Landtagswahlen im Osten Wahlkampf in Thüringen und Sachsen geht in den Endspurt
Am Sonntag wird in Thüringen und Sachsen gewählt, der Wahlkampf geht zu Ende. Eine Umfrage zeigt wenig Bewegung bei den Parteipräferenzen - trotz des mutmaßlich islamistischen Anschlags von Solingen.
Kurz vor den Landtagswahlen sieht das ZDF-Politbarometer Extra die AfD in Thüringen als stärkste Kraft - in Sachsen kann die CDU mit dem Wahlsieg rechnen. Das geht aus der neuen, im "heute journal" veröffentlichten Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen hervor. In beiden Bundesländern werden am Sonntag neue Landtage gewählt.
An diesem Freitag werben die Parteien noch einmal kräftig um Zustimmung. Zu abschließenden Kundgebungen reisen auch Spitzenpolitiker der Bundesparteien in die beiden Länder. So wird Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gemeinsam mit SPD-Spitzenkandidatin Petra Köpping beim Wahlkampfabschluss der sächsischen Sozialdemokraten in Chemnitz erwartet.
Für Aufregung sorgte kurz vor dem Wahlsonntag ein Zwischenfall bei einer Veranstaltung von BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht. Diese musste einen Auftritt in Erfurt kurzzeitig unterbrechen, nachdem auf die 55-Jährige mit einer roten Flüssigkeit gespritzt worden war. Wagenknecht wurde leicht getroffen, sie setzte nach kurzer Unterbrechung ihren Auftritt fort. Ein dpa-Fotograf vor Ort beobachtete, dass ein Tatverdächtiger von Sicherheitskräften zu Boden gedrückt und mit Handschellen abgeführt wurde.
Umfrage: AfD in Thüringen vor CDU - in Sachsen auf Platz 2
In Thüringen liegt die AfD laut ZDF-Politbarometer bei 29 Prozent und damit klar auf dem ersten Platz vor der CDU mit 23 Prozent und dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) mit 18 Prozent. Die Linke, die in dem Bundesland mit Bodo Ramelow den Ministerpräsidenten stellt, steht bei 13 Prozent. Die SPD könnte 6 Prozent erhalten, die Grünen könnten mit 4 Prozent den Einzug in den Landtag verpassen. Für die anderen Parteien ergäben sich zusammen 7 Prozent, darunter ist keine Partei, die mindestens drei Prozent erzielen würde.
"Damit hätte eine Koalition aus CDU, BSW und SPD aktuell eine knappe Mehrheit, andere nicht ausgeschlossene Koalitionen hingegen nicht", hieß es. Rein rechnerisch hätten den Angaben zufolge zwar Koalitionen aus AfD und CDU sowie aus AfD und BSW eine Mehrheit, aber auch eine aus CDU, BSW und Linke. Solche Optionen wurden aber entweder von der CDU oder dem BSW ausgeschlossen. Allerdings wissen laut Umfrage derzeit 29 Prozent der Befragten noch nicht sicher, wen und ob sie wählen wollen.
CDU hält in Sachsen Vorsprung vor der AfD
In Sachsen liegt die CDU, die mit Michael Kretschmer den Regierungschef innehat, mit 33 Prozent deutlich vor der AfD mit 30 Prozent. Die Linke wäre laut der Umfrage mit 4 Prozent nicht im Landtag vertreten - die Grünen und die SPD kämen jeweils auf 6 Prozent. Das BSW steht in der Umfrage bei 12 Prozent. Die anderen Parteien erhielten zusammen 9 Prozent - darunter ist keine Partei, die mindestens 3 Prozent erzielen würde.
"Neben der Fortsetzung der Regierung aus CDU, Grünen und SPD gäbe es auch eine genauso knappe Mehrheit für ein Bündnis aus CDU und BSW", teilten die Wahlforscher mit. Reichen würde es demnach auch für eine Koalition aus CDU und AfD, die wurde von der CDU aber ausgeschlossen. Aber auch in Sachsen wissen derzeit 24 Prozent der Befragten noch nicht sicher, wen oder ob sie wählen wollen.
Parteipräferenzen kaum verändert - trotz Solingen
Die Werte für die einzelnen Parteien haben sich seit dem Politbarometer vom 23. August kaum verändert - obwohl die neue Befragung nach dem mutmaßlich islamistischen Anschlag von Solingen durchgeführt wurden. Am Freitagabend hatte ein Angreifer auf einem Stadtfest drei Menschen mit einem Messer getötet und acht weitere verletzt. Mutmaßlicher Täter ist der 26-jährige Syrer Issa Al H., der in Düsseldorf in Untersuchungshaft sitzt.
Wahlumfragen sind generell immer mit Unsicherheiten behaftet. Unter anderem erschweren nachlassende Parteibindungen und immer kurzfristigere Wahlentscheidungen den Meinungsforschungsinstituten die Gewichtung der erhobenen Daten. Grundsätzlich spiegeln Umfragen nur das Meinungsbild zum Zeitpunkt der Befragung wider und sind keine Prognosen auf den Wahlausgang.
Forsa-Chef: Unsicherheit vor Wahl in Sachsen und Thüringen
Aus Sicht des Meinungsforschers Manfred Güllner ist der Ausgang der Wahlen in Sachsen und Thüringen ungewöhnlich schwer absehbar. Der Einfluss des Terroranschlags von Solingen auf Ergebnisse einzelner Parteien am Sonntag sei offen, sagte der Gründer des Instituts Forsa am Donnerstag bei einer Podiumsdiskussion der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. "Wir haben ja ohnehin eine große Unsicherheit."
Die beiden Ministerpräsidenten - Ramelow in Thüringen und Kretschmer in Sachsen - seien jeweils sehr beliebt. Das gelte auch für Anhänger anderer Parteien, doch die stimmten nicht für die Amtsinhaber. "Das ist eine Situation, eine Entscheidungsmatrix, die wir auch so in den alten Bundesländern nicht gewohnt sind", sagte Güllner. "Das macht ohnehin eine große Unsicherheit, ob eben die Stimmungen, die wir vor der Wahl messen, sich auch in Stimmen niederschlagen." Im Zweifel müsse man wirklich das Wahlergebnis abwarten, "vielleicht auch das Endergebnis, um zu wissen, welche Koalitionen überhaupt möglich sind".
"Überlegungen zu taktischem oder strategischem Wählen"
Der Dresdner Politologe Hans Vorländer äußerte die Erwartung, dass die CDU in Sachsen mit der Migrationsdebatte punkten könnte. Zum einen vermittle CDU-Bundeschef Friedrich Merz den Eindruck, dass er das Heft des Handelns übernehme. Zum anderen habe Sachsens Ministerpräsident Kretschmer das Thema selbst immer gesetzt. "Das wird die CDU, wenn ich mich nicht ganz schwer täusche, doch wieder ein bisschen nach oben ziehen", sagte Vorländer. "Ob es reicht, dass er stärker wird als AfD, ist eine andere Frage."
In diesem Jahr gebe es besonders viele unentschiedene Wählerinnen und Wähler, meinte der langjährige Forscher der TU Dresden. Und bei diesen "gibt es sehr wohl Überlegungen zu taktischem oder strategischem Wählen". Es gehe dabei um die Frage, ob die CDU zur stärksten Kraft gemacht oder ob eher Grünen und SPD zum Einzug in den sächsischen Landtag verholfen werden solle, "damit die CDU nicht in die Verlegenheit kommt, mit BSW in Gespräche einzutreten".
- Nachrichtenagentur dpa