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Mitschuld auch bei Medien
Studie sieht in der AfD Speerspitze von "Fake News"


27.03.2018Lesedauer: 4 Min.
Oft nicht so offensichtlich: Ein Mann trägt ein Schild mit der Aufschrift "Fake News". Eine Studie analysiert, wie groß solche Meldungen vor der Bundestagswahl herausgekommen sind.Vergrößern des Bildes
Oft nicht so offensichtlich: Ein Mann trägt ein Schild mit der Aufschrift "Fake News". Eine Studie analysiert, wie groß solche Meldungen vor der Bundestagswahl herausgekommen sind. (Quelle: dpa)

Wie mächtig sind Fake News in Deutschland – und was sind die größten Fälle? Forscher haben den Zeitraum vor der Bundestagswahl analysiert.

Der vermeintliche totale Ausnahmezustand bei einem Heimatfest in Schorndorf war die prominenteste Falschmeldung zur Bundestagswahl. Keine andere irreführende oder falsche Information ist 2017 so intensiv verbreitet worden wie diese. Das ist ein Ergebnis im Abschlussbericht des Projekts "Measuring Fake News" ("Fake News messen") der Stiftung Neue Verantwortung. t-online.de hat sich die Ergebnisse erklären lassen und stellt die zehn Falschmeldungen vor, die die Experten unter die Lupe genommen haben.

Das Geschehen in Schorndorf wurde in rechtspopulistischen Kreisen zu einer zweiten "Kölner Silvesternacht" erklärt. Der Fall zeigte, dass Fake News auch entstehen können, wenn Medien nicht korrekt arbeiten. Durch ein Missverständnis waren in der dpa-Berichterstattung aus 1000 Feiernden 1000 Randalierer geworden.

Worum es bei den Fake News ging: Flüchtlinge, Flüchtlinge und noch einmal Flüchtlinge – acht der zehn relevantesten Fälle drehten sich um dieses Thema. Außerdem fanden sich irreführende Informationen zum G20-Gipfel und die Pfarrerin Margot Käßmann.

Projektleiter Alexander Sängerlaub sagt: "Als Wissenschaftler war uns egal, was kommt, wir haben uns überraschen lassen." Bei ihrer Auswertung stießen die Forscher aber auf keine relevanten Desinformationen von linkspopulistischer Seite. Bemerkenswert war auch, dass CDU-Kanzlerin Angela Merkel und SPD-Herausforderer Martin Schulz nicht Ziel größerer Diffamierungskampagnen waren.

Wie die Forscher die Fake News fanden: In erster Linie wurden Seiten beobachtet, die sich auf das Widerlegen von "Fake News" spezialisiert haben. Auch die Berichterstattung klassischer Medien über solche Fälle wurde hinzugezogen. Schließlich wurde überprüft, ob der Beitrag auch die Definition der Wissenschaftler von "Fake News" erfüllte. Dabei konzentrierten sich die Macher der Studie auf Meldungen, die eine politische Dimension hatten.

Mit Hilfe von Software analysierten die Forscher, wie viele Reaktionen eine Nachricht in den sozialen Medien auslöste. Am meisten Wirbel gab es um das Heimatfest in Schorndorf.

Was die Studie über die Reichweite aussagt: Ob Meldungen auch gelesen oder nur geteilt und kommentiert wurden, kann die Studie nicht beantworten. Sie trifft auch keine Aussagen, ob manche Meldungen exzessiv von Nutzern mit wenigen Freunden oder von Bots geteilt wurden. In diesem Fall könnte man von einem geringen Effekt ausgehen. "Wir würden natürlich die Daten der Medien zu Lesern für einzelne Artikel selbst gerne nutzen. Da wir die nicht haben, sind Interaktionen in Social Media der beste Gradmesser."

Wer verantwortlich ist für "Fake News": Russische Medien spielten zumindest kaum eine Rolle bei der Verbreitung der Falschmeldungen. "Fake News" seien aber Teil der Kommunikationsstrategie von Rechtspopulisten, so die Forscher. Allerdings werde es ihnen manchmal leicht gemacht: Die Studienautoren machen auch fahrlässige und schlechte Informationen von Pressestellen verantwortlich. Eine weitere Rolle spiele die Medienkrise: Bei vielen Medien wird an Personal gespart. Das geht auf Kosten der Recherche und Qualität mancher Berichte.

Welche Rolle die Rechtspopulisten spielen: Die von den Forschern als "Fake News" identifizierten Beiträge wurden vor allem von Rechten, Rechtspopulisten und Rechtsextremen geteilt, erklären sie. Die AfD bezeichnen die Autoren als "die Speerspitze der Verbreitung": In sieben der zehn dokumentierten Fälle ist sie unter den "Top 10" der Weiterverbreiter mit der größten Reichweite – darunter sind meist die Accounts prominenter AfD-Politiker. Das rechtspopulistische Netzwerk sei jedoch größer, auch Blogs aus dem Umfeld finden sich. "Wir haben aber kein Muster erkannt, keinen digitalen Masterplan", so Wolf-Dieter Rühl vom Medienanalyseunternehmen Unicepta.

Welche Rolle den Medien zukommt: "Fake News ist nicht Social Media alleine", sagt Alexander Sängerlaub. "Wir haben auch etablierte Medien als Verbreiter gesehen." Die hatten der Studie zufolge Informationen völlig verkürzt oder falsch interpretiert – zum Teil aus Versehen, zum Teil bewusst. "Auffällig oft tauchen die beiden Springer-Medien Welt.de und Bild.de auf", heißt es in der Studie. Bei einer nachträglichen Korrektur erklärten die Forscher die "Fake News" "nur" noch zu schlechtem Journalismus. Große Reichweite erreichten "Fake News" in der Regel erst durch konventionelle Medien. Aber auch die Pressestellen von Behörden hätten große Verantwortung: Ungenauigkeiten würden Rechtspopulisten oftmals eine Gelegenheit bieten, die Information "für ihre ideologische Kampagne als Teil ihrer Kommunikationsstrategie zu instrumentalisieren”.

Welchen Effekt Aufklärung bringt: Das Gegenstück zu "Fake News" ist das "Debunking", das Aufzeigen von falscher Berichterstattung. Nur: Laut den Untersuchungen hatte die meist unspektakulärere Wahrheit viel weniger Durchschlagskraft als empörungsheischende Irreführung. In einem Fall wurden die Falschmeldungen immerhin durch eine sehr frühe Richtigstellung abgewürgt.

Spätere Richtigstellungen erreichen eher die Leser, die gegenüber reißerischen Schlagzeilen ohnehin skeptisch sind, sagen die Forscher. Hinzu kommt: AfD-Anhänger trauen den etablierten Medien viel weniger. Bei einer repräsentativen Umfrage kurz nach der Wahl zeigte sich, dass AfD-Wähler der Kernbotschaft von "Fake News" oftmals deutlich mehr Glauben schenkten als der differenzierten Berichterstattung von Journalisten.

Welchen Effekt die Fake News haben: Das ist noch unklar, die Forschung dazu läuft. "Medienwirkung ist sehr schwer messbar", erläuterte Sängerlaub. "Einstellungen sind aber sehr robust." Gezielte Falschmeldungen sind also eher wie ein steter Tropfen, der den Stein höhlt. Die Wissenschaftler können nicht beurteilen, ob nun nur eine Gruppe sichtbarer geworden ist, die alles glaubt – oder ob es tatsächlich mehr Menschen gibt, die für "Fake News" empfänglich sind. Sie halten aber fest: "Ängste in der Bevölkerung wurden eher bestärkt als entkräftet."

Wer hinter der Studie steckt: Geforscht haben Wissenschaftler für die "Stiftung Neue Verantwortung". Das ist ein Think Tank, der sich durch Spenden von Firmen (2016: 30 Prozent) und von Förderungen durch Stiftungen, öffentliche Institutionen und gemeinnützige Organisationen finanziert (70 Prozent). 2016 waren die Stiftung von eBay-Gründer Pierre Omidyar, die Robert-Bosch-Stiftung, das Auswärtige Amt, die innogy-Stiftung und die Open Society Foundations größte Geldgeber.

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