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Coronavirus | Globale Krisen: Es braucht mehr Innovationen aus Deutschland


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Wann kommt der nächste Durchbruch?
Die Welt ist auf Deutschlands Innovationen dringend angewiesen

MeinungEin Gastbeitrag von Tobias Kahler

04.12.2021Lesedauer: 5 Min.
Corona-Impfstoff von Biontech: Deutschland ist mit seinen Innovationen dringend gefordert, meint Tobias Kahler.Vergrößern des Bildes
Corona-Impfstoff von Biontech: Deutschland ist mit seinen Innovationen dringend gefordert, meint Tobias Kahler. (Quelle: Martin Wagner/imago-images-bilder)
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Das Coronavirus bedroht die Welt – und das Unternehmen Biontech hilft bei seiner Bekämpfung. Auch bei der Überwindung künftiger Krisen sind Deutschlands Forscher gefragt, meint Tobias Kahler.

Eine Metapher ist in den vergangenen Monaten oft wiederholt worden: Corona sei wie ein "Brennglas". In der Pandemie habe sich gezeigt, in welchen Bereichen Deutschland Nachholbedarf habe, bei der Digitalisierung und Bildung zum Beispiel, wie auch bei einer systematischen wissenschaftlichen Politikberatung.

Zugleich hat die Pandemie aber auch wie ein Brennglas gezeigt, wie viele engagierte und hochqualifizierte Wissenschaftler hier tätig sind, wie ausgeprägt die deutsche Innovationskraft und der Innovationswille nach wie vor sind. Allen voran gilt das natürlich für das Mainzer Forscherpaar Özlem Türeci und Uğur Şahin, die den ersten Impfstoff gegen Corona entwickelt und damit gemeinsam mit amerikanischen Partnern einen Meilenstein im Kampf gegen Covid-19 gesetzt haben.

(Quelle: Michael Danner)

Tobias Kahler leitet die Deutschlandbeziehungen der Bill & Melinda Gates Stiftung mit Sitz in Berlin. Zuvor war er etwa Deutschland-Direktor der entwicklungspolitischen Organisation One und selbstständiger Berater für die Weltbank. Kahler studierte Politikwissenschaften und Internationale Beziehungen in Berlin, London und Chapel Hill in den USA.

Mit anderen Worten: Corona hat uns allen vor Augen geführt, wie inmitten der Schrecken einer Pandemie wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Fortschritt möglich ist. Und dass es eine entscheidende Zeit ist, um Risiken einzugehen.

Es sind im Übrigen auch Menschen wie Klaus Hasselmann, die in dieser Zeit sichtbar wurden. Im Jahr 1995 sagte Hasselmann: "Man kann in den natürlichen Schwankungen, die wir sehen, den menschlichen Anteil mit 95 Prozent Wahrscheinlichkeit nachweisen." Hasselmann, damals Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie, hatte mit seinem Verfahren nachgewiesen, dass der Mensch hohen Einfluss auf das Klima und den Klimawandel hat. Für diese Erkenntnis auf Basis seiner Klimamodelle wurde Hasselmann nun, im Jahr 2021, mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.

Vermeidung von Worst-Case-Szenarien

Das sind wichtige Signale, gerade jetzt, wenn Deutschland im Hinblick auf die Bewältigung der Pandemie mit sich hadert. Denn Deutschland ist und bleibt ein wichtiger Pionier in der Forschung und Innovation und sollte diese Stellung in den kommenden Jahren weiter ausbauen. Die Pandemie hat uns gezeigt, dass es in Zeiten von Krisen auf Innovationen und Geschwindigkeit ankommt, national und global.

Und weil so viele Menschen weltweit, und eben auch in Deutschland, ihr Wissen eingebracht haben, konnten vielbefürchtete Worst-Case-Szenarien bislang weitgehend vermieden werden – auch wenn es weltweit gesehen noch an einer gerechten Verteilung des Impfstoffes mangelt und damit weitere Mutationen von SARS-CoV-2 wie die neue Omikron-Variante riskiert werden.

Corona war (und ist) ein deutlicher Warnschuss. Als globale Gemeinschaft müssen wir künftig krisenfester werden. Es braucht Resilienz, es braucht intensive Gesundheitsvorsorge und eben auch Forschung und Innovation, um Krisen gerecht zu werden. Denn dass Krisen kommen werden, ist sicher. Bei der Bekämpfung von Herausforderungen wie dem Klimawandel, der Armut oder der Weltgesundheit ist es möglich, dass eine vergleichbare globale Zusammenarbeit wie bei Covid-19 gelingen kann, eine gemeinschaftliche Krisenbewältigung auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnis.

Und das am besten mit Deutschlands Hilfe und langjährigem Know-how. Türeci und Şahin konnte der Durchbruch beim Impfstoff vor allem auch deshalb gelingen, weil seit vielen Jahren in Deutschland und Europa eine intensive Grundlagenforschung im Bereich der mRNA-Technologie betrieben wird.

Durchbrüche in globalen Krisen

Länder wie Deutschland sind es auch, die ihren Teil dazu beitragen, die Gesundheitsversorgung in Entwicklungs- und Schwellenländern zu fördern, beispielsweise im Bereich der Neglected Tropical Diseases (NTD). Rund 1,7 Milliarden Menschen, meist der ärmste Teil in ohnehin armen Ländern, sind weltweit von diesen "vernachlässigten" Tropenkrankheiten betroffen.

Für sie ist Corona tatsächlich nur ein Virus unter vielen. Im Kampf der von Bakterien, Viren oder Parasiten ausgelösten Krankheiten liegt Deutschland hinter den USA, Großbritannien und der Europäischen Union auf dem vierten Platz. Auch Krankheiten wie Malaria, Cholera oder Mangelernährung fordern in Entwicklungs- und Schwellenländern viele Opfer.

Die Gates-Stiftung, die sich seit Jahren dem Kampf gegen diese Krankheiten widmet, ist auf starke Partner wie Deutschland angewiesen – auch weil Spitzenforschung hier nach wie vor gefördert wird und ein sehr hohes Ansehen genießt. "Heute werden nicht nur diejenigen gewürdigt, die Krankheiten bekämpfen oder den Planeten schützen, sondern vor allem diejenigen, die das Forschungsgebiet selbst aufwerten", sagte Melinda French Gates unlängst bei der Verleihung des neuen Awards der Einstein-Stiftung zur Förderung von Qualität in der Forschung. Der hohe Anspruch an die eigene Forschung trage dazu bei, so Gates, dass künftig noch mehr Durchbrüche in globalen Krisen möglich werden.

Zum Beispiel sind es moderne Methoden der Empfängnisverhütung, die Millionen Frauen auf der ganzen Welt ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen, ihnen die Chance geben, die Familienplanung selbst in die Hand zu nehmen. Empfängnisverhütungsmittel gelten inzwischen als die größte lebensrettende, armutsbekämpfende und frauenfördernde Innovation, die es je gab.

Ein weiteres Beispiel ist nicht zuletzt der globale Kampf gegen den Klimawandel. Dürren, Schädlingsbefall und Flutkatastrophen bedrohen die Landwirtschaft, Ernteausfälle gefährden die Ernährung von Millionen von Menschen. Die Frage wird immer wichtiger, wie wir Saatgut und Nutzpflanzen an diese neuen Gegebenheiten anpassen. Nur die Forschung und Entwicklung von Klimaanpassungsmaßnahmen, nur Innovationen im landwirtschaftlichen Bereich können sicherstellen, dass auch künftig Nahrungsmittel, Futtermittel und Rohstoffe in ausreichendem Maß produziert werden können.

Wichtiges Zeichen der Ampelkoalition

Sicher ist aber auch: Wissenschaftliche Wunder entstehen nicht über Nacht. Das haben wir bei der Entwicklung der mRNA-Impfstoffe gesehen. Forschung braucht institutionelle Unterstützung. Sie braucht finanzielle Mittel. Sie braucht Raum für ein langfristiges Denken und eine globale Zusammenarbeit. Es braucht aber auch den Mut, neue Wege zu gehen.

Sicher ist: Wir dürfen nicht nachlassen. Und wir dürfen uns nicht entmutigen lassen. Die nächste globale Krise wird kommen und sie fordert das Engagement der neuen Bundesregierung. Dass sich die designierte Ampelkoalition vorgenommen hat, die Forschungsmittel des Bundes von 3,2 auf 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts anzuheben, ist ein wichtiges Signal – und in gewisser Weise ein Vermächtnis der Kanzlerschaft von Angela Merkel.

Bei ihrem Amtsantritt 2005 lag der Forschungsanteil noch bei 2,47 Prozent. Inzwischen haben sich die Forschungsausgaben des Bundes mehr als verdoppelt und liegen bei rund 19 Milliarden Euro. Das alles hat große Verlässlichkeit in die Forschungslandschaft gebracht – und das Selbstbewusstsein des Wissenschaftsstandorts gestärkt, gerade auch mit Blick auf die deutsche G7-Präsidentschaft im kommenden Jahr. Dort gilt es, die globale Unterstützung weiter auszubauen und die führenden Industrienationen von der Dringlichkeit und der künftigen Krisenfestigkeit zu überzeugen.

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Neuer Fonds für gewagte Forschung

Wir werden auch nicht umhinkommen, neue Wege bei der Finanzierung zu gehen. Künftig wird man bei Forschungsvorhaben nicht allein auf die staatliche Förderung setzen, sondern verstärkt auch auf privates Kapital. In Deutschland ist man noch verhalten, was die privat geförderte Forschung angeht. Doch gezielte Public-Private-Partnership-Projekte ermöglichen mittelfristig nicht nur die Langzeitfinanzierung staatlicher Forschungsinstitute, sondern auch den Aufbau neuer Netzwerke.

Mit einem Risikokapital-Fonds für forschende Unternehmen könnte Forschung sowohl materiell als auch ideell auf ein neues Niveau gehoben werden. Mit dem Fonds würde eine deutsche, aber global denkende Institution als Förderer auftreten und die akademische Welt mit anderen gesellschaftlichen Gruppen vernetzen. Das würde nicht zuletzt den oft zitierten "Team Science"-Gedanken weiter stärken.

Deutschland hat demnach die besten Chancen, Forschungspionier zu bleiben und dazu noch neue Felder zu erschließen. Gerade für die globale Gesundheit kann Forschung hierzulande Innovation fördern und neue Datengrundlagen schaffen. Mit seinen exzellenten Universitäten und seinem einzigartigen System nationaler Forschungsinstitute ist Deutschland ohnehin federführend in den Bereichen Physik, Mathematik, Chemie und Ingenieurwissenschaften – und sollte weiter auf Innovationskraft setzen.

Ja, Innovationen sind nicht planbar. Es lohnt sich aber, Risiken einzugehen und Strukturen zu fördern, damit auch andere Akteure der deutschen Forschungswelt bereit sind, Risiken für eine bessere Welt einzugehen. Es ist richtig, dass die Ampelkoalition in ihrer Zukunftsstrategie für den Forschungsstandort Deutschland deshalb Platz für "gewagte Forschungsideen" schaffen will. Denn wie sagte schon Albert Einstein: "Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind."

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben die Meinung der Autoren wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der t-online-Redaktion.

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