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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Merkel und Macron in Meseberg Warum der Asylstreit auch sein Gutes hat
Der Asylstreit setzt Kanzlerin Merkel unter enormen Druck. Das hat nicht nur negative Folgen: Nach monatelangem Stillstand in der Europapolitik haben sich beim deutsch-französischen Ministertreffen endlich Kompromisse abgezeichnet.
In Deutschland dreht sich die politische Diskussion in diesen Tagen fast ausschließlich um den Asylstreit. Er überschattete auch das heutige deutsch-französische Ministertreffen in Meseberg bei Berlin. Kanzlerin Merkel hatte Präsident Macron eingeladen, beide brachten ihre wichtigsten Minister mit.
Merkel steht innenpolitisch unter so starkem Druck wie vielleicht noch nie in ihrer zwölfjährigen Kanzlerschaft, und Macron weiß das. Für seine EU-Reformpläne braucht er die Deutsche, deshalb wird er viel tun, um sie zu unterstützen. Allein hätte die Bundesregierung kaum eine Chance, bis zum EU-Gipfel in zehn Tagen eine gemeinsame europäische Asylregelung anzubahnen – oder wenigstens bilaterale Asylabkommen mit weiteren Ländern abzuschließen. Gemeinsam sind die Chancen größer.
So könnte es gehen: Merkel und Macron geben den allgemeinen Rahmen und die roten Linien vor, überlassen die konkrete Ausgestaltung dann aber ihren Innenministern (mehr zu den Details hier). Schließlich sei es nicht die Aufgabe von Regierungschefs, Verwaltungsaufgaben wahrzunehmen, ist aus dem Umfeld der Kanzlerin zu hören. So würde Merkel den Ball geschickt zu Seehofer zurückspielen, der sich dann – innerhalb der von Merkel gesetzten Leitplanken – monatelang um Abkommen mit den anderen EU-Ländern bemühen müsste.
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Umsonst bekommt Merkel diese französische Unterstützung aber nicht. Man kann die Ergebnisse des Treffens in Meseberg so lesen, dass Macron ein Entgegenkommen bei den EU-Finanzen verlangt. Ein eigenes Budget der Eurozonenländer mit eigenem Finanzminister, das will Merkel zwar nicht mitgehen. Aber sie muss dem Franzosen an anderer Stelle Zugeständnisse machen, das zeigte die Pressekonferenz der beiden Regierungschefs am Dienstagnachmittag:
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- Mit einem neuen Budget zur Förderung von Innovation, Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz, die Merkel für "die vielleicht größte Herausforderung" hält, "die wir in Europa haben". Vor allem jene Länder sollen gefördert werden, in denen die Schuldenkrise die Wirtschaft zerrüttet und populistische Parteien gestärkt hat. Wie groß dieses ab 2021 aufgestellte Budget sein soll, wie teuer es also für Deutschland wird, ist zwar noch offen. Man wolle da der Diskussion mit den anderen 17 Euro-Staaten nicht vorgreifen, hieß es. Macron machte aber seine Erwartungshaltung sehr klar: "Wir haben uns auf einen Euro-Haushalt geeinigt. Das ist ein echter Haushalt auf Jahresbasis mit Ausgabensteuerung durch die EU-Kommission." Auch wenn das Budget am Ende formal im Rahmen des bestehenden EU-Haushalts abgebildet wird: Das ist ein Punktsieg für Macron.
- Mit einer noch intensiveren (und kostspieligeren) Zusammenarbeit in der Außen- und Verteidigungspolitik inklusive einem europäischen Sicherheitsrat und einer schlagkräftigen EU-Eliteeinheit für Kriseneinsätze.
- Und mit einem Ausbau des Euro-Rettungsschirms ESM zu einem Europäischen Währungsfonds, der die Staaten sowohl gegen neue Finanzkrisen als auch gegen kurzzeitige Schwankungen an den Finanzmärkten schützt. Ein wichtiges Detail ist dabei noch in der Diskussion, aber noch nicht beschlossen: Euro-Länder, die in eine finanzielle Krise schlittern, sollen ihre Zahlungen an die EU aussetzen dürfen, aber trotzdem weiter Geld aus Brüssel erhalten. Haben sie sich später konsolidiert, müssten sie ihre Beiträge nachzahlen. Merkel will ein solches Zugeständnis zwar an nachprüfbare Reformschritte in den Ländern knüpfen, aber es ist fraglich, ob sie sich damit in den weiteren Verhandlungen durchsetzen kann. Die krisenerfahrenen Italiener, Spanier, Griechen, Iren werden dazu ihre eigenen Meinungen haben.
Dennoch: Nach monatelangem Stillstand in der Europapolitik steht das Treffen in Meseberg endlich für einen Durchbruch. Für konkrete Kompromisse, denen sich nach und nach weitere EU-Partner anschließen können. Manchmal hilft es eben, wenn Regierungschefs plötzlich unter Druck geraten.
- Eigene Recherche