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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Petition und Demonstration Deutsche Schäfer wehren sich gegen ihr Aus
Deutschlands Schäfer sehen ihre Zunft vor dem Aus und ziehen mit Schafen nach Berlin. Weil es um viel
Eine geplante Demo und eine Flut von Unterschriften machen den Schäfern in Deutschland noch einmal Mut. Mehr als 25.000 Menschen haben eine Petition zur Rettung der Schäferei unterzeichnet. Deutschland müsse den Schäfern nur eine Prämie zugestehen, die in 22 anderen EU-Ländern fließt, wird dort gefordert.
Wegen der Resonanz schöpfen auch in Breuberg im Süden Hessens Markus Stapp (52) und seine Frau Rhonda (50) noch einmal Hoffnung, weiter im Umkreis von 50 Kilometern mit ihren Hütehunden und den 300 Mutterschafen umherzuziehen. „Die Schäfer rebellieren schon länger, aber es hat keiner zugehört“, erzählt Rhonda Stapp. „Jetzt könnte sich wirklich was tun. Sonst sind wir die nächsten, die aufhören müssen. Wer arbeitet schon, um draufzulegen?“
Hausmeister, Krankenpflegerin – und 300 Schafe
Markus Stapp arbeitet als Hausmeister in Vollzeit, seine Frau Teilzeit bei einem ambulanten Pflegedienst, in der Restzeit arbeiten beide mit den Schafen. Die Schäferin kommt um 14 Uhr von ihrer Stelle beim Roten Kreuz. Nach dem Essen und Umziehen fährt sie bis zu einer halben Autostunde zum aktuellen Standort der Schafe. Wenn die Tiere nicht genug zu fressen haben, dann muss sie diese umkoppeln. Dann treibt sie im Winter im Lichtkegel einer Stirnlampe Netzpfähle in den vereisten Boden.
Die Wochenenden übernimmt ihr Mann, „ich muss ja auch irgendwann Wohnung und Wäsche machen“. Das sei aber alles gar nicht so dramatisch, „wenn wenigstens die normalen Ausgaben sicher gedeckt wären, so dass wir bedenkenlos Futter bestellen können. Wir können so nicht mehr weitermachen, wir stehen quasi mit dem Rücken zur Wand."
Verdienst für Schäfer unter dem Mindestlohn
Vollerwerbsschäfer verdienten mit 6,20 Euro unter Mindestlohnniveau, hat Baden-Württembergs Landesamt für Entwicklung der Landwirtschaft ausgerechnet. Rund 950 gibt es in Deutschland noch, und viele nähern sich dem Rentenalter, sagt Andreas Schenk vom Bundesverbands Berufsschäfer. “Es gibt praktisch kaum Nachwuchs, Interessenten geben oft auf, wenn sie die Arbeitsbedingungen erleben und realisieren, dass sie vermutlich keine Familie ernähren können.”
Was viele Schäfer überhaupt noch hält ist die Faszination ihres Berufes. Rhonda Stapp spricht von “diesem Lebensgefühl. Es ist einzigartig, mit den Tieren unterwegs zu sein. Das will man nicht missen.” Deshalb arbeiteten viele Schäfer auch unter den inakzeptablen Bedingungen noch.
25.000 haben Petition unterzeichnet
Dass viele Schäfer aber seit ein paar Tagen wieder hoffnungsvoller sind, liegt an einer Demo am 13. März in Berlin und an dem, was der 37-jährige Sven de Vries im Netz ausgelöst hat. Der Schäfer mit 600 Schafen (“meine Mädels”) berichtet seit Jahren auf Twitter, Facebook und Instagram aus dem Schäferleben und war der Richtige, um auch die Petition zu starten. Innerhalb weniger Tage sind schon mehr als 25.000 Unterzeichner zusammen. „Das ist ein Signal, das vielen in unserer Branche ein gutes Gefühl gibt. Wir spüren Wertschätzung.“
“Rettet die letzten Schäfer Deutschlands – Weidetierprämie jetzt” lautet das Begehren in der Petition an die Agrarministerkonferenz. Die künftige Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner und ihre Länderkollegen werden Ende April in Münster zusammenkommen. Sie könnten das beschließen, was die Schäfer durchatmen ließe: eine Prämie pro Muttertier. 38 Euro schlägt der Verband vor, 40 Millionen im Jahr wären das für die Schäfer. “Die Weidetierprämie ist bis zur nächsten großen Agrarreform der EU die einzige Lösung”, sagt de Vries. Am Freitag kam dann auch noch die Nachricht: Thüringen führt von sich aus eine Prämie von 25 Euro pro Muttertier ein. Es bewegt sich etwas.
Schäferei für Artenvielfalt wichtig
De Vries ist in Sachen Landschaftsschutz mit seinen Schafen unterwegs auf der Schwäbischen Alb. Auf dem Magerrasen wachsen seltene Orchideen, es ist der Lebensraum vieler Pflanzen und Tierarten von der Roten Listen. Schafe tragen in ihrer Wolle die Samen weiter. Damit das so bleibt, kann der Landschaftserhaltungsverband Alb-Donau auf rund ein Dutzend Schäfereien setzen, erklärt de Vries.
Doch bei dem Verband, der Schnittstelle zwischen Naturschutzbehörde und Schäfern, werde befürchtet, dass es in zehn bis 15 Jahren kaum noch einen gibt. Maschinen können das Werk der Schafe längst nicht so gut vollbringen, der Magerrasen verliert seinen Charakter, die seltenen Arten verschwinden, Deutschlands Kulturlandschaft wird ärmer. Nicht anders in der Lüneburger Heide. Und auch die Pflege der Deiche und der Küstenschutz werden aufwendiger, wenn die Schafe dort nicht mehr gemächlich rupfen und kauen.
Lammfleisch trägt Kosten bei weitem nicht
Schäferei, sagt de Vries deshalb, sei eine Form der Landwirtschaft, die der Natur nicht schadet, sondern ihr hilft. “Wenn dem nicht Rechnung getragen wird, dann können wir zusperren.” Bei manchen kommt die Sorge hinzu, Schäden durch den Wolf würden nicht oder nicht angemessen ausgeglichen. Für die Stapps hat es weitere Kosten bedeutet, sich zum Schutz vor Wölfen die Herdenschutzhunde Esche und Gauner zuzulegen. Sie haben lange überlegt.
Die Weidetierprämie würde gezahlt ohne viel Bürokratie und ohne viel Papierkram, den Schäfer sonst ausfüllen müssen für Flächenprämien, Gelder aus den Programmen für den ländlichen Raum und für Beweidung als Vertragsnaturschutz. Mit der Vermarktung alleine erzielen Schäfer oft 40 Prozent ihres Einkommens oder noch weniger, der Preis für Lammfleisch ist auf dem Niveau von vor zehn Jahren.
Und selbst das öffentliche Geld für die Leistung der Schäfer für den Landschaftsschutz landet oft in den Taschen anderer Grundeigentümer. Wenn Flächen zu verpachten sind, ziehen Schäfer regelmäßig den Kürzeren. Und dann kassiert der, der Schafherden auf seine Flächen lässt und sie angemeldet hat für die Programme mit entsprechender Bewirtschaftung. Nur zehn Hektar eigener Boden machen dem Schäferpaar Stapp das Wirtschaften noch schwerer. Aber sie müssten den Bauern dankbar sein, die ihrer Herde Fressgelegenheit geben, sagt Rhonda Stapp.
WWF, NABU und BUND unterstützen
Sollten die Schäfer sich zumindest bei der Weidetierprämie durchsetzen und sie ab 2019 bekommen, wären diese 40 Millionen Euro etwas mehr als ein halbes Prozent der 6,4 Milliarden Euro Agrarförderung in Deutschland. Der Betrag würde von den Flächenprämien abgezogen, die für rund 17 Millionen Hektar fließen. Bislang hat sich Deutschland dagegen gesperrt.
Zu den Unterstützern der Demo für die Schäfer vor dem Landwirtschaftsministerium zählen auch die großen Umweltverbände: BUND, NABU und WWF sind dabei. 150 bis 250 Schäfer werden erwartet, parteiübergreifend haben sich Politiker angekündigt - und Schafe werden auch dort sein. Etwa 40 Tiere wird ein Schäfer aus der Berliner Region mitbringen, Schafe mit der Erfahrung etlicher Messebesuche.
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Wanderschäfer de Vries wird einfliegen. Das Schäferehepaar Stapp aus dem Odenwald wird dagegen nicht in Berlin sein können, bedauert Rhonda Stapp. „Wir haben unseren Urlaub für die Lammzeit aufgebraucht.“
- Petition für den Erhalt der Schäferei
- Bundesverband Berufsschäfer zur Weidetierprämie