Krise haben Menschen eine sehr konkrete Bedrohung vor Augen. Idealerweise hofft man bei den Maßnahmen auf einen Zeitraum von einem knappen Jahr. Im Frühjahr des kommenden Jahres könnte ein Impfstoff vorliegen. Das ist ein überschaubarer Zeithorizont, in dem der Staat stark auftreten und auch den Verlust vieler Arbeitsplätze in Kauf nehmen muss.

Die Klimakrise ist dagegen abstrakt. Die Politik muss den Wandel deswegen schrittweise gestalten. Ein ähnlich straffes Programm wie gegen das Coronavirus müsste zudem Jahrzehnte dauern. Die finanziellen Belastungen wären also eine ganz andere Kategorie. Und: Man muss den Menschen solche Maßnahmen auch vermitteln können. Tut man das nicht, mehrt sich der Widerstand. Dabei ist der Staat auf die Unterstützung der Bevölkerung angewiesen.

Bis ins alte Herz des Kapitalismus

Was bleibt unterm Strich? Die Welt wird nach der Corona-Krise eine andere sein. Allein schon, weil alle Menschen, weltweit, von diesem Virus bedroht waren, unabhängig von ihrer Herkunft, ihrem Geschlecht oder ihrem Kontostand. Das hat es so lange nicht mehr gegeben. Einen weltweiten Stillstand dieser Art erst recht nicht. Im Gegensatz zur Vogelgrippe und anderen Erkrankungen hat Covid-19 es bis ins alte Herz des globalen Kapitalismus, bis nach Amerika und Europa, geschafft.

Im Angesicht dieser Krise sind die Menschen kreativ und solidarisch geworden. Musiker streamen ihre Konzerte in den sozialen Netzwerken. Supermarktkassierer bekommen Pralinen geschenkt. Die Arbeit von Krankenpflegern und Ärzten wird überall gelobt. Chefs stellen fest, dass Homeoffice funktioniert und nicht alles zusammenbricht, wenn die Mitarbeiter zu Hause vor dem Rechner sitzen. Die Digitalisierung zeigt in Zeiten von Corona, was alles in ihr steckt.

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Im Guten wie im Schlechten – denn wenn sich die technische Kreativität gegen die Bürger richtet, droht ein Überwachungsstaat im Orwell’schen Sinne. Das vor lauter Begeisterung über die digitalen Angebote zu vergessen, wäre fatal. Edward Snowdens Enthüllungen über die technischen Möglichkeiten von Google, Facebook und diverse Geheimdienste haben schon vor acht Jahren gezeigt, dass Skepsis angebracht ist: Im Zuge des "USA Patriot Act" gegen terroristische Bedrohungen haben die US-Behörden flächendeckend Serverdaten von großen Internetprovidern abgegriffen, statt wie vorgesehen nur im konkreten Einzelfall.

Die Corona-Krise hat nicht nur eine negative Seite. Aber es kommt darauf an, wie wir sie steuern.

Verwendete Quellen
  • Mit Material von dpa
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