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Nach Tönnies-Aussagen: Charles M. Huber nach CDU-Rücktritt im Interview


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Charles M. Huber nach CDU-Austritt
"Das öffentliche Klima hat sich seit der Flüchtlingskrise verändert"

InterviewEin Interview von Ramon Schack

Aktualisiert am 11.08.2019Lesedauer: 8 Min.
Charles M. Huber: Der Politiker saß von 2013 bis 2017 für die CDU im Deutschen Bundestag.Vergrößern des Bildes
Charles M. Huber: Der Politiker saß von 2013 bis 2017 für die CDU im Deutschen Bundestag. (Quelle: imago-images-bilder)
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Millionen Deutsche kennen Charles M. Huber aus dem Fernsehen, für die CDU saß er im Bundestag. Nun ist er aus der Partei ausgetreten. Aus Ärger über Clemens Tönnies und Merkels Afrikabeauftragten. Ein Gespräch.

Es waren Worte, die schockierten. "Dann würden die Afrikaner aufhören, Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn’s dunkel ist, Kinder zu produzieren", sagte Clemens Tönnies, Aufsichtsratschef des Erstligisten FC Schalke 04, beim Tag des Handwerks in Paderborn. Für den deutschen Schauspieler Charles M. Huber ein Skandal, der noch weiterging.

Die Äußerungen des Afrikabeauftragten der Bundesregierung, Günter Nooke, empfand Huber als teilweise Zustimmung zu Tönnies. Daraufhin trat das langjährige CDU-Mitglied Huber aus Protest aus der Partei aus. Mit t-online.de sprach der Schauspieler und Politiker über die genauen Gründe.

t-online.de: Herr Huber, Sie haben kürzlich Ihren Austritt aus der CDU bekannt gegeben. Als Begründung nannten Sie Ihren Ärger über die Äußerungen des Aufsichtsratsvorsitzenden des FC Schalke 04, Clemens Tönnies, sowie die teils zustimmende Reaktion des Afrikabeauftragten der Bundeskanzlerin, Günter Nooke. Gestatten Sie die Frage: Ist Ihre Reaktion nicht übertrieben?

Charles Huber: Im augenblicklich angespannten Klima mit Schüssen aus der Pistole eines Mannes, der gezielt einen Menschen mit dunkler Hautfarbe töten wollte, halte ich es im Gegenteil für konsequent, hier ein Zeichen zu setzen. [Anm. d. Red: Bei dem angesprochenen Vorfall handelt es sich um den rassistisch motivierten Angriff auf einen 26-jährigen Eritreer im Juli im hessischen Wächtersbach.] Nicht nur Herr Nooke, sondern auch andere Politiker lassen oft nicht nur zwischen den Zeilen Ressentiments anklingen. Und liefern so praktisch als "Experten" gegenüber Normalbürgern, welche in der Regel nicht einmal fünf afrikanische Länder aufzählen können, ein einseitiges und verzerrtes Afrikabild, welches Diskriminierung an Menschen dunkler Hautfarbe quasi rechtfertigt. Und wie gesagt, auch in Gewaltexzesse münden kann. Da die Parteispitze dem keinen Einhalt gebietet, kann ich mich mit der Partei deswegen schlichtweg nicht mehr identifizieren.

Ist es nicht vielleicht sogar gefährlich, dass man von "den Afrikanern" spricht und so gestrige Klischee verbreitet? Gemessen an der ethnokulturellen Vielfalt des Kontinents und seiner geographischen Ausdehnung?

Das ist eine rein deutsch-theoretische Frage. Niemand in Frankreich oder England würde diese so stellen. Die Afrikaner verbindet in einer langen Historie das Trauma der Kolonialisierung, das bis heute nachwirkt. Das Thema Rassismus, Apartheid ist ein pan-afrikanisches und im Bewusstsein "der Afrikaner" nicht etwa ein nationales oder auf Ethnien reduziertes Thema, welches in Alltagsgesprächen immer noch häufig auftaucht.

Haben Sie eine Vorstellung, weshalb Günter Nooke Afrikabeauftragter der Bundeskanzlerin wurde?

Die Frage muss man jenen stellen, die ihn für diesen Posten besetzt haben.

Führende Politiker der Union sind in der Vergangenheit durch rassistische Äußerungen aufgefallen. Edmund Stoiber etwa sprach Anfang des Jahrtausends von einer "durchrassten" Gesellschaft. Weshalb haben Sie sich erst jetzt zum Austritt aus der CDU entschlossen, nachdem Ihre politische Karriere in dieser Partei hinter Ihnen liegt?

Charles M. Huber, geboren 1956 in München, ist Schauspieler und Politiker. Bekannt wurde er vor allem durch die Fernsehserie "Der Alte" im ZDF, politisch war er für die CDU aktiv, die er von 2013 bis 2017 als Abgeordneter im Deutschen Bundestag vertrat. Huber lebt heute im Senegal, aus dem sein Vater stammte, und engagiert sich sozial.

Wäre ich in eine Partei eingetreten, welche von Anfang an für ein liberaleres Verhältnis zu fremd aussehenden und Menschen aus anderen Ländern und Kulturen gepflegt hat, hätte man mich erfahrungsgemäß als "Alibi- Schwarzen" bezeichnet. Das haben einige auch so formuliert, als ich noch in "Der Alte" präsent war. Ich bin in die CDU eingetreten, weil ich damals dachte, dass Slogans wie "Kinder statt Inder" und das damalige Bashing von Türken der Vergangenheit angehören.

Dieser Kurs hat sich nun durch die Ereignisse, deren Problematik, die man selbst herbeigeführt hat, wieder umgekehrt. Die Türken, die durch ihren Fleiß, Zähigkeit und Ehrgeiz in ihrem Erfolg von der Meinung jener, die ihnen nicht gewogen sind, mittlerweile unabhängig sind, haben anscheinend eine Lücke hinterlassen. Diese füllen nun anscheinend die Afrikaner. Die Partei sollte sich mehr dem Thema soziale Ungleichheiten im Lande widmen und den Menschen endlich dahingehend reinen Wein einschenken, dass ohne afrikanische Rohstoffe der Lebensstandard der Europäer ein wesentlich niedrigerer wäre. Selbst die AfD telefoniert mit Handys, dessen Rohmaterial Koltan wahrscheinlich aus dem Kongo kommt.

Denken Sie denn wirklich, Sie könnten die breite Öffentlichkeit dadurch für das Themengebiet sensibilisieren?

Was das für Konsequenzen hat, bleibt abzuwarten. Das muss die Bevölkerung selbst entscheiden und zwar dahingehend, ob man die Sensibilität und Betroffenheit, die man spürt, wenn das Thema Rassismus in Deutschland angesprochen wird, auch jenen zugestehen will, die dessen Opfer sind. Wichtig war mir jedoch hier, mich von der offenbaren Linie des Wegschauens und des Tolerierens von Sprüchen aus der alten Sprachschatulle der CDU abzugrenzen.

Das habe ich mit meinem Austritt getan. Nooke war, wie Sie bereits sagten, nicht der erste, der einen solchen Testballon starten ließ und dann wieder zurückruderte, als die – Gott sei Dank – noch zum größten Teilen existierende gute deutsche Bürgerschaft dagegen Protest einlegte. Aber die Nachricht war dann bei denen schon angekommen, bei denen sie ankommen sollte. Im jüngsten Fall wohl bei der radikaleren Gruppe von Fußballfans, welche ein großes Wählerpotenzial darstellen.

Dass hier mit Hans-Georg Maaßen in der Kommunikation eine Doppelstrategie ausgelotet wird, um über das deutsche Pendant der Tea-Party, eine leichte Flurbereinigung in Richtung Annäherung an die AfD zu vollziehen, erscheint nicht abwegig.

Welche Erfahrungen haben Sie während Ihrer politischen Zeit mit dem Phänomen Rassismus gemacht? Und inwiefern unterscheiden sie sich von denen, die Sie als Schauspieler gemacht haben?

Politiker ist kein Lehrberuf. Ich habe 1995 meine Karriere als politischer Berater begonnen. Nicht in Deutschland, sondern in Äthiopien. Rassistisch wurde ich in diesem Kontext nicht angesprochen. Schon gar nicht im Bundestag. Im Gegenteil. Ich hatte zu den allermeisten meiner Parteikollegen ein gutes persönliches Verhältnis, besonders zu jenen im Osten. Den Einladungen in deren Wahlkreise konnte ich gar nicht mehr nachkommen. Sie bestimmen jedoch überwiegend nicht die Richtlinie der Partei. Die bestimmt der Vorstand. Als ehemaliger Abgeordneter der CDU sehe ich mich hier in der Verantwortung, eine klare Position einzunehmen.

Sie waren als Kommissar in der TV-Serie "Der Alte" einem breiten Publikum bekannt. Ist dies ein Schutz vor rassistischer Diskriminierung, oder ist eher das Gegenteil der Fall: Beispielsweise dadurch, dass man permanent mit Stereotypen konfrontiert wird?

Klar. Deswegen ist das Verhalten der Bevölkerung mir gegenüber auch ein anderes als gegenüber einem nicht bekannten Menschen meiner Hautfarbe. Natürlich spielt dann aber auch manchmal das Phänomen Neid eine größere Rolle. Nicht alle können sich damit anfreunden, dass solche Menschen erfolgreich und akzeptiert sind, wodurch ihnen der gönnerhafte Blick nach unten verwehrt bleibt. Im Allgemeinen war mein Charakter, der auch stark niederbayerische Züge trägt, nicht dazu geeignet, mich trotz aller Vorkommnisse aus der Kindheit als Opfer zu sehen. Ich habe nie danach gefragt, ob man als schwarzer Deutscher selbstbewusst und ohne Einschränkung eine Meinung oder eine Position vertreten kann.

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Sie wurden 1956 in München geboren, als Sohn einer Deutschen und eines senegalesischen Diplomaten. In Ihrer Biographie "Ein Niederbayer im Senegal" beschreiben Sie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse Ihrer Kindheit und Jugend, als Kind aus einer multiethnischen Beziehung. Glauben Sie, die Kinder im heutigen Deutschland, mit einem ähnlichen ethnischen Hintergrund, erleben Ähnliches, oder hat sich die Gesellschaft doch soweit verändert, dass diese weniger auf rassistische Diskriminierung stoßen?

Leider nein, ich habe in den letzten Tagen viele Zuschriften von schwarzen Deutschen, multiethnischen Paaren bekommen, deren Kinder nach wie vor in der Schule diskriminiert und benachteiligt werden. Statt sich konkret dem Problem zu stellen, verfährt man auch hier nach dem üblichen Muster der Beschwichtigung nach dem Motto: Es war ja nicht so gemeint.

Auch hier verfährt man nach einer Strategie semantischer Akrobatik, widmet sich der Interpretation von Begrifflichkeiten falls es "nur" um verbale Beleidigung geht, anstatt auf die Gefühle Betroffener einzugehen. Es ist die Strategie des Wegschauens, die es nicht erlaubt hat, diese Dinge konstruktiv anzugehen. Das zieht sich weiter auf die akademische Ebene und den Arbeitsplatz. Ein farbige Medizinstudentin erzählte, dass sie in einer Berliner Praxis so stark gemobbt wurde, dass sie sich einer psychologischen Behandlung unterziehen musste.

Bei einem anderen dunkelhäutigen Studenten fand man plötzlich seine Einschreibung in der Universität nicht mehr, welche er persönlich abgegeben hatte. Einige schweigen dazu oder unternehmen nichts, weil sie Angst vor weiteren Repressalien – wie zum Beispiel dem Verlust des Arbeitsplatzes etc. – haben oder schlichtweg auch Angst davor, von ihrer autochthonen Umgebung als Nestbeschmutzer dargestellt zu werden.

Hat sich in den letzten Jahren das politische Klima im Westen gegenüber Minderheiten zum Nachteil verändert? Wenn ja: Wie nehmen Sie diese Veränderung wahr?

Definitiv hat sich das öffentliche Klima seit der Flüchtlingskrise massiv zum Negativen verändert. Aus meiner doch privilegierten Situation nehme ich dies jedoch in sehr abgeschwächter Form wahr. Das impliziert auch Phänomene, welche dem deutschen Normalbürger weniger bekannt sind, wie das angespannte Verhältnis unter Migranten selbst: Wo man glaubt, je mehr man selbst wie ein deutscher Ultrakonservativer gegenüber anderen ethnischen Minderheiten agiert und vielleicht sogar den Rassismus aus der Heimat mit zum Ausdruck bringt, desto mehr wird man von den Deutschen akzeptiert. Ein Trugschluss.

Das Problem der Aufnahme von Asylbewerbern in großer Zahl war, dass dies ohne Konzept geschah und man sich auch weiter nicht um eines bemühte, außer denjenigen Unterkunft und Verpflegung zu schaffen. Die Idee der dualen Ausbildung für Asylbewerber kam von mir. Auch als entwicklungspolitisches Konzept. Das wissen viele nicht. Inwieweit dies erfolgreich gehandhabt wurde, entzieht sich meiner Kenntnis. Die Menschen sich selbst zu überlassen, konnte nicht gut gehen. Bei dieser Menge an Asylsuchenden gibt es natürlich auch ein paar Handvoll Verbrecher und antisoziale Persönlichkeiten, wie man sie im Mengenverhältnis unter eingefleischten Europäern auch finden würde.

Dass ein jeder Mensch in der Fremde Botschafter seines Landes und seiner Kultur ist, haben sicher nicht alle verstanden. Somit schlug die Willkommenskultur binnen kurzer Zeit in massive Ablehnung um. Das hätte man von verantwortlicher Stelle voraussehen müssen. Dies geschah offenbar nicht. Trotz alledem haben Flüchtlinge aus arabisch-islamischen Ländern eine stärkere politische Lobby hinter sich, wie auch türkischstämmige Deutsche.

Dies hat auch wirtschaftliche Gründe. Aus Afrika wird kein Präsident anrufen und sagen, lasst unsere Leute in Ruhe, wie Recep Tayyip Erdogan. In der Summe sind jedoch in erster Linie gut integrierte Menschen mit einem nicht-europäischen sogenannten Migrationshintergrund die wahren Verlierer dieser Willkommenskultur.

Sie wohnen seit dem vergangenen Jahr im Senegal. Wie leben Sie dort und womit beschäftigen Sie sich?

Senegal ist ein ausgesprochen gastfreundliches Land, selbst den Franzosen gegenüber, die hier lange als Kolonialherren präsent waren. Europäer fühlen sich im Senegal in der Regel sehr wohl, profitieren aber manchmal auch von der Abhängigkeit ihrer Angestellten durch die hohe Arbeitslosigkeit. Es herrscht dennoch ein Klima der Offenheit. Senegalesen sind offene, neugierige und vor allen Dingen friedliche Menschen.


Sind Sie schon einmal in Ihrer Wahlheimat Senegal aufgrund Ihrer Hautfarbe diskriminiert wurden?

Dies würde geschehen, wenn ich mich als "Halbweißer" über sie stellen würde, da in der Kolonialzeit meine Spezies von den damaligen Herrschern bevorzugt wurde. Durch mein Sozialengagement, dem Bau einer Schule durch meinen Verein Afrika Direkt e.V., meine senegalesische Familiengeschichte und meinen Umgang mit den Menschen ist mir so etwas noch nicht widerfahren.

Herr Huber, vielen Dank für das Gespräch.

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