Gescheiterte Fusion Nach dem Banken-Fiasko gerät Scholz in Erklärungsnot
Gerne hätte der Finanzminister die Geburt eines großen Banken-Champions gefeiert. Doch dann gab es keine Glückwünsche zur Fusion von Commerz- und Deutscher Bank, sondern nur drei hanseatisch zurückhaltende Sätze.
Die Fusion von Deutscher Bank und Commerzbank ist geplatzt – und bringt den Vizekanzler, Finanzminister und stellvertretenden SPD-Chef in Erklärungsnot. Olaf Scholz' dünne Worte werden kaum ausreichen, um zu erklären, welche Rolle das Finanzministerium bei den Gesprächen der Banken spielte. Und was heißt das Debakel für die Perspektiven eines Mannes, der Kanzlerkandidat seiner Partei werden möchte?
Das Verfolgen langer Linien, das hartnäckige Vorantreiben von Projekten – das war Scholz' Markenzeichen als langjähriger Hamburger Bürgermeister. Und so versucht der Vizekanzler, zusammen mit SPD-Chefin Andrea Nahles, seine Partei wieder in eine bessere Lage zu manövrieren. Das Scheitern großer Projekte aber kann seinem Image schaden.
Monatelang hatte der 60-Jährige für stärkere deutsche Banken geworben – und dann in Brüssel als erster ausgeplaudert, dass die beiden Finanzhäuser Gespräche führten. Auch nach dem Scheitern der Verhandlungen pocht der Minister weiter auf seine Strategie: Die deutsche Industrie brauche "konkurrenzfähige Kreditinstitute", die die Unternehmen in aller Welt begleiten könnten. Doch einen Plan B präsentieren weder Scholz noch sein Staatssekretär Jörg Kukies, ein ausgewiesener Banken-Experte, einst Deutschland-Chef beim Finanzriesen Goldman Sachs.
Stattdessen stellt sich die Frage, ob sich die Politik hier eingemischt, die die Konzerne womöglich sogar zu Gesprächen gedrängt hat. Kukies hatte sich mehrmals mit Vertretern der Deutschen Bank getroffen. Der Staat ist mit 15 Prozent an der Commerzbank beteiligt.
Es hat angeblich keine Einmischung aus Berlin gegeben
Scholz weist eine Einmischung klar zurück. Auch Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing wehrt sich gegen den Eindruck, der Vizekanzler habe die Verhandlungen hinter den Kulissen vorangetrieben. "Es gab keinen Druck aus Berlin", sagt er in einem internen Video, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Die Politik sei "konstruktiver Begleiter" gewesen. Die Opposition mag das nicht glauben, wirft Scholz "amateurhaftes Agieren" vor, das "kolossalen Schaden" angerichtet habe. Die geplatzten Gespräche seien eine "Klatsche für Olaf Scholz und seinen Größenwahn".
An Selbstbewusstsein mangelt es dem Vizekanzler gewiss nicht – auch wenn Scholz nicht polternd und lautsprecherisch durch die Republik zieht. Als er Anfang des Jahres in einem Interview mögliche Kanzlerambitionen durchblicken ließ, tat er dies etwas verklausuliert: Für einen Vizekanzler gelte, dass er sich das Amt zutraue, sagte er auf eine entsprechende Frage.
"Scholz und Nahles fahren nicht auf Sicht, sondern auf Strecke"
Damals dümpelte die SPD in Umfragen bei 14 bis 15 Prozent. Doch Scholz gilt als machtbewusst und ehrgeizig. Gemeinsam mit Nahles verfolgt der Hamburger das Projekt, seine Partei mit erneuertem Profil wieder nach vorne zu bringen. Auf den im Februar ausgerufenen Sozialstaatskurs mit einer teilweisen Abkehr von Hartz IV in heutiger Form sollen in den kommenden Monaten Antworten für eine moderne Verzahnung von Wirtschaft und Klimaschutz folgen.
Gleichzeitig sucht die SPD Profilierung in der Koalition – etwa mit dem Konzept einer milliardenschweren Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung oder der Forderung nach einer grundlegenden Entlastung von Familien im Pflegefall. Doch vieles von dem, was die SPD nun will und fordert, ist an der Seite der Union nicht umzusetzen. "Scholz und Nahles fahren nicht auf Sicht, sondern auf Strecke", sagt ein Vertrauter. Soll heißen: Der Vizekanzler wolle möglichst viele Bausteine für einen ursozialdemokratischen Wahlkampf parat haben, wenn es zum Ende der Wahlperiode mit ihm als Kandidat so weit sei.
Doch niemand weiß, ob es so weit kommt. Zunächst mal ist offen, wie die SPD ihren nächsten Kanzlerkandidaten überhaupt kürt. Ex-Parteichef Sigmar Gabriel, dem nach wie vor selbst Ambitionen nachgesagt werden, spricht sich für "Vorwahlen wie in Frankreich oder den USA" aus. Er hoffe, dass sich in der SPD mehrere Bewerber fänden, "damit wir in einer großen Mitgliederentscheidung dann jemanden auswählen", sagte Gabriel der "Nordsee-Zeitung". In Hamburg kam Scholz als Bürgermeister trotz seiner wortkargen, bisweilen spröden Art gut an – ob er als Kanzlerkandidat deutschlandweit etwas für die SPD herausholen könnte, ist ungewiss.
Rund vier Wochen vor der Europawahl am 26. Mai liegt die SPD bundesweit in der Wählergunst bei um die 18 Prozent. Im Willy-Brandt-Haus blickt man mit Bangen vor allem auf die Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen im Herbst. Muss die SPD in diesem Jahr mehrere Wahlschlappen einstecken, könnten die Gegner der Groko und die Kritiker der Führungsriege spätestens beim Parteitag im Dezember Scholz und Nahles einen Strich durch die Rechnung machen. Auf dem Konvent soll die Parteispitze neu gewählt und eine Groko-Halbzeitbilanz gezogen werden.
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Für Scholz kommt es nun auch auf sein weiteres Erscheinungsbild als Finanzminister an. So steht unter anderem die Reform der Grundsteuer an, über die es in der Koalition noch Streit gibt. Gelänge es der Opposition, dem Finanzminister doch noch eine Einflussnahme auf die Banken-Fusionsgespräche nachzuweisen, könnte das seine Glaubwürdigkeit ankratzen. Andererseits könnte das Scheitern der Fusion der SPD in den anstehenden Wahlkämpfen neuen Ärger ersparen. Betriebsräte und Gewerkschaften hatten im Falle einer Zusammenlegung beider Banken massenhafte Jobverluste gefürchtet – dazu kommt es jetzt nicht.
- Nachrichtenagentur dpa