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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Petitonsausschuss-Vorsitzender CDU-Politiker will Bürgervorschläge im Bundestag diskutieren
Am Mittwoch stellt der Petitionsausschuss des Bundestags vor, wie sehr die Bürger das Instrument 2017 angenommen haben. Der Ausschussvorsitzende Marian Wendt will großen Petitionen auch eine große Plattform bieten.
Die Tür steht offen zum Büro des CDU-Bundestagsabgeordneten Marian Wendt. Fürs Interview mit t-online.de schließt er sie, gießt sich Wasser ohne Kohlensäure ein - und dem Gast mit. Der 32-Jährige hat zuvor eine Sitzung des Petitionsausschusses geleitet. Dem Ausschuss gehört er erst seit der Wahl 2017 an, zum Vorsitzenden wurde er trotzdem im März gewählt. Hier ist nicht Spezialwissen gefragt, sondern Leidenschaft für viele kleine Problemchen.Wenn er über diese Arbeit spricht, wirkt er manchmal wie beseelt.
Herr Wendt, die Zahl der Petitionen ist von 11.236 wieder leicht auf 11.507 angestiegen – ist das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen?
Marian Wendt: Es muss nicht heißen, dass der Bürger unzufrieden ist. Ich bin froh, dass wir wieder mehr Eingaben bekommen. Die Zahlen sind für mich Ausdruck, dass sich der Bürger mit dem Petitionsausschuss identifiziert und ihn akzeptiert.
Glauben Sie, dass die Fraktionen aus den Zahlen ganz unterschiedliche Schlüsse ziehen?
Wir haben ein sehr kollegiales Klima, nicht die aufeinandertreffenden, harten Debatten, bei denen es ständig CDU/CSU gegen AfD gegen Grüne mit den Linken geht, anders als z.B. im Innenausschuss etwa. Man kämpft für den Bürger in großen Dingen, aber auch viel in kleinen Sachen beispielsweise bei Behördenproblemen. Das schweißt zusammen, das schafft einen besonderen Geist.
Da müssten ja alle Handlungsbedarf gesehen haben, als vor einem Jahr die damalige Ausschussvorsitzende Kersten Steinke einen deutlichen Rückgang der Petitionen beklagt hat…
Es gab eine Anhörung mit Experten. Die Anhörung hat uns gezeigt, dass wir stärker in die Öffentlichkeitsarbeit gehen und deutlicher machen müssen, dass es dem Bürger etwas bringt, sich an den Petitionsausschuss zu wenden. Vor allem hilft uns, wenn wir Ergebnisse liefern und der Bürger sagt, “Jawoll, es hat sich gelohnt”. Wir müssen aber auch Hürden zum E-Petitionsformular weiter abbauen. Wenn wir stärker wahrnehmbar sind über die Medien, dann hilft uns das.
Vor einem Jahr hat die Vorsitzende auch ein Absenken der Zahl von 50.000 Unterzeichnern ins Gespräch gebracht, die für eine öffentliche Behandlung erreicht werden müssen.
Zunächst wird einmal jedes Anliegen unabhängig von der Zahl der Unterstützer bearbeitet, man bekommt eine Stellungnahme der Regierung. Ich finde aber auch eine konkrete Zahl wichtig, die widerspiegelt, was im öffentlichen Interesse ist und was nicht. Wir dürfen nicht dahin kommen, dass Mehrheiten im Ausschuss entscheiden, was gut ist und was schlecht und ein Quorum dann mal höher und mal niedriger ausfällt. Der Schwelle für eine öffentliche Beratung im Ausschuss liegt bei 50.000 von 82 Millionen Bürgern oder z.B. bei 2,5 Prozent der registrierten Nutzer auf Bundestag.de, das ist eine Zahl, die ist nicht riesig, zeigt aber, dass es ein gewisses öffentliches Interesse gibt.
So geht es weiter mit Petitionen
Der Pettionsausschuss hat verschiedene Möglichkeiten, Petitionen zu erledigen:
Überweisung zur Berücksichtigung: Die Petition geht an die Kanzlerin, das Anliegen des Petenten gilt als begründet und Abhilfe als notwendig. 2017 gab es vier solcher Petitionen.
Überweisung zur Erwägung: Die Petition geht ans zuständige Ministerium mit der Bitte, das Anliegen noch einmal zu überprüfen und nach Möglichkeiten der Abhilfe zu suchen. (36 Fälle 2017)
Überweisung als Material: Die Petition wird an Regierung geleitet und soll bei der Vorbereitung von Gesetzentwürfen oder Verordnungen einbezogen werden. Die Regierung hat ein Jahr Zeit für eine Antwort.
Schlichte Überweisung: Die Petition wird an die Bundesregierung geleitet, um sie auf auf den Inhalt hinzuweisen. Kenntnisgabe an die Fraktionen: Die Petition wird den Fraktionen des Bundestages zur Kenntnis gegeben, damit sie daraus eventuell Gesetzesinitiativen entwickeln.
Der Ausschuss kann aber auch entscheiden, dass eine Petition nicht begründet ist oder der Bitte nicht nachgekommen werden kann.
Also kein Absenken?
Das ist nicht notwendig. Wir haben ja auch die Petitionen, die das Quorum erreichen. Und wenn es eine Einheitlichkeit im Forum gibt, sind öffentliche Anhörungen im Ausschuss auch bei unter 50.000 Unterzeichnern möglich.
Eine Behandlung einer Petition im Plenum des Bundestags würde viel Aufmerksamkeit schaffen.
Wir können über eine weitere Schwelle reden, bei der eine Petition dann direkt im Bundestag öffentlich verhandelt wird. Ich bin dafür persönlich dafür, dass wir für die Beratung im Bundestag ein solches Quorum einführen, vielleicht bei 150.000 oder 200.000. In Bundesländern haben wir dieses Element ja auch. Und wenn man dann vielleicht zwei solcher Debatten im Jahr hat zu den Themen, an denen die Bürger erkennbar sehr hohes Interesse gezeigt haben, ist uns auch viel geholfen. Das würde die Bindung zwischen Bürger und Parlament verstärken.
Wie wird man Vorsitzender des Petitionsausschusses?
Unsere Fraktion hatte das Besetzungsrecht, und da wurde ich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, diese Aufgabe zu übernehmen. Für einen jüngeren Abgeordneten ist es eine Möglichkeit, sich mit einem Querschnitt von Themen zu befassen und auch dahinter zu klemmen, es ist Kärnerarbeit.
Halten Sie sich für besonders bürgernah?
Ich sehe die Aufgabe als Ausschussvorsitzender so, dass ich der Anwalt der Bürger bin, dass ich für sie streite. Es soll sich auch jeder an uns wenden. Und ich weise den Vorwurf aufs schärfste zurück, dass wir abgehoben sind. Diesen Vorwurf…
… den ich Ihnen nicht gemacht habe.
Diesen Vorwurf kann ich nicht stehen lassen. Gerade wir im Petitionsausschuss werben dafür, dass die Bürger sich an uns wenden, dass wir uns wirklich um die Themen kümmern, die die Bürger vorbringen. Wir können das nicht immer zum Erfolg bringen, weil es auch andere Interessen gibt, wir müssen das große Ganze im Blick haben.
Wie viele von weit über 10.000 Petitionen liest man denn als Ausschussvorsitzender?
Weil ich auch Berichterstatter für meine Fraktion bin, sehe ich zumindest jede Petition, die eingeht, schlagwortartig in der Übersicht. Und die großen, die im Ausschuss debattiert werden, die lese ich auf alle Fälle, da kenne ich den Inhalt. Es sind vielleicht 500 bis 1000 Petitionen, bei denen ich weiß, was dort die Knackpunkte sind.
Was nehmen Sie daraus mit?
Dass es viele sind, hatte ich erwartet. Besonders viele sind es zu Soziales und Gesundheit, etwa 30 Prozent. Und da nehme ich viele kleine Vorschläge mit, wo wir als Gesetzgeber noch sinnvoll etwas verändern können. Da hatten wir auch viele Erfolge im vergangenen Jahr, und wenn wir das schaffen, sind wir auch immer ganz zufrieden.
Petitionen sind ein Weg, Perspektiven und Blickwinkel in den Bundestag zu holen, auf die die Abgeordneten manchmal nicht kommen?
Auf jeden Fall! Wir können im Gesetz nicht jeden Einzelfall überblicken, wie wo welche Person betroffen sein könnte. Wir erhalten viele Einblicke in Lebenssituationen, die wir nicht alle kennen können. Aber wenn wir solche Dinge identifizieren, dann nehmen wir die gerne mit und leiten die dann an die Fraktionen und die Regierung weiter, damit so etwas in der nächsten Novellierung eines Gesetzes auch mit beachtet wird. Da fällt nichts unter den Tisch.
Auf dem Tisch haben sie nächste Woche Cannabis, die von knapp 80.000 Menschen unterzeichnete Petition für die Freigabe. Kann der Gesetzgeber da auch “noch sinnvoll etwas verändern”?
Wenn der Petent seine Position öffentlich vorgestellt hat, werden die einzelnen Fraktionen Fragen stellen, dann wird der Ausschuss beraten, wie er damit umgeht. Wenn ich jetzt mal den Hut des Ausschussvorsitzenden mit dem des Abgeordneten und Mitglied des Innenausschusses tausche: Ich finde die jetzige Regelung zu Cannabis mit einem grundsätzlichen Verbot und gewissen Grenzen zur Strafverfolgung vernünftig, Die Argumentation mit Alkohol und Zigaretten finde ich völlig falsch. Das sind auch Drogen, die nicht sehr positiv auf den Menschen wirken. Sie sind kein Argument, eine weitere Droge zu legalisieren. Ich sehe keinen Bedarf für eine Gesetzesänderung.
Selbst bei der Cannabis-Petition erfolgte nur die Hälfte der Mitzeichnungen online. Wie kommt das?
Bei allen Petitionen zusammen liegt diese Quote bei nur einem Drittel. Mich hat das auch überrascht. Als junger Mensch, der sehr digital unterwegs ist, käme ich nie auf die Idee, einen Brief oder ein Fax zu schreiben. Aber der Großteil ist nun mal älter. Gerade ein politisch affiner Bevölkerungsteil nutzt noch sehr stark so traditionelle Dinge wie den Brief. Ich denke aber nicht, dass die alle nicht im Netz sind. Ich denke, dass es für viele Ausdruck von Respekt ist: Die wollen einen ordentlichen Brief schicken und eine Briefmarke draufkleben, wenn sie sich ans Parlament wenden.