Prozess in Dessau-Roßlau Tod eines 22-Jährigen in Köthen: Angeklagte bestreiten Tat
Köthen/Dessau-Roßlau (dpa) - Der Tod eines 22-Jährigen nach einem nächtlichen Streit vor fünf Monaten versetzte die Kleinstadt Köthen in den Ausnahmezustand. Angefeuert von Gerüchten um ausländische Tatverdächtige zogen rechte Bündnisse durch die Stadt.
Was genau geschehen ist, versucht das Landgericht Dessau-Roßlau aufzuklären. Auf der Anklagebank sitzen in weinroten Sweatshirts und Jeans zwei jungenhaft wirkende Männer im Alter von 17 und 18 Jahren. Sie bestreiten, was ihnen die Staatsanwaltschaft vorwirft: gefährliche Körperverletzung und Körperverletzung mit Todesfolge. Beide stammen aus Afghanistan.
Der 18-Jährige lässt über seinen Verteidiger erklären, er habe den zu Tode Gekommenen weder geschubst, noch geschlagen oder getreten - vielmehr habe er ihn gar nicht wahrgenommen. Der 17-Jährige äußert sich ähnlich. Ja, es habe einen Streit gegeben zwischen mehreren Afghanen. Man sei unterschiedlicher Meinung gewesen, von wem eine junge Frau schwanger gewesen sei. Es sei zu Schubsereien und Gerangel gekommen. Dann seien mehrere Deutsche aufgetaucht. Von Bierflaschen und Holzlatten ist die Rede, die sie dabei gehabt hätten.
Einer der Deutschen - möglicherweise ein Bruder des Getöteten - habe den 18-Jährigen angegriffen und getreten. Er sei auch von hinten am Hals umfasst worden, berichtet der ältere Angeklagte. Der jüngere der beiden sagt, jemand habe ihn gegen eine Wand geschleudert. Dann seien sie geflüchtet. Einen am Boden liegenden Mann wollen sie nicht gesehen haben.
Die Staatsanwaltschaft sieht das anders: Danach kam der 22 Jahre alte Deutsche zum Streit der Afghanen hinzu, um zu schlichten. Daraufhin soll einer der Angeklagten ihn geschlagen haben, so dass der junge Mann stürzte. Der andere Beschuldigte soll ihm mindestens einen Fußtritt gegen Oberkörper oder Kopf versetzt haben.
Der schwer herzkranke Köthener starb kurz darauf in einer Klinik. Die Gerichtsmediziner stellten einen akuten Herzinfarkt als Todesursache fest. Die Staatsanwaltschaft erkennt im Stress der Situation wie auch in den Attacken und im Alkohol, den der 22-Jährige getrunken hatte, Elemente, die den Herzinfarkt begünstigt hätten.
Auch wenn sie keine Schuld bei sich sehen - die Angeklagten richteten sich vor ihren Aussagen zunächst an die Familie des Verstorbenen. Er wolle der Familie und den Freunden des 22-Jährigen sein herzliches Beileid aussprechen, formulierte der 17-Jährige in gutem Deutsch. "Es tut mir unglaublich leid." Sein Mitangeklagter sagte der Übersetzung eines Dolmetschers zufolge: "Ich entschuldige mich bei der Familie, es war nicht beabsichtigt, dass so etwas passiert."
Der Fall hatte bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Rechte Bündnisse zogen durch die sachsen-anhaltische Kleinstadt, es gab sogenannte Trauermärsche und Gegendemonstrationen. Die Stadt organisierte ihrerseits Bürgerfeste. In einer Kirche im Stadtzentrum fanden tägliche Friedensgebete statt. Die Furcht vor einem zweiten Chemnitz ging um: Erst kurz zuvor, Ende August, war dort ein 35-jähriger Deutscher erstochen worden, woraufhin die sächsische Stadt in Aufruhr geriet. Inzwischen wurde Anklage gegen einen Syrer erhoben.
Am Landgericht Dessau-Roßlau wird an diesem Mittwoch (9.00 Uhr) weiterverhandelt. Dann sollen auch drei Zeugen gehört werden, darunter die junge Frau, um deren Schwangerschaft sich der Streit drehte. Insgesamt hat das Gericht bislang noch acht weitere Verhandlungstermine bis zum 20. März angesetzt.