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Nato-Bomben auf Serbien: Deutschland zog vor 20 Jahren in den Krieg


20 Jahre: Nato-Bomben auf Serbien
Als Deutschland wieder in den Krieg zog

dpa, Boris Babic

24.03.2019Lesedauer: 4 Min.
Vor 20 Jahren zog Deutschland in den KriegVergrößern des Bildes
Vor 20 Jahren zog Deutschland in den Krieg (Quelle: dpa-bilder)
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Brennende Dörfer im Kosovo und gescheiterte Verhandlungen mit Belgrad: Vor 20 Jahren standen deutsche Soldaten erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg wieder im Kampf - unter einer rot-grünen Regierung.

Belgrad, 24. März 1999: Der einsetzende Luftalarm und die ersten Angriffe sind praktisch eins. Die letzte Chance für eine Friedenslösung im Kosovo-Konflikt ist ergebnislos verstrichen. Mit Kampflugzeugen und Marschflugkörpern greift die Nato nun an, um serbische Kräfte von ihrem brutalen Vorgehen in der Albaner-Provinz abzubringen. Vom italienischen Fliegerhorst Piacenza steigen auch deutsche Tornados zum Einsatz auf. Gegen 23.15 Uhr wird in Jugoslawien der Kriegszustand ausgerufen.

Noch am Abend wendet sich Bundeskanzler Gerd Schröder (SPD) in einer Fernsehansprache an die Deutschen. Die jugoslawischen Sicherheitskräfte hätten ihr "terroristisches Vorgehen" gegen die Albaner verstärkt, die Führung in Belgrad habe alle Verträge gebrochen. "Deshalb blieb als letztes Mittel nur die Anwendung von Gewalt", sagt Schröder.

Krieg ohne UN-Mandat

Mit dieser Aktion verteidige das westliche Bündnis die Grundwerte Freiheit, Demokratie und Menschenrechte. Schröder weist darauf hin, dass mit der Beteiligung der Luftwaffe zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg deutsche Soldaten wieder im Kampf stünden. "Ich rufe von dieser Stelle aus alle Mitbürgerinnen und Mitbürger auf, in dieser Stunde zu unseren Soldaten zu stehen."

Als Teil der westlichen Militärallianz zog Deutschland in einen Waffengang, der nicht durch ein Mandat des UN-Sicherheitsrats gedeckt war. Es war ein Krieg, den die westlichen Staaten mit der Einsicht begründeten, dass die gewaltlosen Bemühungen, den serbischen Kriegsherrn Slobdodan Milosevic im Kosovo zu einem Einlenken zu bringen, gescheitert waren.

In der überwiegend albanisch bevölkerten, damals zu Serbien gehörigen südlichen Provinz hatte sich seit 1998 ein bewaffneter Aufstand der UCK-Miliz ausgebreitet. Neun Jahre zuvor hatte Milosevic die Autonomie des Kosovos abgeschafft. Die serbischen Sicherheitskräfte bekämpften den Aufstand mit brutaler Härte. Immer wieder kam es zu Massakern an Zivilisten und zu Vertreibungen ganzer Dörfer.

Opfer durch fehlgeleitete Luftangriffe

Nach den Gräueltaten von Serben im Bosnien-Krieg (1992-1995) wollte der Westen die von Milosevic betriebene Machtpolitik der ethnisch motivierten Vertreibung ein für alle Mal beenden. Eine Art Verpflichtung, die Menschenrechte zu verteidigen, wurde über das Souveränitätsrecht eines Staates gestellt. Die von Milosevic' Vorgehen ausgelösten Flüchtlingswellen in die Nachbarstaaten drohten zudem die Stabilität der Region zu gefährden. Im französischen Rambouillet war über einen Ausweg aus der Gewaltspirale verhandelt worden - erfolglos.

Mit gezielten Bombardierungen von Kasernen, militärischen Stützpunkten und Radaranlagen, aber auch von zivilen Einrichtungen wie Fernsehsendern, Raffinerien, E-Werken und Brücken sollte Milosevic dann zum Einlenken gezwungen werden. Die Kriegsführung war aber nicht so "klinisch sauber", wie die Nato-Pressestellen es darzustellen versuchten: Fehlgeleitete Luftangriffe töteten immer wieder auch serbische Zivilisten - und in einem Fall sogar Kosovo-Albaner, die innerhalb der Provinz in einer Flüchtlingskolonne unterwegs waren.

Als besonders tragisch und letztlich militärisch sinnlos erwies sich die Bombardierung einer Brücke im zentralserbischen Städtchen Varvarin. Die 15-jährige Sanja Milenkovic hatte damals in Belgrad die Schule besucht. Sie und ihre Familie dachten, dass sie im ländlichen, von den Kriegsschauplätzen weit entfernten Varvarin sicherer wären. Als sie am 30. Mai, am Tag des orthodoxen Dreifaltigkeitsfests, mit zwei Freundinnen auf den Markt gehen wollte und dabei die Brücke über die Morava überquerte, schlug neben den Mädchen eine von einem Nato-Flugzeug abgefeuerte Rakete ein.

Zeit heilt nicht alle Wunden

Sanja, die leicht verletzt war, klammerte sich noch an Teilen der eingestürzten Brücke fest. Doch bevor ihr jemand helfen konnte, kehrten die Nato-Jets zurück. Eine weitere Rakete schlug ein. Die Splitter des Geschosses verletzten das Mädchen tödlich. Weitere neun Bewohner des Ortes wurden bei diesem Angriff getötet, 27 verletzt.

An einem klaren Märztag steht Sanjas Mutter Vesna Milenkovic 20 Jahre später vor der wiederaufgebauten Brücke über die Morava. "Man sagt, die Zeit heilt Wunden", sagt sie. "Aber es stimmt nicht. Man lernt lediglich, mit dem Schmerz zu leben." Jahrestage kommen und gehen, aber ihr sei es wichtig, das Andenken an Sanja im öffentlichen Gedächtnis zu bewahren. "Sie darf nicht vergessen werden. Denn das, was ihr, was dieser kleinen Stadt zugestoßen ist, kann einem jeden an jedem Ort des Planeten zustoßen."

Fehlende Anerkennung durch Russland und China

Vesna Milenkovic wuchs teilweise in Deutschland auf, sie spricht deutsch und hat über ihre Firma oft mit Deutschland zu tun. Zusammen mit engagierten Deutschen versuchte sie die Bundesrepublik - als Teil der damaligen Kriegsallianz - wegen des Todes ihrer Tochter vor Gericht zu verklagen. Der Rechtsstreit ging bis vor den Bundesgerichtshof - die Klage wurde in allen Instanzen abgewiesen. "Mir ging es nicht um das Geld aus Schadenersatz", betont Milenkovic. Vielmehr habe der Prozess eine Warnung sein sollen.


Der Krieg endete nach 78 Tagen mit der Kapitulation von Milosevic. Das Kosovo wurde zunächst von den Vereinten Nationen verwaltet, 2008 erklärte es sich für unabhängig. Mehr als 100 Staaten, darunter Deutschland, erkannten den neuen Albanerstaat an, andere, darunter Russland, China und fünf EU-Länder, taten es nicht. Milosevic wurde 2000 vom eigenen Volk gestürzt und von der neuen Regierung an den Internationalen Gerichtshof in Den Haag ausgeliefert. Er starb 2006, bevor sein Prozess wegen Kriegsverbrechen in Kroatien, Bosnien und im Kosovo mit einem Urteil enden konnte.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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