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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Wünsche an den Bundestag Petition zur Umbenennung des Rheins ist gescheitert
Die Deutschen haben 2017 wieder häufiger Hilfe beim Petitionsausschuss des Bundestags gesucht. Darunter: Bamf-Mitarbeiter und jemand, der den Rhein umbenennen lassen wollte.
Und die Politik interessiert sich doch auch für die kleinen Leute: Das zeigen Fälle aus dem neuen Jahresbericht des Petitionsausschusses des Bundestags. 11.507 Bitten um Hilfe gingen dort 2017 ein, etwas mehr als im Jahr 2016. t-online.de listet Fälle auf, die beispielhaft die ganze Bandbreite der Anliegen zeigen. Im Jahresbericht finden sich auch anonymisiert viele Fälle mit nur wenigen Unterzeichnern, die den Ausschuss und die 90 zuständigen Mitarbeiter des Bundestags aber dennoch beschäftigten. Die Auflistung zeigt aber auch, dass manche Anliegen auch völlig chancenlos sind.
Abgelehnte Petitionen:
Der Rhein wird nicht umbenannt in Aare. Das hatte ein Mann angeregt mit der Begründung, dass an der Mündung beider Gewässer die Aare deutlich mehr Wasser führt. Aus hydrologischer Sicht ist das korrekt, der Rhein ist eigentlich ein Nebenfluss der Aare, nicht umgekehrt. Deshalb eine jahrhundertealte Bezeichnung zu ändern, erschien dem Ausschuss aber nicht sinnvoll, bekam er zur Antwort.
Raucher-Abteile in Nah- und Fernverkehrszügen der Deutschen Bahn sollten durch eine Petition wieder verpflichtend eingerichtet werden. Nein, sagte der Ausschuss, keine Unterstützung aus gesundheitspolitische Überlegungen.
Parkplatznot in der Stadt kennen viele, ein Petent wollte eine Verpflichtung für Arbeitgeber, Parkplätze zur Verfügung zu stellen. Der Mann bekam eine ausführliche Antwort, warum der Ausschuss das nicht unterstützt. Zwar sei es auch im Interesse der Firmen, dass Mitarbeiter pünktlich und stressfrei erscheinen, zur Arbeit zu kommen liege aber im Verantwortungsbereich des Arbeitnehmers. Zudem gelte Privatautonomie: Private Rechtsverhältnisse auch im Arbeitsrecht werden untereinander geklärt.
Unterstützte Petitionen:
Zum Umgang der Behörden mit der Migration kamen diverse Petitionen. Absender kamen aber auch aus dem Bamf, dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Mitarbeiter, die dort nur befristet eingestellt sind, hatten sich an den Ausschuss gewandt, wollten eine Änderung des Entfristungskonzepts des Bamf für die Standorte Bonn, Oldenburg und Mönchengladbach. 16 Petenten zogen ihre Eingabe zurück, weil ihre Arbeitsverhältnisse bereits umgewandelt wurden. Der Ausschuss begrüßte das und "hofft, dass dem Anliegen der anderen Petentinnen und Petenten nach Möglichkeit ebenfalls entsprochen werden kann". Ausgang ungewiss.
Mit einer Gesetzesänderung zur Regelung der Ruhebezüge der Bundespräsidenten beißen sich Petenten und Petitionsausschuss bisher die Zähne aus. Eine Neuregelung hatte der Ausschuss schon nach dem Rücktritt von Christian Wulff angemahnt, Handlungsbedarf gebe es weiterhin: "Es sollte eine Regelung gefunden werden, die der Würde des Bundespräsidenten und seines Amtes angemessen ist ." Petenten hatten angeregt, dass Bundespräsidenten in ein Versorgungswerk einzahlen und die Ruhebzzüge sich dann nach Höhe und Dauer der Einzahlungen richten. Das Innenministerium erklärte, die derzeitige Regelung mit einer Koppelung an das Besoldungsrecht der Beamten für transparent. Der Ausschuss gab die Anregungen als Material für eine mögliche Änderung an die Regierung weiter und leitete sie den Fraktionen zu, damit die eigene Gesetzesvorschläge machen können.
Exhibitionistischen Handlungen durch Frauen werden nicht geahndet, meinten mehrere Petenten und forderten eine Änderung. Wer als Frau in der Öffentlichkeit blank zieht, muss allenfalls eine Anzeige wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses fürchten. In der Praxis komme Exhibitionismus durch Frauen nur sehr selten vor, stellte der Ausschuss bei seiner nicht genauer beschriebenen Prüfung fest. Und: Er sah darin trotzdem eine geeignete Eingabe, sie in die politische Diskussion und Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Beim Justizministerium wurde bereits eine Expertenkommission zu einer möglichen Änderung des entsprechenden Paragrafen 183 im Strafgesetzbuch eingesetzt.
Auch Finanzinvestoren nutzen die Plattform – für eine Petition zu einer steuerlichen Ungleichbehandlung bei Totalverlust: Wenn eine Aktie fast nichts mehr wert ist und verkauft wird, kann der Investor die Veräußerungsverluste und negative Einkünfte geltend machen. Ist die Anlage aber überhaupt nichts mehr wert und es gibt einen Totalverlust, kann das nicht bei der Einkommenssteuer geltend gemacht werden. "Schwer nachvollziehbar", fand auch der Petitionsausschuss. Die Petition wurde der Bundesregierung als Material für mögliche Neuregelungen weitergeleitet.
Ein Wanderschäfer bekommt doch Weiderecht für Schafe auf einem früheren Truppenübungsplatz: Nach der Petition legte das Finanzministerium mehrere Stellungnahmen vor. Zunächst wollte die zuständige Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) bei ihrer Haltung bleiben. Dann erklärte sie, eine Bewerbung des Schäfers doch zu unterstützen. Happy End in Sicht für den Wanderschäfer, der sonst vor dem Aus steht.
Auch die Deutsche Post änderte ihre Linie, als sich der Petitionsausschuss wegen verloren gegangener Briefe meldete: Als "Einschreiben International" nach Peru und Guatemala verschickte Sendungen waren nicht ankommen, die Post erklärte, das sei nicht ihr Fehler und wollte den Absender nicht entschädigen. Nach Nachfrage des Ausschusses beim Wirtschaftsministerium und Stellungnahmen von dort überwies die Post doch.
Manchmal reicht es, wenn der Ausschuss nur nachfragt: Zwei Wochen Urlaub für eine Ausbildung sollte ein Arbeitsloser nehmen, forderte die Agentur für Arbeit zunächst. Sie rückte davon wieder ab, als der Ausschuss eine Stellungnahme vom Arbeitsministerium erbat. Die Agentur für Arbeit hatte zunächst entschieden, der Mann müsse Urlaub nehmen, weil er für die Ausbildung und die Untersuchungen nicht an seinem Wohnort sei. Als Arbeitsloser habe er aber die Pflicht, sich abzumelden, wenn er sich längere Zeit nicht am Wohnort aufhalte, fand die Agentur zunächst. Nach der Rückfrage war das Anliegen des Petenten voll erfüllt, er bekam keinen Urlaub abgezogen und das Arbeitslosengeld.
Er hatte für die Bundeswehr in Afghanistan gearbeitet, wurde deshalb verfolgt und floh. In Deutschland sollte der Mann nun im Rahmen der Dublin-Verordnung Richtung Italien verlassen müssen. Als Folge der Petition prüften die zuständigen Behörden neu, der Flüchtling aus Afghanistan darf in Deutschland bleiben.
So geht es weiter mit Petitionen
Der Pettionsausschuss hat verschiedene Möglichkeiten, Petitionen zu erledigen:
Überweisung zur Berücksichtigung: Die Petition geht an die Kanzlerin, das Anliegen des Petenten gilt als begründet und Abhilfe als notwendig. 2017 gab es vier solcher Petitionen.
Überweisung zur Erwägung: Die Petition geht ans zuständige Ministerium mit der Bitte, das Anliegen noch einmal zu überprüfen und nach Möglichkeiten der Abhilfe zu suchen. (36 Fälle 2017)
Überweisung als Material: Die Petition wird an Regierung geleitet und soll bei der Vorbereitung von Gesetzentwürfen oder Verordnungen einbezogen werden. Die Regierung hat ein Jahr Zeit für eine Antwort.
Schlichte Überweisung: Die Petition wird an die Bundesregierung geleitet, um sie auf auf den Inhalt hinzuweisen. Kenntnisgabe an die Fraktionen: Die Petition wird den Fraktionen des Bundestages zur Kenntnis gegeben, damit sie daraus eventuell Gesetzesinitiativen entwickeln.
Der Ausschuss kann aber auch entscheiden, dass eine Petition nicht begründet ist oder der Bitte nicht nachgekommen werden kann.
- Eigene Recherchen
- Bericht des Petitionsausschusses für das Jahr 2017