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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Thüringens Ministerpräsident verärgert Ramelow zu Lanz: "Wir können gerne die Rollen tauschen"
Zum Ausklang des Jahres zoffte Markus Lanz sich nochmals heftig mit Bodo Ramelow. Der Ministerpräsident gab eigene Fehler zu, sparte aber erst recht nicht mit Kritik an anderen.
Markus Lanz lässt keinen Sendeplatz aus. Am Tag nach seiner zweistündigen "Das Jahr"-Sondersendung schob der Talker noch eine reguläre Ausgabe seiner Spätabend-Show ein, bevor er seine zweiwöchige Weihnachtspause antritt. Es ging um eine Ladung harter Themen rund ums Über-Thema Corona. Vor allem mit dem einzigen Ministerpräsidenten der Linkspartei lieferte Lanz sich Wortgefechte.
Die Gäste
- Bodo Ramelow, Ministerpräsident von Thüringen (Linke)
- Anne Hähnig, Journalistin
- Dirk Heinrich, Arzt und Ex-Impfzentrums-Leiter
- Michael Fanone, US-amerikanischer Polizist
- Elmar Theveßen, ZDF-Korrespondent in Washington
Aus Erfurt zugeschaltet, sprach Bodo Ramelow nicht nur einmal von der Debatte, die am Donnerstag im Thüringer Landtag stattgefunden hatte. So wie er sich schon im Parlament entschuldigt hatte, gab er Irrtümer und "Fehler im Pandemie-Management" zu und benannte auch einen konkret: die Absage der Thüringer Weihnachtsmärkte, nur "wenige Stunden", nachdem er sie noch unter 2G-Bedingungen für zulässig erklärt hatte.
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Genau solche Szenarien seien schon im Sommer vorhergesagt worden, entgegnete Lanz und warf Ramelow "Missmanagement" sowie "Dünnhäutigkeit" vor. "Wir können gerne die Rollen tauschen", keilte dieser zurück. Wer im Sommer (und damit im Bundestagswahlkampf) wann genau was genau gefordert und erwartet hatte, wurde im Wortgefecht nicht geklärt. Journalistin Anne Hähnig aus der Leipziger "Die Zeit"-Redaktion fasste es so zusammen: Viele Menschen, sie selbst auch, hätten damals gehofft, dass Corona sich zu einer "Pandemie der Ungeimpften" entwickeln werde. So kam es aber nicht, "2G ist nicht die Rettung".
Als wieder mal gerätselt wurde, warum die Impfquote in Ostdeutschland niedriger liegt als die (im internationalen Vergleichen ohnehin niedrige) gesamtdeutsche, plädierte Ramelow für eine schnelle Zulassung von Totimpfstoffen. Das würde helfen. Viele Thüringer würden sich auch mit dem russischen Impfstoff Sputnik V impfen lassen, wenn der zugelassen wäre. Zugleich beklagte Ramelow wiederholt "das ständige Einflüstern von Russia Today". Er warf dem deutschsprachigen staatlich-russischen Auslandsfernsehen vor, Falschmeldungen zu verbreiten.
Online-Messenger Telegram in der Kritik
Den derzeit viel kritisierten Messengerdienst Telegram kritisierte Ramelow ebenfalls. Der auf den Philippinen lebende Rechtsradikale Oliver Janich, der auf Telegram fast 160.000 Follower hat, habe dort gefordert, alle Regierungsmitglieder in Deutschland müssten standrechtlich erschossen werden. Warum Telegram zwar pornografische Seiten sperrt, aber "so was durchleitet", versteht Ramelow nicht. Er hatte also allerhand konkrete Beispiele parat und kritisierte auch die AfD scharf. Sie übernehme, gerade auch im Thüringer Landtag, bewusst eine "Scharnierfunktion" zu gewalttätigen Demonstranten.
Was Totimpfstoffe angeht, hatte der Arzt im Studio eine gute Nachricht für Ramelow. Dirk Heinrich, ehemaliger Leiter des Hamburger Impfzentrums, erwartet eine Novavax-Zulassung schon nächste Woche. Außerdem kritisierte er die Aussagen des neuen Gesundheitsministers Lauterbach zum angeblichen Mangel an Impfstoff. Das sei "keine gute Kommunikation", deshalb würden Arztpraxen wie seine jetzt erst recht von Impfwilligen überrannt. "Wir haben im Moment noch kein akutes Problem mit Impfstoff", konstatierte Heinrich. Dass es allein am Mittwoch in Deutschland rund 1,5 Millionen Impfungen gegeben habe, sei auch Überstunden des medizinischen Fachpersonals zu verdanken, was allerdings kaum gewürdigt würde.
Ramelow wiederum verteidigte Lauterbach und warf dessen Amtsvorgänger Spahn "schwere Fehler" vor. Den von der neuen Bundesregierung eingerichteten Krisenstab unter Generalsleitung lobte er.
Das konnte noch einmal etwas überraschen: Ramelow lobte die derzeit sonst oft scharf kritisierte neue Ampelregierung fast so, als gehöre die Linke auch dazu. Der Ministerpräsident, der in Erfurt an einem Tisch vor blauem, ans ARD-"Tagesschau"-Design erinnernden Hintergrund saß, nutzte die Sendung trotz Kritik von Lanz zur umfangreichen Darstellung seiner Positionen – und dürfte damit zumindest seine Anhänger überzeugt haben.
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Um noch heftigere Konflikte ging es im zweiten Teil. Zwei bereits in der Vortagssendung anwesende Gäste, US-Polizist Michael Fanone und Washington-Korrespondent Elmar Theveßen, schilderten in einer Fortsetzung des Jahresrückblicks den Sturm von Trump-Anhängern aufs Kapitol.
Dazu gab es nochmals viel mit pathetischer Musik untermaltes Bildmaterial zu sehen. Und Ramelow – der sich eigentlich hatte vorzeitig verabschieden wollen – lauschte doch mit. Er war an diesem 6. Januar ja selbst Gast in Lanz' Talkshowstudio gewesen, diese Sendung wurde aber wegen der Washingtoner Ereignisse "umgeschnitten", sagte er nicht nur einmal. Worauf Lanz nicht einging. Ob und wann seine Sendungen vorab aufgezeichnet werden, thematisiert der Talker ja nicht groß. Am Ende dieser offenkundig tagesaktuellen Sendung übernahm Ramelow dann auch noch das Schlusswort, das wieder um Thüringer Demonstrationen kreiste: "Wer Diktatur brüllt, muss mal zur Kenntnis nehmen, dass er in einer Diktatur nichts zu brüllen hätte."
Mit der knappen, aber treffenden Formel "Das war ein schwieriges Jahr, das zu Ende geht", verabschiedete Lanz sich in die Talkshowpause, aus der er bereits am 4. Januar 2022 zurückkehren wird.
- "Markus Lanz" vom 16. Dezember 2021