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Hambacher Forst: Aktivisten protestieren gegen Baumhaus-Räumung


Hambacher Forst
Aktivisten protestieren gegen Baumhaus-Räumung – Polizist leicht verletzt

Von dpa, rtr, afp
Aktualisiert am 14.09.2018Lesedauer: 4 Min.
Zwei Polizisten tragen einen Aktivisten davon.Vergrößern des Bildes
Zwei Polizisten tragen einen Aktivisten davon. (Quelle: REUTERS/Wolfgang Rattay/Reuters-bilder)

Jetzt wird geräumt: Die Behörden haben im Hambacher Forst begonnen, Aktivisten aus ihren Baumhäusern zu holen. Braunkohlegegner haben derweil verstärkte Proteste angekündigt.

Die Polizei will im Hambacher Forst die umstrittene Räumung der Baumhäuser von Umweltschützern und Braunkohlegegnern an diesem Freitag fortsetzen. Mit einem massiven Aufgebot, für Höheneinsätze geschulten Beamten und umfangreicher Technik räumte die Polizei am Donnerstag bis Einbruch der Dunkelheit vier Baumhäuser sowie Hindernisse aus dem Weg.

Auch danach waren weiterhin zahlreiche Polizisten in der Gegend präsent, wie eine dpa-Reporterin berichtete. Die Räumungsaktion gehe an diesem Freitag weiter, sagte ein Sprecher der Aachener Polizei. Bis zum frühen Morgen blieb die Lage ruhig.

Allerdings war es am Donnerstagabend mehreren Dutzend Braunkohlegegnern gelungen, trotz des massiven Polizeiaufgebots in den Wald zu kommen. Schätzungsweise 40 bis 50 Braunkohlegegner scherten nach Polizeiangaben aus einer Demonstration aus und rannten los. Sie wurden lautstark von den in Baumhäusern lebenden Aktivisten begrüßt, wie eine dpa-Reporterin berichtete. An der genehmigten Demonstration gegen die Räumung und für den Erhalt des Hambacher Forstes hätten mehr als 1000 Menschen teilgenommen, darunter Familien mit Kindern.

Der Energiekonzern RWE will im Herbst weite Teile des Waldes abholzen, um weiter Braunkohle baggern zu können. Die Baumhäuser der Besetzer gelten als Symbol des Widerstands gegen die Braunkohle. Aktivisten kündigten als Reaktion auf die Räumung "zivilen Ungehorsam" und eine "bundesweite Massenmobilisierung" an.

Als Grund für die Räumung führten die Behörden nicht etwa den geplanten Braunkohleabbau an. Vielmehr argumentiert das NRW-Bauministerium mit dem fehlenden Brandschutz in den Baumhäusern - unter anderem fehlten Rettungsleitern. Die Umweltaktivisten, etwa von der Organisation Ende Gelände, halten das für ein vorgeschobenes Argument. Das Verwaltungsgericht Köln gab den Behörden Recht und lehnte am Abend einen Eilantrag gegen die Räumung eines Baumhauses ab. Es sei davon auszugehen, dass bei den noch ausstehenden Eilanträgen ähnlich entschieden werde, sagte eine Gerichtssprecherin.

Nach Angaben des NRW-Bauministeriums gibt es rund 50 Baumhäuser auf dem Gelände, die sich in bis zu 25 Metern Höhe befinden. Umweltaktivisten werfen der Landesregierung vor, sie mache sich zum Erfüllungsgehilfen des Energieriesen RWE.

Massives Polizeiaufgebot vor Ort

Bei dem Einsatz kam es zwischen Polizei und Aktivisten am Donnerstag zu Auseinandersetzungen. Beamte seien mit Zwillen beschossen und mit Molotow-Cocktails beworfen worden, warf die Polizei den Aktivisten vor. Ein Beamter sei dabei leicht verletzt und ein Dienstwagen beschädigt worden. An mehreren Stellen hätten friedliche Demonstranten sich auf Zufahrtswege gesetzt und diese blockiert. Eine Sprecherin des Aktionsbündnisses Ende Gelände machte hingegen die Polizei verantwortlich: "Die Polizei eskaliert, die Polizei greift an, die Menschen setzen sich zur Wehr", sagte Karolina Drzewo.

Die Polizei stellt sich im Hambacher Forst noch auf einen langen und schwierigen Einsatz ein. Die 50 bis 60 Baumhäuser liegen in bis zu 25 Metern Höhe - entsprechend kompliziert ist es, sie zu räumen.

Der Bund Deutscher Kriminalbeamter in NRW nannte die Räumung der Baumhäuser "eine krasse politische Fehlentscheidung". Zu einem Zeitpunkt, an dem die Kohlekommission in Berlin noch über einen endgültigen Ausstieg aus der Kohleverstromung verhandele, stelle Landesbauministerin Ina Scharrenbach (CDU) plötzlich fest, "dass der Brandschutz der Baumhäuser nicht gewährleistet sei - nach einem der trockensten Sommer der Nachkriegsgeschichte". Sie revidiere damit eine Wertung des NRW-Bauministeriums aus dem Jahr 2014 und stelle sich gegen die rechtliche Einordnung der betroffenen Kommunen.

Umweltverbände fordern Einschreiten von Merkel

Am Montag war ein Treffen zwischen Umweltverbänden und dem Energiekonzern RWE ohne eine Einigung geblieben. RWE will den Wald ab Mitte Oktober roden, um die Stromerzeugung in den benachbarten Braunkohlekraftwerken weiterzubetreiben.

Der Wald ist zum Symbol der Auseinandersetzung um die weitere Kohleverstromung geworden, die Umweltschützer wegen des hohen Ausstoßes an klimaschädlichen Kohlendioxid seit Jahren bekämpfen. Bei Polizeieinsätzen im Hambacher Wald war es in der Vergangenheit auch immer wieder zu Gewalt gekommen.

Greenpeace, Deutscher Naturschutz Ring (DNR) und Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hatten von RWE-Vorstandschef Rolf Martin Schmitz gefordert, die Rodungen auszusetzen, bis die derzeit in Berlin tagende Kohlekommission ihre Arbeit abgeschlossen hat. Sie soll einen verbindlichen Zeitplan für das Ende der Kohleverstromung festlegen. RWE hatte dabei nach ihren Angaben vor, erst ab dem letzten geplanten Sitzungstag der Kommission am 15. Dezember mit den Fäll-Arbeiten zu beginnen. Jedoch hätten die Verbände die Rodung des Waldes unmittelbar und öffentlich akzeptieren sollen. RWE hatte nach eigenen Angaben in eine erneute Prüfung angeboten, ob ein Rodungsbeginn auf Mitte Dezember 2018 verlegt werden könnte. Dies sei der theoretisch spätestmögliche Termin. Nun will der Konzern aber ab Mitte Oktober mit den Rodungen beginnen.


Greenpeace appellierte an Kanzlerin Angela Merkel, einzugreifen und weitere Räumungen zu verhindern, bis die Kommission ihre Arbeit abgeschlossen habe: "Merkel darf nicht zulassen, dass ein möglicher Kompromiss in der Kohlefrage durch eine weitere Eskalation verhindert wird." Der BUND erklärte, es liefen juristische Verfahren gegen eine Räumung. "Vor der Entscheidung im gerichtlichen Verfahren Fakten zu schaffen, ist eine weitere Provokation von RWE." Mehrere Anti-Kohle-Bündnisse kündigten Demonstrationen an.

Verwendete Quellen
  • Reuters, afp
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