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Kurz vor Walpurgisnacht: Angeblicher Suizidaufruf empört Hexen auf Facebook


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Abgründe auf Facebook
Angeblicher Suizidaufruf empört Hexenszene


Aktualisiert am 30.04.2018Lesedauer: 4 Min.
Hexen im Zusammenspiel gegen eine Frau, die sich wegen eines Dämons das Leben nehmen soll: Auf Facebook schlägt das unter Anhängerinnen und Anhängern des Kults Wellen.Vergrößern des Bildes
Hexen im Zusammenspiel gegen eine Frau, die sich wegen eines Dämons das Leben nehmen soll: Auf Facebook schlägt das unter Anhängerinnen und Anhängern des Kults Wellen. (Quelle: imago-images-bilder)

Pünktlich zur Walpurgisnacht ist unter bekennenden Hexen die Hölle los: Anhängerinnen des Kults sollen auf Facebook eine ältere Dame zum Suizid gedrängt haben, weil sie verflucht und von einem Dämon besessen sei.

Ein Fall in der Hexen-Szene wirft ein erschreckendes Licht auf Abgründe im sozialen Netzwerk Facebook – selbst wenn er vielleicht nur erfunden sein sollte. Es geht um "Hexen" und "Hexer", die einander nicht grün sind, um Verwünschungen und um eine Elisabeth und ihre vermeintlich ausweglose Situation.

Auf Facebook gibt es Dutzende geschlossene und auch geheime Gruppen, in denen es um "Hexenwissen" geht, um kostenlose und bezahlte Seminare, um das Geschäft mit Mitteln der Natur, die manchmal ebenso eine Hilfe sein können wie Gespräche voller Empathie. Eine Seite hat einen Fall öffentlich gemacht, der hohe Wellen schlägt: "Elisabeth" soll völlig kaltherzig zum Suizid geraten worden sein, weil sie wegen eines Dämons verloren sei.

Verwünschung von mächtiger Hexe

Ein "Hexer" aus Niedersachsen hat mit seiner "Hexennetzwerk"-Seite die angeblichen Einblicke in eine geschlossenene Gruppe mit nicht einmal hundert Mitgliedern gegeben. Screenshots sollen dort zeigen, wie eine Frau Hilfe sucht und als Antwort bekommt, sie solle sich umbringen.

Was das Opfer schildert, lässt einen Großteil der aufgeklärten Menschen wahlweise die Augen verdrehen oder zugleich Mitleid und Unverständnis empfinden: Elisabeth hat demnach eine mächtige Hexe verärgert, die sich auf Dämonen und schwarze Künste spezialisiert habe. Seither ist Elisabeths Katze gestorben, sie hat den Job verloren und blutet regelmäßig aus Mund und Nase und hört ein irres Lachen. Sie ist verflucht.

"Da kann man nichts mehr machen"

Die Antwort auf ihren Hilferuf in der Hexengruppe: Ja, es muss ein Dämon sein, nichts zu machen. Unverblümt und kurz angebunden wird ihr geraten, ihr Leben zu beenden. Nichts zu danken für den Rat, "dafür sind wir Hexen da".

Den Vorgang hat die Facebookseite auch in einem Blog dokumentiert, er ist vielfach geteilt worden. In anderen Gruppen um Hexenkult, Okkultismus und Übersinnliches wurde der Fall mit Empörung aufgenommen – bis hin zu Rückgriffen auf die Hexenverbrennungen: "So jemand sollte auf den Scheiterhaufen."

Aufklärungsseite "Lockere Schraube" teilte Link

Das Geschehen erreichte ganz andere Kreise durch eine Seite, die sich der Aufklärung über Verschwörungstheorien verschrieben hat. "Die lockere Schraube", die auch jährlich einen Negativpreis für Verschwörungstheoretiker vergibt, postete Link zum Hexennetzwerk dem Kommentar "Hexen sind nicht immer ungefährlich. Bei diesem Thread kann man nur mit dem Kopf schütteln." In den Kommentaren spiegelte sich Entsetzen.

Zu diesem Screenshot schrieb die Seite des "Hexers", man habe Elisabeth erreichen können, andere "Hexen" würden ihr helfen und sie habe die Polizei eingeschaltet. Und er legte einen weiteren Screenshot aus der ominösen Gruppe nach. Die Administratorin verwünscht die, die den Fall öffentlich gemacht haben.

Was dabei auffällt: Die Administratorin nutzt das falsche Wort "liebers", das auch Opfer Elisabeth verwendet hat. Ein Wort, das einem selten begegnet.

Der "Hexer" aus Niedersachsen antwortete auf eine Frage dazu nicht. Zuvor hatte er erklärt, es sei Opfer Elisabeth überlassen, weitere Informationen zu geben. Elisabeth meldete sich nicht, was ihr nicht zu verdenken ist, wenn sie Opfer wäre. Der "Hexer" reagierte aber nicht auf die Bitte, weitere Belege wie unverpixelte Screenshots zu liefern oder anzugeben, bei welcher Polizei Anzeige erstattet wurde. Für t-online.de war es so nicht möglich, den Wahrheitsgehalt zu prüfen.

Seite war schon einmal von Facebook gesperrt

Dafür lassen sich andere "Hexen" über ihn aus: Er habe in der Vergangenheit schon erfundene Dinge verbreitet, gezielt gegen andere Stimmung gemacht. Die Seite war bereits einmal von Facebook gesperrt worden. "Nun ist es wieder losgegangen", so eine "Hexe" zu t-online.de. "Entweder war es in einer sehr geheimen Gruppe oder es war ein Fake", meint der Administrator eines anderen Hexennetzwerks. Er wundert sich, dass "Gründer von zig anderen Hexengruppen" davon nichts mitbekommen haben.

Ein mögliches Motiv für einen Fake: "Der Fall liest sich wie eine Werbe-Story für die guten Hexen aus diesem Netzwerk, die dann in Not vermeintlich helfen konnten", sagt Dr. Matthias Pöhlmann, Beauftragter für Sekten- und Weltanschauungsfragen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern.

Es bestehe die Gefahr, dass Menschen mit psychischen Problemen diese einem Dämon zuschreiben. Es könne problematisch werden, wenn Menschen als Hexen oder Hexer in alternative Lebensberatung einsteigen. "Da brauchen wir eine Entzauberung. Wer echte Probleme hat, muss zu echten Experten gehen, sonst droht ihm nicht nur finanzieller, sondern auch psychischer Schaden."

Bei Wicca-Hexen gibt es kein Gut und Böse

In den vergangenen Jahren habe es einen starken Aufschwung der Hexenszene und einen Wandel des Images gegeben. "Seit Harry Potter gab es Ratgeber für magische Rituale, mit TV-Serien kam das Bild der Hexen als durchsetzungsfähige, magische junge Frauen auf", sagt Pöhlmann. Das habe zu sehr individualisierten Formen des Hexenseins geführt.

Pöhlmann unterscheidet zwei Typen Hexen: Zum einen gebe es die Wicca-Bewegung, die Wertungen wie gut und böse oder weiße und schwarze Magie ablehnten. Dort sei eine Regel, das alles dreifach zurückkomme – Schadenzauber also Schaden für die Hexe nach sich ziehe. Der Wiccanismus sei eine gewachsene Form freier Naturreligiösität.

Die andere Gruppe sei geprägt durch starke Nähe zur Esoterikszene, die aber auch von sich sage, Zugang zu Überwirklichkeit und höherem Wissen zu haben. Um "Hexenanfängerinnen" bemühen sich verschiedene Gruppen auf Facebook, oft auch mit kommerziellem Hintergrund. Pöhlmann: "Magie hat auch immer etwas mit Macht zu tun. Wenn es zu viele Häuptlinge und zu wenige Indianer gibt, bleibt Ärger nicht aus."

Hinweis: Falls Sie viel über den eigenen Tod nachdenken oder sich um einen Mitmenschen sorgen, finden Sie hier sofort und anonym Hilfe.

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